Die Theater AG als Begabtenförderung

von Antje Sahm

 

Ich berichte hier über unsere weitere Arbeit mit der Theater AG. Das Stabpuppen-Theaterstück der „alten“ Theatergruppe kam im November bei einem Kindergartengottesdienst zu einem erfolgreichen Abschluss.

Danach nahmen meine Kollegin Bärbel Hambloch und ich uns vor, mit der Theater AG weiter zu machen, uns allerdings erst einmal eine Theater-Pause zu gönnen, um nach den Weihnachtsferien wieder durchzustarten.

Vorüberlegungen und Auswahl der Kinder

Uns beiden war wichtig, dass die teilnehmenden Kinder diesmal selber schauspielern würden, es sollte also nicht wieder ein Puppentheater werden, bei dem das Basteln der Figuren und Requisiten den meisten Raum einnimmt – das Schauspielern sollte im Vordergrund stehen.

Außerdem hatten wir entschieden, dass wir die Kinder wieder selber auswählen wollten, jetzt allerdings nach anderen Kriterien als bei der letzten Gruppe. Damals hatten Bärbel und ich die Kinder eher danach ausgewählt, welchen Kindern Theaterspielen zu dem damaligen Zeitpunkt gut tun würde. So hatten wir zum Beispiel etwas schüchterne oder ruhigere Kandidaten teilnehmen lassen und weniger auf Begabungen oder Talente geschaut.

Bei der neuen Gruppe war es also unser Bestreben,
die Theater-Talente zu finden und in unserer AG zu versammeln,
um möglichst produktiv und begabungsförderlich
mit hoffentlich motivierten Kindern arbeiten zu können.

Zunächst einmal überlegten wir, welche Kinder aus der alten Theatergruppe wir gerne wieder dabei hätten:

Aus der Bananengruppe hatte ja nur Marike (inzwischen 6;1) teilgenommen, sie ist ja im IHVO-Zertifikatskurs mein Beobachtungskind und nach allen bisherigen guten Erfahrungen sollte sie wieder dabei sein.

… kurz gefasst…

Die Autorin und ihre Kollegin erweitern ihre schon vorhandenen Theaterspiel-Erfahrungen in der Kita, indem sie nun erstmals eine Theatergruppe zusammen stellen, die aus Talenten besteht, die sich schon ansatzweise gezeigt haben.
Konzentriert, gut gelaunt und konfliktarm verläuft die Vorbereitungs- und Probenarbeit über insgesamt 11 Treffen plus Generalprobe und zwei Aufführungen.
Zwei gründliche Reflexionen ergänzen den Beitrag.

Aus der Sonnengruppe hätten wir Fiona (6;5) gerne wieder in der AG gesehen. Damals hatte ich sie zwar hauptsächlich ausgewählt, um den Kontakt zwischen ihr und Marike herzustellen und zu intensivieren, aber Bärbel und ich haben beide den Eindruck, dass Fiona immer sehr motiviert bei der Sache war und sicher gerne wieder mitmachen würde. Außerdem empfand ich sie (erfreulicherweise) als zunehmend temperamentvoll. Von einem der Jungen hingegen wollten wir uns (beim Theaterspiel) beide lieber trennen.

Aus der Mäusegruppe wollten wir unbedingt wieder Nora (6;1) bei der Theater AG begrüßen. Denn sie war in der alten Gruppe das einzige Kind gewesen, das bei der Abstimmung über die Art des Theaterspielens dafür war, selbst zu spielen und nicht mit Puppen. Aber auch mit den Stabpuppen hat sie ihre Sache sehr gut gemacht und immerhin die Hauptrolle gespielt.

Dann ist uns noch Arne (6;4) zum Ende des Stabpuppen-Stückes sehr positiv aufgefallen, obwohl er zu Beginn der AG ja weniger motiviert wirkte. Ihn und seine guten Ideen hatte ich auch weiterhin bereichernd gefunden.

Bei Pascal (6;3) waren wir unsicher, zumal die Kombination mit Arne manchmal etwas anstrengend war. Dies zum einen, weil sie vereint ziemlich albern sein konnten, zum anderen hatte ich teilweise den Eindruck, dass sie sich gegenseitig bremsten – möglicherweise durch die Sorge, der andere könnte es „uncool“ finden, wenn man aus sich heraus geht.

Auch Pascal hat seine Sache gut gemacht und ich hatte schon das Gefühl, dass er gerne an der AG teilgenommen hat. Schließlich kamen Bärbel und ich zu dem Schluss, dass wir sie beide fragen würden, ob sie weiterhin interessiert seien, an der AG teilzunehmen, dass Bärbel sie aber getrennt befragen würde, um zu verhindern, dass der Eine die Entscheidung vom Anderen abhängig macht.

Von den Kindern der Regenbogengruppe war Merle (6;1) unsere klare Favoritin. Besonders positiv aufgefallen ist sie uns durch einen ganz ungünstigen Umstand, nämlich dadurch, dass Nora am Tag der Vorführung beim Gottesdienst wegen Krankheit ausfiel, sie also die Hauptrolle nicht spielen konnte.
Nach kurzer Krisensitzung entschieden wir die Kinder zu fragen, wer für Nora einspringen würde, was natürlich viel verlangt war, so völlig spontan und ohne das jemals geprobt zu haben. Merle war die Einzige, die sich diese Aufgabe zugetraut hat und sie hat für meine Begriffe ziemlich souverän Noras und ihren eigenen Part gespielt.

Sara (6;2) hätten wir auch wieder gerne dabei gehabt, obwohl sie eher zu den ruhigeren und unauffälligeren Kindern zählt. Ich empfand sie aber immer als durchaus motiviert, sehr verlässlich und künstlerisch durchaus begabt.

Costa hingegen kam uns doch oft sehr verträumt und wenig bei der Sache vor (sowohl beim Basteln der Puppen als auch bei den Proben und der Aufführung). Außerdem kommt er häufig nicht pünktlich. So haben wir uns also gegen Costa entschieden.

Parallel zu unseren Überlegungen haben Bärbel und ich dann noch mit den Erzieherinnen gesprochen und um Rückmeldung gebeten, welche Kinder sie uns für die Theater AG empfehlen könnten in Hinblick auf Begabtenförderung.

Unsere Kollegin Yvonne nannte uns sofort zwei Kinder aus ihrer Gruppe, nämlich Maja (5;2), die ich mir auch gut als Teil der AG vorstellen konnte, weil ich sie bisher als sehr kontaktfreudig, offen und als leicht zu begeistern kennengelernt habe. Yvonne hatte Maja schon bei mehreren kleinen Gottesdienst-Theaterstücken eingesetzt und dabei beobachten können und meinte, wir müssten sie unbedingt dazu nehmen.
Ebenso Oskar (6;5), der auf mich bisher einen ziemlich schüchternen Eindruck gemacht hatte und auf den ich selbst nie gekommen wäre. Yvonne aber schätzt ihn als sehr talentiert und interessiert ein, was das Theaterspielen betrifft.

Unsere Kollegin Ina aus der Regenbogengruppe empfahl uns Greta (4;7), aber – so hatte ich den Eindruck – weniger weil Greta bisher als Theatertalent aufgefallen ist, sondern eher weil ihre Mutter es gerne sehen würde, dass ihr Kind an der Theater AG teilnimmt.

Aus meiner Gruppe fiel mir noch sehr schnell Mario (5;2) ein. Persönlich konnte ich sein Theatertalent zwar noch nicht begutachten, ich hatte allerdings noch Yvonnes positive Rückmeldung nach einem Gottesdienst-Theaterstück in Erinnerung, bei dem auch Mario mitgewirkt hatte. Außerdem hatte seine Mutter einmal eher beiläufig erwähnt, dass er in seinem alten Kindergarten auch schon öfter bei kleinen Vorführungen teilgenommen hatte und dass sie stets überrascht war, wie selbstsicher und engagiert er (im Unterschied zu manch anderen Kindern) bei der Sache war.

Nun sah also unsere Wunsch-Teilnehmerliste so aus:

Marike, Mario, Fiona, Maja, Oskar, Nora, Arne, Pascal, Merle, Sara.

Marike und Mario, die ich einzeln fragte, ob sie bei der Theater AG mitmachen wollten, sagten beide freudig zu. Fiona, Maja und Oskar, die ich bewusst gemeinsam befragte, sagten ebenfalls zu – die beiden Mädchen begeistert, Oskar sehr zögerlich. Er ließ sich auf meinen Vorschlag ein, erst einmal probehalber mitzumachen, um sich dann später endgültig zu entscheiden.
Bärbel befragte Arne und Pascal wie besprochen getrennt, mit dem Ergebnis, dass Arne ab- und Pascal zusagte. Laut Bärbel ließ Arne auch nicht mit sich reden, was wir zwar schade fanden, aber wir wollen ja schließlich mit motivierten Kindern arbeiten; deshalb macht es wohl auch keinen Sinn, ein Kind zur Teilnahme überreden zu wollen. Nora hatte, wie erwartet, auch Lust weiter mitzumachen, genauso wie Merle und Sara.
So mussten wir von unserer Wunsch-Teilnehmerliste lediglich Arne streichen.

Das Stück und die Verteilung der Rollen

Das erste Treffen der neuen Gruppe fand am 7. Februar statt, im Nebenraum der Bananengruppe, wo wir gemütlich in unserer Polsterecke sitzen konnten. Wir erzählten den Kindern, dass die Theater AG jetzt weitergehen und für einige Kinder neu beginnen würde. Wir fragten, wer den neu dazugekommenen Kindern berichten könnte, was die AG zuletzt gemacht hat. Fiona (6;5) übernahm das.
Dann teilten wir den Kindern mit, dass wir diesmal gerne ein Stück einüben würden, bei dem sie selbst die Schauspieler sein sollen und dass wir uns auch schon eine Geschichte ausgesucht hätten.

Das mag jetzt extrem vorgegeben und wenig nach Partizipation klingen, aber Bärbel hatte mir vor längerer Zeit ein Bilderbuch gezeigt, das wir für den Einstieg ins Theaterspielen perfekt fanden.
Das Buch mit dem Titel „Huh!“ von Colin McNaughton erschien uns deshalb als sehr geeignet, weil die Handlung sehr lustig und aktionsgeladen ist und weil wenig Text enthalten ist. Wir fanden, dass die Geschichte relativ leicht umzusetzen sein müsste. Auch kam sie uns von den Figuren her variabel vor, so dass unproblematisch Rollen weggelassen oder ergänzt werden könnten.

Ich hatte unheimlichen Spaß dabei, die begeisterten Gesichter der Kinder zu beobachten, während Bärbel ihnen das Buch wunderbar fesselnd vorgelesen hat.
Alle mochten die Geschichte sofort und wollten auch direkt zur Rollenverteilung schreiten, die sich dann als sehr unkompliziert herausstellte.
Zunächst überlegten wir mit den Kindern, welche Rollen in der Geschichte vorkommen, und notierten sie:
Erwin (die Hauptrolle),
Erwins Vater,
ein Bäcker,
eine Lehrerin,
Anton Angeber
und ein Wolf.

Sara bemerkte, dass mehr Kinder als Rollen vorhanden waren. wir ließen die Kinder überlegen, wie man dieses Problem lösen könnte.
Maja schlug vor, dass sich immer zwei Kinder eine Rolle teilen könnten, Pascal meinte aber, es wäre besser, wir würden noch weitere Rollen dazu erfinden, das hätten wir bei der „Hexe Lisbet“ ja auch so gemacht. Dieser Vorschlag wurde von allen angenommen, woraufhin ein fröhliches Rollen-Erfinden begann.

Wir schrieben alle Vorschläge  auf, lasen den Kindern noch einmal alle ursprünglichen und erfundenen Rollen vor und forderten sie dann auf, der Reihe nach zu sagen, welche Rolle sie am liebsten spielen würden.

Merle entschied sich für Anton Angeber,
Sara für den Wolf,
Pascal für Erwins Vater,
Nora für die Lehrerin,
Oskar für den erfundenen Fernsehverkäufer,
Maja für den erfundenen Postboten und
Marike für den erfundenen Clown.
Fiona und Mario wollten beide gerne die Hauptrolle (Erwin) spielen.

Ich fragte in die Runde, wie wir dieses Problem denn lösen könnten, und mehrere Kinder schlugen „auszählen“ vor. Mario und Fiona erklärten sich damit einverstanden und so bekam Fiona die Hauptrolle und Mario entschied sich für die Rolle des Bäckers.

Damit schlossen wir unser erstes Treffen ab und ich sagte, dass wir uns dann nächste Woche in der Turnhalle zur ersten Probe treffen würden, worauf sich die Kinder anscheinend sehr freuten. Bärbel sagte noch: „Ich glaube, wir werden viel Spaß mit der Geschichte haben. Was meint ihr?“ Als Antwort kam allgemeiner Jubel.

2. Treffen

Da das Treffen in der letzten Woche zwangsläufig recht theoretisch abgelaufen war, dachten wir es sei sinnvoll, dieses Treffen etwas aktionsreicher zu gestalten.

Als die Theater-Kinder fröhlich in die Turnhalle liefen, kam Oskar zu mir und sagte: „Ich glaub, ich will gar nicht mehr bei der AG mitmachen.“ Worauf ich überrascht antwortete: „Ach echt? Hat dir das letzte Mal nicht gefallen? Du wolltest doch den TV-Verkäufer spielen.“ Oskar nickte und schien unschlüssig; deshalb schlug ich vor: „Heute wollen wir doch proben, das haben wir ja noch gar nicht gemacht. – Sollen wir es so machen, dass du heute nochmal mitmachst und dann am Ende des Treffens überlegst, ob du dabei bleibst oder nicht?“ Die Idee fand Oskar gut.

Als alle in der Turnhalle auf der großen Matte saßen, fragte Merle: „Wer war nochmal Anton Angeber und was macht der nochmal?“
Sara sagte: „Das war das Schwein, das fernsieht… oder Zeitung liest?“
Ich sagte: „Bin mir auch nicht sicher. Sollen wir das Buch schnell noch mal vorlesen?“
Einstimmiges „Jaaa!“ als Antwort.

Bärbel kam der Aufforderung nach und die Kinder amüsierten sich wieder köstlich über die Geschichte.

Hier ist die Geschichte:

Dann erklärte ich den Kindern das Spiel, das wir uns für dieses Treffen überlegt hatten:

Weil in der Geschichte Schwein Erwin sich an sämtliche Leute aus seiner Nachbarschaft anschleicht, um sie zu erschrecken, und die Leute das auch jedes Mal höchst spektakulär tun, wollten wir mit den Kindern „erschrecken und erschreckt werden“ proben und spielen. Hierzu sollten sie sich partnerweise zusammentun und abwechselnd genau das tun, wobei das erschreckte Kind möglichst dramatisch auf der Matte landen sollte. Die Kinder hatten hierbei viel Spaß und wollten es zweimal spielen.

Danach setzten wir uns alle wieder auf die Matte und überlegten, wie wir nun weiter vorgehen wollten: Ob wir bei den nächsten Treffen lieber weiter proben oder uns erst einmal um Kostüme, Kulissen und Requisiten kümmern sollten. Hierüber wurde abgestimmt und die Mehrheit entschied sich für Kostüme, Kulissen und Requisiten.
Bärbel fragte: „Sollen wir dann jetzt schon überlegen, was wir alles basteln müssten?“
Die Frage wurde bejaht und alle überlegten, was für die eigene Rolle (und auch die der Anderen) wichtig wäre. Die Ideen schrieben wir auf. Mir gefiel besonders Marikes Vorschlag, dass sie sich als Clown vor Schreck eine Torte ins Gesicht werfen könnte.

Als die Aufmerksamkeit der Kinder merklich schwand, beendeten wir das Treffen und sagten den Kindern, dass wir uns also beim nächsten Mal zum Basteln im Werkraum treffen würden, worauf wir uns alle vergnügt von einander verabschiedeten.
Bevor Oskar in seine Gruppe ging, fragte ich ihn, ob er denn beim nächsten Mal auch wieder dabei sein werde, in der vollen Überzeugung, dass er ja sagen würde.

Überraschenderweise antwortete er (gerade eben noch völlig vergnügt und guter Laune, doch plötzlich ganz ernst): „Nein.“ Ich darauf völlig überrascht: „Echt nicht? Wie schade! Ich hatte das Gefühl, dir hätte es heute viel Spaß gemacht.“ Oskar: „Ich mach aber trotzdem nicht mit“ und ging in seine Gruppe.
Weil mich seine Reaktion irritiert hat, erzählte ich seiner Gruppenleiterin Yvonne davon, da sie mir ja Oskar dringend für unsere AG empfohlen hatte. Nicht dass ich ihn überreden wollte mitzumachen, ich wollte seine Entscheidung lediglich verstehen, weil ich darauf hätte schwören können, dass er bei beiden Treffen sehr viel Spaß hatte.

Wie sich (durch Yvonnes Nachforschungen) herausstellte, hatte Marlon die Theatergruppe gegenüber Oskar schlecht gemacht. Vielleicht tat Marlon das – so war Yvonnes Vermutung – weil er darüber enttäuscht war, selber nicht mehr dabei zu sein. Leider blieb Oskar, trotz Yvonnes Ermunterungsversuchen, dabei, nicht mehr mitmachen zu wollen.

Anmerkung der Kursleitung:
Oskar hat sich also in diesem Fall wohl für Dazugehören zu seinem Freund und gegen Entfalten seines Talents entschieden. Offenbar ist ihm die Beziehung zu seinem Freund Marlon zur Zeit wichtiger als das Theaterspielen und die Zugehörigkeit zur zeitweiligen Theater AG.
Siehe: Einsam sein und das Dilemma Hochbegabter.

In der nächsten Woche musste die AG leider ausfallen, weil Bärbel Urlaub hatte und ich wegen Krankheitsvertretung auch nicht abkömmlich war.

3. Treffen

So versammelten wir uns also erst am 28.2. mit den Kindern im Werkraum. Anwesend waren Marike, Mario, Fiona, Maja, Pascal, Sara, Bärbel und ich. Nora und Merle waren krank.
Leider konnte die AG aus organisatorischen Gründen (Programm der anderen Gruppen) erst recht spät beginnen, so dass wir uns spontan für eine weniger zeitaufwändige Bastelaktion entscheiden mussten.

So begannen wir damit, die Kinder Schweinenasen aus Eierkartons basteln und anmalen zu lassen; und nachdem Sara den anderen Kindern erklärt hatte, wie man sich die Farbe Rosa mischen kann, waren auch alle flott damit fertig. Danach besprachen wir die Ideensammlung aus dem letzten Treffen. Ich sagte: „Euch sind beim letzten Mal ja schon ganz viele gute Einfälle gekommen. Einige von euch sagten, dass sie so manches an Kostümen und Requisiten von zuhause mitbringen könnten.“

Marike unterbrach mich: „Ich hab ein Clownskostüm Das kann ich mitbringen.“
Fiona: „Und wir haben zuhause ein Quietsche-Entchen und einen Schwamm.“
Ich: „Super! Dann lasst uns doch jetzt mal alle überlegen, wer was mitbringen kann.“
Das taten wir und am Ende hatte jedes Kind mindestens eine Sache, die es bis zum nächsten Mal mitbringen wollte. Ich fragte: „Wie machen wir es denn, dass alle an ihre Sache denken bis zum nächsten Mal?“
Maja schlug vor: „Du kannst uns das doch auf einen Zettel schreiben und den dann unseren Mamas geben.“ Ich: „Das mit dem Zettel finde ich eine gute Idee – aber einige von euch können doch selber schon schreiben und alle könnt ihr malen. Wollt ihr euch nicht lieber selber Zettel schreiben oder malen und die dann euren Eltern geben?“

Der Vorschlag wurde angenommen und sogleich umgesetzt. Die Kinder verwendeten Klebezettel, die sie sich hinterher an ihre Schubladen, Garderobenplätze oder Kindergartentaschen klebten. Bärbel und ich waren sehr gespannt, ob die Kinder an die Sachen denken würden.
Als wir das Treffen beendeten, sagte Fiona: „Och, nur so kurz heute? Schade!“

Bei unserer Nachbesprechung nahmen Bärbel und ich uns deshalb vor, unbedingt auf einem zeitigeren AG-Beginn und auf getroffene Absprachen mit Kolleg*innen zu bestehen, damit wir die Kinder in Ruhe und mit ausreichend Zeit arbeiten lassen können.
Außerdem machten wir eine Bühnenbild-Skizze, um selber besser planen zu können, was als nächstes gemalt und gebastelt werden sollte. Da mir diese Skizze sehr dabei half, mir das Drumherum des Stückes und den Ablauf besser vorstellen zu können, entschloss ich mich, auch für die Kinder eine (etwas besser erkennbare) Skizze zu machen, damit auch sie sich alles besser vorstellen können.

Am nächsten Tag schon kam Maja mit einer Tüte zu mir und sagte: „Hier, für die Theater AG. Das sind die Postsachen.“ (Maja hat die Rolle des Postboten.) Ich: „Klasse, dass du die schon mitgebracht hast! Lass uns die Sachen direkt zu den anderen Theatersachen in den Werkraum bringen.“ Von Bärbel erfuhr ich, dass Pascal (Erwins Vater) auch schon sein Kostüm mitgebracht hatte. Und noch vor unserem nächsten Treffen hatten auch Marike (Clown), Mario (Bäcker) und Fiona (Erwin) ihre Sachen mitgebracht – ein Hoch auf die Klebezettel!

Anmerkung der Kursleitung:
Schade, dass sie immer eine Woche warten müssen. Geht es gar nicht anders?

4. Treffen

Am 7.3. waren alle acht Kinder anwesend. Wir trafen uns pünktlich um 10:15 Uhr im Werkraum und gaben den Kindern erstmal ein ganz großes Lob dafür, dass das Sachenmitbringen so toll geklappt hat. Nun mussten natürlich alle mitgebrachten Kostüme und Requisiten vorgeführt werden, was sehr lustig war.

Als alles wieder verstaut war, zeigte und erklärte ich den Kindern die Bühnenbildskizze. Anhand der Skizze besprachen wir dann, wer nun was basteln würde.

Maja und Fiona machten einen Briefkasten;
Mario bastelte seine Bäckermütze;
Sara arbeitete an ihrer Wolfsmaske;
Marike und Merle malten eine Häuserfront;
Pascal und Nora malten die andere Häuserfront.
Dieses AG-Treffen dauerte etwas mehr als eine Stunde und die Kinder kamen gut voran.

5. Treffen

Das bisher letzte Treffen der Theater AG fand am 14.3. statt. Es  war leider mal wieder organisatorisch schwierig, weil zum einen Bärbel wegen Krankheit ihres Kollegen in ihrer Gruppe bleiben musste und weil zum anderen am selben Tag eine der letzten Proben für den Gottesdienst stattfand, bei dem auch einige Kinder der Theater AG teilnahmen. So beschlossen Bärbel und ich, dass ich mit den übrigen Kindern (Marike, Mario, Fiona und Maja) die AG machen und mit ihnen weiter basteln würde. So konnten Maja und Fiona ihren Briefkasten fertig stellen. Marike, Mario und ich bastelten den Fernseher für Anton Angeber und Sara, die nach der Gottesdienstprobe noch zu uns kam, malte allen Schweinenasen (mit Erlaubnis der anderen) hübsche Nasenlöcher. Danach malten sie und Marike noch gemeinsam das TV-Bild, denn Anton Angeber sollte gerade eine Schweinesendung schauen. Von Saras Zeichenkünsten war ich wieder einmal schwer beeindruckt… Sara: „Marike, wir müssen noch den Schatten malen.“  Marike: „Den was?“ Sara: „Den Schatten von dem Schwein da und dem Hasen!“ Marike: „Das musst du dann aber machen, ich weiß nicht, wie das geht.“ Sara: „Ok“ und malte erstklassige Schatten der Figuren.

〈Hier endet die 4. IHVO-Hausarbeit der Teilnehmerin, die Fortsetzung folgt nach der Reflexion. – HV〉

Reflexion:

Was die Auswahl der Kinder betrifft, bin ich sehr zufrieden, da ich den Eindruck habe, dass wir eine hochmotivierte Truppe zusammengestellt haben, mit der es große Freude macht zu arbeiten. (Einige der Kinder fragen regelmäßig: „Wann ist endlich wieder die Theater -AG?“ oder ähnliches.)
Sinnvoll war auch, wieder mit den Kolleg*innen zu sprechen, um „Empfehlungen“ einzuholen, weil ich zum Beispiel die Kinder aus der Regenbogen- oder der Mäusegruppe kaum kenne, zumindest was deren Theater-Begabungen angeht. Allerdings haben Bärbel und ich diesmal darauf geachtet, dass die Entscheidung, wer mitmachen und wie groß die Gruppe werden würde, in unserer Hand blieb. Von Vorgaben, wie es sollten aus den Kindergartengruppen jeweils drei und aus den Altersgemischten Gruppen jeweils zwei Kinder mitmachen, haben wir uns ganz bewusst frei gemacht, weil das nicht dem Gedanken der Begabtenförderung entsprochen hätte.

Nicht so gut war, dass wir uns gar nicht damit befasst haben, wie es wohl Marlon und Costa aufnehmen würden, wenn sie nicht gefragt werden, ob sie bei der AG wieder mitmachen wollten. Zumal wir ja Fiona (die mit Marlon die Sonnengruppe besucht) und Sara und Merle (die mit Costa in der Regengruppe sind) einluden, weiterhin teilzunehmen.
Wenn Bärbel und ich mit den beiden im Vorfeld darüber gesprochen hätten, wäre es vielleicht auch nicht passiert, dass Marlon Oskar die Teilnahme an der AG schlecht gemacht hätte.

Anmerkung der Kursleitung:
Wie hättet Ihr mit Oskar und Costa darüber sprechen können?

Was die Auswahl des zu spielenden Stückes betrifft, könnte man uns ankreiden, dass Bärbel und ich hier die Kinder nicht mit einbezogen haben. Normalerweise widerstrebt es mir auch völlig, Kindern ungefragt einfach etwas vorzusetzen und zu sagen: „Wir machen das jetzt so.“ In diesem Falle aber halte ich unser Vorgehen für richtig. Denn die Geschichte erschien uns, wie schon dargelegt, als wunderbar geeignet für den Einstieg ins Schauspielern. Und hier halte ich einen gelungenen Einstieg mit einer Geschichte, die Spaß macht, schnell umzusetzen ist und damit Erfolgserlebnisse verspricht und nicht frustriert, weil sie zu schwierig ist, für wichtiger als die Mitbestimmung der Kinder.

Anmerkung der Kursleitung:
Da stimme ich völlig mit Dir überein, Deine Argumentation finde ich überzeugend. Und ich finde, die Methode der Partizipation ist grundsätzlich differenziert zu sehen: Kinder brauchen Beides, mal dies und mal jenes. Sie brauchen Partizipation und Mit-/Selbstbestimmung, sie brauchen aber auch immer wieder gute Vorschläge der Erzieher*innen, die dabei ihre größere Übersicht und Erfahrung souverän nutzen und einbringen. Ich finde, dagegen ist nichts zu sagen, solange die Vorschläge der  Erzieher*innen von den Kindern kritisiert und abgelehnt werden dürfen und wenn sie  gegebenenfalls eigene, bessere Vorschläge durchsetzen können.

Wenn wir diesen Einstieg zusammen gemeistert haben, können wir uns immer noch mit den Kindern an schwierigere Stücke heranwagen und sie in die Auswahl mit einbeziehen. Wie erwartet oder zumindest gehofft, waren die Kinder auch sofort begeistert von dem Bilderbuch. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann hätten Bärbel und ich sicher gemeinsam mit ihnen nach einer Alternative gesucht.

Den Einstieg, also unser erstes Treffen, fand ich sehr gut. Insgesamt dauerte es nur eine halbe Stunde, in der wir aber viel schafften. So war ich mir vorher nicht sicher gewesen, ob wir schon die komplette Rollenvergabe hinkriegen würden – und dann auch noch so unkompliziert, was wohl zeigt, dass wir eine harmonische Gruppe haben, bei der es um die Sache geht und zum Glück nicht um Konkurrenz untereinander.

Zum Thema „Organisatorisches“ gilt wieder einmal zu beachten:

    • Unbedingt am Tag selber mit den Kolleg*innen aus den anderen Gruppen sprechen, was in den anderen Gruppen ansteht, und dann eine Zeit festlegen, wann die AG beginnen soll. Als groben Richtwert haben wir zwar 10 Uhr angesetzt, allerdings haben wir gemerkt, dass es ohne vorherige Absprache nicht funktioniert.
    • Selbst auf die Einhaltung der abgesprochenen Zeiten achten.
    • Bärbel und ich sollten für uns Vor- und Nachbereitungszeiten bewusster einplanen und sie auch einhalten. Vor dem zweiten Treffen fand eigentlich gar keine konkrete Planung statt, aber es verlief trotzdem sehr gut. Wir sind wohl beide spontan und flexibel genug, um auch mal ungeplant prima miteinander arbeiten zu können, allerdings sollten wir uns vielleicht doch mehr disziplinieren, besser zu planen. Selbst wenn es nur fünf Minuten vor der AG sind.
    • Ein guter Einfall war der mit den Klebezetteln, hat super funktioniert, und auch die Bühnenbild-Skizze war sinnvoll, weil sich die Kinder damit tatsächlich alles besser vorstellen und sofort sagen konnten, was wir alles basteln müssen und was mitgebracht werden kann.

Fortsetzung der Theater AG

Beim IHVO-Seminar-Wochenende im April hatten wir für unsere Kita mit Deiner Hilfe (hier ist die Kursleiterin gemeint- HV) einen „Stundenplan“ erstellt, für all die regelmäßigen Angebote und  Aktivitäten, die bei uns in der Kita gegebenstattfinden. Daraus konnten wir ersehen, dass es für unsere AG vermutlich sinnvoller wäre, zukünftig statt um 10 Uhr schon um 9 Uhr zu beginnen.
Dies teilten wir den Eltern unserer Theater-Kinder per Brief mit, inklusive der Bitte um Pünktlichkeit. (Diese ist bei unserer Elternschaft leider keine Selbstverständlichkeit.)

Des weiteren nahmen Bärbel und ich uns vor (auch als Erkenntnis aus dem Seminar), unseren Fokus eher auf die Proben unseres Stückes zu richten und das Basteln der Kulissen und Requisiten eher zwischendurch mit den Kindern zu erledigen. Denn in Anbetracht des kurzen Schul- und Kindergartenjahres und der arbeitsintensiven Vorbereitungen auf unser Jubiläums-Zirkusfest im Mai wollten wir am Ende nicht in Zeitnot geraten.
So machten Bärbel und ich einen Zeitplan, wann Aufführungen und Proben stattfinden sollten, und besprachen die Termine mit den Kolleg*innen, um sicher zu stellen, dass uns keine anderen Aktivitäten in die Quere kommen würden.

6. Treffen

Am 21.3. trafen wir uns mit den Kindern zur ersten Probe in der Turnhalle.
Zuvor hatten Bärbel und ich den Raum schon vorbereitet und entsprechend unserer Skizze das Bühnenbild aufgebaut.

Anhand des Bilderbuches gingen wir mit den Kindern als erstes die Reihenfolge der Rollen durch und überlegten dann gemeinsam, welcher Text zu den einzelnen Rollen und Szenen passen würde. Einiges konnten wir aus dem Bilderbuch übernehmen, anderes mussten wir ergänzen oder umändern. Ich erlebte die Kinder hierbei als konzentriert und kreativ. Jedes Kind wollte erstmal für seine eigene Rolle überlegen, welcher Text passen würde; es wurde aber auch zugelassen, sich gegenseitig Vorschläge zu machen, und so wurde das Ganze zu einem lebhaften, fruchtbaren Prozess. Bärbel und ich machten uns dazu Notizen, um die Einfälle und Vorschläge der Kinder festzuhalten.

Als wir damit fertig waren, hatten wir noch Zeit für eine Durchlaufprobe, die etwas konfus anmutete, weil wir alle noch nicht die genaue Reihenfolge, den Text und auch den Ablauf präsent hatten: Wer kommt von wo? Wo versteckt sich Erwin?
Außerdem spielten die meisten Kinder ziemlich zurückhaltend, was mich aber bei der ersten Probe nicht überraschte.

Den 28. 3. nutzten Bärbel und ich als Vorbereitungszeit. Zum einen, um den Proben- und Aufführungsplan zu machen und die Termine mit den Kolleg*innen abzusprechen; zum anderen, um uns über den genauen Ablauf des Stückes Gedanken zu machen und den Text der Schauspieler*innen und der Erzählerin anhand des Buches und anhand unserer Notizen vom vergangenen Treffen aufzuschreiben. Außerdem machten wir noch eine Liste all der Sachen, die noch zu besorgen und zu basteln waren. (Eigentlich wollten wir dafür keine AG-Einheit „verschwenden“, wir sahen aber sonst keine Möglichkeit, das zwischendurch zu tun.)

Das 7. Treffen

Das nächste Treffen fand wegen der Osterferien erst am 25. 4. pünktlich um 9 Uhr statt. Sara und Nora waren beide krank.
Diese AG-Einheit war sehr produktiv: Eine halbe Stunde lang probten wir in der Turnhalle einen kompletten Durchlauf, wobei wir die Kinder einzelne Szenen wiederholen ließen. Wir stellten fest, dass wir gut in der Zeit waren, sodass wir entweder noch ein zweites Mal proben oder aber eine halbe Stunde im Werkraum Kulissen basteln konnten. Die Mehrheit entschied sich für Basteln und so nutzten wir die halbe Stunde, um das Gebüsch (eins von Erwins Verstecken) zu machen und alle Schweinenasen anzupassen.
Gut fand ich, dass Bärbel den Kindern vor der Probe noch einmal kurz den Text vorgelesen hat, denn dadurch war ihnen (und uns) der Ablauf klar und sie konnten sich gut an ihre Sätze erinnern.
Fiona wirkte, im Vergleich zu den anderen Kindern, sehr zurückhaltend in ihrem Spiel. Maja fand ich super – ein wahres Improvisationstalent!

Anmerkung der Kursleitung:
Und sie macht hier sicher prima Erfahrungen, indem sie es ausleben kann.

8. Treffen

Für den 2. 5. hatten Bärbel und ich geplant, doch noch eine komplette Basteleinheit mit den Kindern einzulegen, weil einfach noch einiges zu erledigen war und es die Proben sicher erleichtern würde, wenn wir das Bühnenbild und die Requisiten komplett fertig hätten.
Wir trafen uns um 9 Uhr im Werkraum (es waren alle da), was für eine Probe super gewesen wäre, wir hatten aber schon den Werkraum zum Basteln vorbereitet, also legten wir eifrig los:

Fiona und Maja kümmerten sich um die beiden Häuserfronten. (Als sie damit fertig waren, verließen sie die AG schon früher als die anderen, weil die Sonnengruppe für diesen Morgen noch einen Ausflug geplant hatte.)
Marike und Sara tüftelten darüber, ob Erwins Maske besser aus Stoff oder aus schwarzer Pappe zu machen sei.
Merle, Pascal und später noch Sara arbeiteten an Erwins Kinderzimmer-Kulisse.
Nora und Mario bemalten die Hanteln für den Clown sowie den zweiten Briefkasten.

Als alles bestens erledigt war und wir die Kinder für ihre tolle Arbeit lobten und uns ans gemeinsame Aufräumen machten, besprachen wir noch, welche Requisiten uns noch fehlten und ob zufällig jemand von zuhause etwas mitbringen könnte. Marike wollte versuchen, an ihre Schrubberbürste zu denken (sie meinte, es ginge auch ohne Erinnerungszettel) und Pascal wollte nachsehen, ob er zuhause eine Aktentasche hätte, die er mitbringen darf.

In der darauffolgenden Woche musste die Theater AG im Zuge der allgemeinen Zirkus-Fest-Vorbereitungen ausfallen.
Während des Festes stellten übrigens Marike und Maja ihre Bühnenqualitäten eindrucksvoll unter Beweis:
Maja hatte mit unserer Kollegin Yvonne eine Floh-Dressur-Nummer eingeübt, bei der sie alleine auf der Bühne stand und sich auch relativ viel Text merken musste: sehr souveräne Darbietung und das Ganze vor einem riesigen Publikum.
Marike hatten wir gefragt, ob sie nicht Lust hätte, die Clownsnummer aus der AG auch beim Zirkusfest vorzuführen, wahlweise gemeinsam mit unserem Kollegen Holger, der sich bereit erklärt hatte, Marike dabei zu unterstützen. Sie sagte zu und gab an dem Fest mit Holger zusammen eine sehr lustige Clownsnummer zu Besten – und das, obwohl die Nummer dreimal umgeändert wurde und sie nicht viel Zeit zum Proben hatten!

Anmerkung der Kursleitung:
Begabungen und Talente entwickeln sich durch Gelegenheit zum Tun. Prima.

9. Treffen

Mit der Theater AG  ging es dann also nach dem Fest am 16. 5. weiter. Ärgerlich war, dass durch einen Ausflug der Sonnengruppe Fiona, die ja die Hauptrolle hatte, und Maja nicht teilnehmen konnten.
Als unser Ärger darüber verflogen war, fragten wir kurzerhand die Kinder, ob jemand Lust hätte, heute die Rolle des Erwin zu übernehmen. Den Postboten würden wir einfach weglassen. So kam es, dass wir zwei Durchlaufproben mit Nora als Erwin machten, was für die anwesenden Kinder völlig in Ordnung war. Schade nur, dass den Sonnenkindern diese Probe fehlte!
Als Nora dran war, die Lehrerin zu spielen, sprang Marike als Erwin ein.

Bei diesem Treffen fielen mir besonders Marike und Pascal positiv auf. Marike hatte ja jetzt als Clown Bühnenerfahrung, spielte folglich noch unbekümmerter als ohnehin schon und sprach auch schön laut.
Pascal fand ich ebenfalls toll: Er hatte sich seinen Text super gemerkt (er hat als Erwins Vater den meisten Text) und hat richtig gut gespielt, mit lauter Stimme und klasse Mimik und Gestik.

10. Treffen

In der darauffolgenden Woche, am 23. 5., waren alle Kinder außer Nora anwesend. Bärbel und ich hatten zuvor in der Turnhalle schon alle großen, schweren Sachen aufgebaut und erledigten mit den Kindern noch den Rest des Aufbaus.

Die erste Durchlaufprobe verlief so reibungslos, dass wir direkt noch eine zweite anschließen konnten.
Fiona schaffte es nun viel besser, aus sich heraus zu gehen und aktionsgeladener als sonst in der Rolle des Erwin zu erschrecken. Auch Mario als Bäcker, Sara als Wolf und Merle als Anton Angeber, die bisher oft viel zu leise gesprochen hatten, machten deutliche Fortschritte.
Maja, die Postbotin, mussten wir eher ein bisschen bremsen, nicht zu sehr zu improvisieren und sich doch möglichst an ihren Text zu halten.

Bevor die AG für diesen Tag zu Ende ging, teilten wir den Kindern noch mit, dass in der kommenden Woche wegen meines Urlaubs keine AG stattfinden würde, wir uns also erst wieder zur Generalprobe am 5. 6. treffen würden.
„Und damit ihr euch schon ein wenig an Schauspielern vor Publikum gewöhnt, würden wir zur Generalprobe gerne schon ein paar Zuschauer einladen, die Sonnen- oder die Bananengruppe zum Beispiel. Was meint ihr?“ fragte ich.
Alle schienen einverstanden und weit weniger aufgeregt zu sein, nachdem wir noch letzte Fragen zufriedenstellend beantwortet hatten. Das waren Fragen wie: „Und was ist, wenn ich meinen Text vergesse?“ oder „Und wenn ich nicht mehr weiß, wann ich dran bin?“

Anmerkung der Kursleitung:
Hier zeigt sich etwas sehr Schönes: Die Kinder können in dem vertrauensvollen Milieu ihre Sorgen äußern und Ihr helft ihnen, die Sorgen abzubauen. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich.

Ein paar Tage vor dieser Probe hatten Bärbel und ich noch einen Brief an die Eltern unserer Schauspieler verteilt, in dem wir ihnen die Aufführungs- und die noch verbleibenden Probentermine mitteilten, mit der Bitte um schnellstmögliche Rückmeldung, falls es Terminschwierigkeiten geben sollte.

Am Dienstag, dem 5. 6., sollte die Generalprobe stattfinden,
am Mittwoch, dem 6. 6., um 11 Uhr die erste Vorführung,
am Mittwoch, dem 13. 6., eine weitere Probe und
am Montag, dem 18. 6., um 15:30 Uhr die zweite und letzte Vorführung.

Terminschwierigkeiten gab es letztendlich (nach etwas Hin und Her mit einigen Müttern) nur bei Sara, die bei der zweiten Aufführung nicht würde mitmachen können. Zum Glück fanden wir ziemlich schnell und unkompliziert Ersatz für „Herrn Wolf“.
Marike hatte in der Zwischenzeit ihre Schrubberbürste und noch Konfetti mitgebracht, Pascal konnte leider keine Aktentasche besorgen, so dass wir kurzerhand noch eine bastelten, und Maja hatte von zuhause noch einen hübschen Bademantel und eine rosa Duschhaube für Vater Schweins Badeszene beigetragen. Diese Verkleidung kombiniert mit dem von einer CD abgespielten Wasserplätschern – grandios!

Die Generalprobe

verlief prima, den ersten Durchlauf machten wir ohne Zuschauer, den zweiten mit unserer Kollegin Yvonne und ihrer Sonnengruppe als Publikum, so dass Bärbel und ich uns gar keine Sorgen wegen der bevorstehenden Aufführung machten. Und auch die Kinder schienen danach stolz und in freudiger Erwartung auf den folgenden Tag zu sein.

Die Premiere

Zur Premiere um 11:00 Uhr kam die Mehrzahl der Schauspieler-Eltern sowie die Kindergartenkinder und Kolleg*innen aus den anderen Gruppen. Wir hatten also ein stattliches Publikum zu unterhalten.

Anmerkung der Kursleitung:
… und damit wurde aus dem unverbindlichen Spiel ernste Arbeit. Eine Erfahrung, die viele Kinder viel zu selten machen können.

In der Hektik oder der allgemeinen Aufregung ist Bärbel und mir völlig durchgerutscht, das Publikum ordentlich zu begrüßen und ein paar einleitende Worte zu sagen. So kam der erste Fauxpas wenigstens von uns und nicht von den Kindern, die für meine Begriffe alle eine tolle Vorstellung brachten – ich hatte als Souffleuse und Stichwortgeberin kaum zu tun.

Anmerkung der Kursleitung:
Bei der Auswahl und Gestaltung des Stückes habt Ihr ein glückliches Händchen bewiesen: keine Überforderung für vergleichsweise ungeübte Schauspieler*innen, aber doch eine deutliche Herausforderung für alle!

Die nächste Probe und die letzte Aufführung

Bei der nächsten Probe sprang Noras Freundin Marietta für Sara ein und stellte sich als tolle Zweitbesetzung heraus.
Auch diese Probe und die letzte Aufführung nachmittags waren super. Bei der Aufführung hatten wir wieder ein großes Publikum, weil gerade der Kennenlern-Nachmittag für die neuen Kinder stattfand.
Diesmal dachten wir auch an die einleitenden Worte und auf Wunsch der Kinder stellten wir alle Schauspieler*innen bei der Verbeugung noch namentlich vor: „In der Rolle des….sahen Sie…“ Das hatten einige der Kinder bei der Aufführung meiner Hort-Theater-AG gesehen (die Hortkinder hatten sich das auch ausdrücklich gewünscht) und fragten, ob wir das nicht ebenso machen könnten. Das taten wir natürlich gern.

Und hier ist die Einladung zur den Aufführungen:
– Die Namen der Kinder wurden im Beitrag geändert –

Das letzte Treffen

Am 20. 6. kam dann die Theater AG zum Abschluss, und zwar Eis essend, in Erinnerungen schwelgend und uns gegenseitig auf die Schultern klopfend auf dem Spielplatz in Kindergarten-Nähe.

Reflexion

Zunächst einmal muss ich festhalten: Es hat mir auch beim zweiten Teil wieder sehr großen Spaß gemacht, speziell mit diesen Kindern (und dieser Kollegin) die Theater AG durchführen zu dürfen. Schade, dass der Großteil der Truppe im Sommer in die Schule gehen wird und somit nicht mehr bei der AG mitmachen kann.
Ich hoffe sehr, dass Bärbel und ich weiterhin die Möglichkeit haben werden, gemeinsam die Theater AG zu leiten, was leider noch unklar ist. Durch die Umstrukturierung einer Gruppe werden alle anderen plötzlich überbelegt sein.

Ich gehe jetzt aber – ganz optimistisch – davon aus und überlege, was wir zukünftig anders machen sollten – und was sich bewährt hat und deshalb beibehalten werden sollte.

Anmerkung der Kursleitung:
Ihr solltet unbedingt weiter machen! Diese „Theaterkultur“ sollte nicht wieder in sich zusammenbrechen und all die Erfahrungen sollten nicht verloren gehen!

    • Was die Auswahl der Kinder betrifft, würde ich vorgehen wie zuletzt. Das heißt, ich würde darauf achten, dass die Entscheidung darüber, wer mitmacht, ausschließlich bei Bärbel und mir liegt und wir die Kinder nach Interesse und Talent auswählen und wir uns von Außendruck möglichst frei machen.
      Ich würde aber auch wieder die Kolleg*innen der anderen Gruppen befragen und Empfehlungen einholen. Das hat sich bei Maja und Mario definitiv bewährt!
      Und wenn Maja und Mario, die im Sommer noch nicht in die Schule gehen,  auch weiterhin Lust haben, an der AG teilzunehmen, dann würde ich das sehr begrüßen.
    • Den Beginn der AG um 9 Uhr (statt um 10 Uhr) würde ich auch beibehalten. Wir hatten hier nie Probleme mit Unpünktlichkeit der Eltern, und für den allgemeinen Ablauf stellte sich diese frühere Uhrzeit als viel praktischer heraus.
    • Dann würde ich, was wir in der Vergangenheit weniger offiziell gemacht haben, ganz zu Beginn der neuen AG einen Brief an die Eltern der teilnehmenden Kinder addressieren. Darin sollten wir explizit darauf hinweisen, dass ihr Kind an unserer AG teilnehmen möchte, wir uns darüber sehr freuen, dies aber nur ermöglichen können, wenn gewährleistet ist, dass Uhrzeiten, Probentermine usw. eingehalten werden.
      Wir hatten zwar bei der Arbeit mit dieser Gruppe keine Probleme mit Unpünktlichkeit, aber als es um die Generalproben- und Aufführungstermine ging, mussten wir mit verschiedenen Eltern lange diskutieren, bevor (fast) das ganze Ensemble alle Termine wahrnehmen konnte.
      Ärgerlich hierbei fand ich besonders, dass wir ja per Brief um schnellstmögliche Rückmeldung gebeten hatten, falls es Terminschwierigkeiten geben sollte, um gegebenenfalls noch umplanen zu können – und sich hierauf niemand rührte. Extrem kurzfristig und eher beiläufig erfuhren wir dann, dass einige Eltern – und viel wichtiger einige Schauspieler – bei den Aufführungen gar nicht dabei sein könnten.
      Das Problem ließ sich zwar dann doch lösen. Aber mit dem besagten Brief hoffe ich ähnlichen, nervigen Diskussionen vorzubeugen.
      Anmerkung der Kursleitung: 
      Ich weiß, wie nervig das sein kann – aber manchmal lernen Eltern nur durch Diskussionen, in der Ihr die Wichtigkeit des Projekts für ihr Kind fachlich erklärt, die Projekte ihrer Kinder ernster zu nehmen.
    • Irritiert hat uns die von Bärbel und mir empfundene Zurückhaltung mancher Eltern. Es gab wenig Feedback, von manchen Eltern gar keins.
    • Um unserer Arbeit selber mehr Bedeutung beizumessen, sollten wir vielleicht beim nächsten Mal den Prozess der AG dokumentieren, was wir bei all der Arbeit gar nicht gemacht haben. Vielleicht führt das dazu, dass manche Eltern die Theater AG nicht nur mit einer 10-minütigen Aufführung verbinden, was ja letztlich nur ein kleiner Teil der gesamten AG ist.
      Anmerkung der Kursleitung:
      Die Eltern von Anfang an mit zu nehmen, transparent zu machen, was das Theaterspiel in dieser Gruppe auch für das Lernen der Kinder (und auch Euer eigenes) bedeutet, ist eine gute Idee! Auf der Basis Eurer neu  zugewonnenen Kompetenz und Souveränität im Theaterspiel mit Kindern habt Ihr vermutlich künftig auch dafür noch den Kopf frei! So entwickelt sich Expertise, deshalb solltet Ihr den Prozess nicht abreißen lassen. Ihr erreicht damit ja auch etwas für die gesamte Kita, die fortlaufende Entwicklung einer „Theaterkultur“.
    • Die Aufführungstermine hätten wir etwas früher festlegen und den Eltern mitteilen sollen. Vielleicht hätte uns das manche Diskussion erspart. Vielleicht aber auch nicht.
    • Bei einer nächsten AG wäre ich wieder dafür, dass die Kinder die Schauspieler sind, bei allem anderen geht für meinen Geschmack zu viel Zeit für das Basteln der Puppen und Kulissen drauf. Das macht den meisten zwar auch Spaß und gehört ja auch dazu. Der Fokus sollte aber meiner Meinung nach bei einer Theater AG auf dem Schauspiel liegen.
    • Die Stückauswahl war in dem Fall eine gute Entscheidung. Zukünftig muss man wohl abwarten, was für eine Gruppe man zusammenfindet. Vielleicht bringen auch Kinder gute Vorschläge ein. Wenn ich an Maja denke, kann ich mir das gut vorstellen.
    • Den Wechsel zwischen basteln und proben finde ich nicht schlecht und würde ich beibehalten, wobei, wie auch zuletzt, erst das Basteln angesagt sein sollte, weil es sich mit fertigen Kulissen uns Requisiten einfach besser proben lässt.
    • Die Generalprobe und eventuell sogar schon frühere Proben mit einem „Testpublikum“ abzuhalten, macht Sinn und würde ich beibehalten. Genauso ist es günstig, die AG häufiger als einmal wöchentlich zu machen, wenn die Aufführung näher rückt.

 

Siehe zu Marike, dem Beobachtungskind der Autorin im IHVO-Kurs, auch den Beitrag:
Würzburger Sprachprogramm 1 Jahr früher.

Siehe auch: Theaterspiel im Kindergarten und

Theaterspiel mit hoch begabten Kindern.

 

Datum der Veröffentlichung: August 2021
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

Malte und seine Fünfergruppe machen weiter

Martina Walter

 

Bei meinem Projekt „Fünf Kinder bilden eine Gruppe und folgen ihren Interessen“ fehlten noch zwei Teile: „Seile“ und „Musik“. Die möchte ich jetzt hier beschreiben.
Mein Beobachtungskind (im IHVO-ZertifikatskursMalte ist inzwischen 5;10 Jahre alt.

Zur Zeit ist er leider wieder besonders auffällig. Er stört und zerstört gerne das Spiel anderer Kinder, er tobt und kaspert gerne den ganzen Tag herum, er ist oft aggressiv den anderen Kindern gegenüber, besonders, wenn sie nicht seinen Anweisungen folgen. Er lässt meist keine anderen Vorschläge als seine eigenen gelten und ist nicht kompromissbereit. Er kann sich nur schwer an Regeln halten, er kann sich da einfach nicht beherrschen, egal wie oft oder detailliert man es ihm erklärt. Wenn man ihn ermahnt, zieht er sich vollständig zurück und verweigert das Reden. So muss er zum Beispiel öfters die musikalische Früherziehung, ein externes Angebot einer Musiklehrerin, vorzeitig verlassen, weil er stört.

Mehr zu Malte: Malte, 5;0

…kurz gefasst…

Die Gruppe aus fünf kognitiv besonders weiten Kindern, die die Autorin in einem anderen Beitrag beschrieben hatte, existiert weiter. Das 4. Thema „Seile“ und das letzte Thema „Musik“ werden abgearbeitet.
Die Autorin beschreibt anschaulich, wie sich die Fünfergruppe in das gesamte Geschehen der Kita einfügt, wie spontane Ideen der Kinder aufgegriffen werden und wie es gelingt, die Projektarbeit (trotz emotionaler Probleme des Beobachtungskindes) weiter zu führen.

Im Beitrag werden die Erlebnisse und die Entwicklung der fünf Kinder  deutlich, ebenso wie die ideenreiche, durchdachte und flexible Arbeitsweise der Autorin. -H.V.

Alles fand vor der Corona-Pandemie statt…

Malter spielt oft alleine, am liebsten aber mit einem Erwachsenen. Zu denen ist er dann besonders hilfsbereit. In diesen Situationen ist er absolut zuverlässig und kompetent. So hat er beispielsweise geholfen, das Feuerholz für St. Martin zu transportieren oder beim Aufräumen des Speichers den Sperrmüll an die Straße zu stellen. Da hat meine Kollegin Ellen dann an ihn als „Experten“ gedacht und Malte war hinterher völlig k.o. aber glücklich. An St. Martin hat ihm meine Chefin Alexa den Auftrag gegeben, den Müll einzusammeln. Da war er das liebste Kind und bekam viel Lob.

Malte hat durch sein Sozialverhalten schon eine typische Außenseiterrolle. Wenn etwas passiert ist, war es (für die Kinder) automatisch Malte. Am liebsten soll er zum Beispiel die Turnhalle schon verlassen, noch bevor er etwas anrichten kann. Besonders auffällig sind diese Probleme im Umgang mit gleichaltrigen Kindern und da besonders mit Admir. Der ist ein halbes Jahr jünger, aber körperlich stärker als Malte und hat vor ihm keine Angst. Die beiden messen immer wieder ihre Kräfte. Wenn sie zum Beispiel nachmittags in der Turnhalle alleine spielen, kommt es immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Dabei geht es oft um Kleinigkeiten, wie lautes Singen von Admir, und Malte möchte ihn davon abhalten, weil man nicht solchen „Krach“ machen soll. So legt Malte die Regeln auch nach seinen Vorstellungen aus und behauptet oft: „Ich kann/ weiß das besser!“

Zuletzt hat Malte gesehen, wie Admir im Stehen gepinkelt hat. Zur Demonstration, was dabei passieren kann, hat Malte dann Admir angepinkelt und musste dafür zur Kindergartenleitung ins Büro. Er hatte nämlich mit den Erzieher*innen die Vereinbarung getroffen: wenn etwas nicht in Ordnung ist, soll er Hilfe holen. Das hat er nicht gemacht. Meine Chefin hat Malte dann dazu bewegen können, Admirs Hose zu waschen und sich zu entschuldigen, ohne dass die Eltern informiert werden mussten. Davor hatte er Angst, er war dadurch schneller ansprechbar als sonst. Dann hat er bei einem Kind einen regelrechten Kampfgriff angewandt: Arm um den Hals gelegt und mit dem Fuß die Beine weg gehauen. Ich vermute, dass zu Hause seine älteren Brüder so mit ihm umgehen.

In der Strolchengruppe (bei den „mittelalten“ Kindern) ist er dagegen recht entspannt, vermutlich, weil es keine Kinder in seinem Alter gibt, mit denen er sich messen müsste, der Konkurrenzdruck ist geringer.

Außerdem finde ich immer eine spannende Beschäftigung für ihn, so dass er keine Zeit und auch kein Interesse am Zanken hat.

Er nuckelt auch wieder vermehrt am Daumen und braucht sein Kuscheltier zur Unterstützung. Das zeigt mir, dass er sehr unter Spannung steht.

Eines Nachmittags war Malte dann auch wieder in der Turnhalle, kam dann runter in die Gruppe und gab Admir ohne Vorwarnung einfach eine Ohrfeige. Zur Begründung meinte er: „Der hat mich gestört, der spielt so laut mit den Linsen in der Wanne!“ Danach musste er den Rest des Tages im Büro unter Aufsicht verbringen. Unsere Leiterin hat sich dann, nachdem Malte wieder ansprechbar war, eine Weile mit ihm unterhalten und ihn gefragt, ob es ihm nicht gut gehe und wenn ja, warum nicht. Dabei kam heraus, dass sein Vater für einige Wochen wegfahren musste. Er weiß nicht, wo der Vater ist und wann er wieder kommt, und ist darüber traurig. Ein paar Tage später habe ich mit ihm zusammen am Computer einen Kalender erstellt, damit er die Tage bis zur Rückkehr seines Vaters anzeichnen konnte. Dabei war ich wieder erstaunt, wie schnell er Gesetzmäßigkeiten am Computer versteht und anwendet. Das konnte ihn jedenfalls etwas trösten.

Alle seine Probleme werden wir nicht lösen können, aber gerade deshalb möchte ich ihn weiter in der Fünfergruppe fördern, damit die anderen Kinder auch sein Können schätzen lernen und ihn nicht immer nur als Unruhestifter erleben.

Er braucht weiterhin viel Unterstützung in Konfliktsituationen, damit er selber Strategien lernt im Umgang mit für ihn schwierigen Situationen. Er braucht klare Regeln und Grenzen, Wertschätzung und Anerkennung.

Mein Ziel für Malte ist es daher, ihn weiter in die Klein- und auch die Gesamtgruppe zu integrieren, ihn nicht alleine zu lassen mit seinen Problemen, ihm adäquate Beschäftigungen zu bieten, ihn in Konflikten zu unterstützen und ihm möglichst viele glückliche Momente zu ermöglichen. So hoffe ich, sein aggressives Verhalten mindern zu können.

Die anderen Kinder der Fünfergruppe

Pascal ist jetzt 5;3 Jahre alt und ein Kann-Kind. Bei ihm ist die Entscheidung, ob er in die Schule geht, noch nicht endgültig getroffen. Daher macht er noch in der Vorschulgruppe mit. Im motorischen Bereich hat er nach wie vor Defizite. Pascal hat aber mittlerweile viele Freunde gefunden und spielt mit allen, so wie seine Interessen gerade angesprochen werden.
Durch sein zunehmendes Selbstvertrauen konnte er auch sprachlich Fortschritte machen und stottert nun weniger. Während unseres Projektes konnte ich immer wieder erstaunliche Kleinigkeiten an ihm feststellen, die ich im weiteren Verlauf beschreiben werde.

So konnte ich bei ihm auf jeden Fall eine Verbesserung des Selbstvertrauens feststellen, seine sprachlichen Fähigkeiten haben sich verbessert und er ist mittlerweile gut in der Räubergruppe integriert. Aber auch Pascal kommt gerne nachmittags in meine Gruppe, zu den „Strolchen“, „zu Besuch“.

Sein Teil des Projektes, Musik, steht noch aus. Da möchte ich ihm noch mal die Gelegenheit geben, zu zeigen, was in ihm steckt. Vielleicht kann so auch seine Schulreife besser eingeschätzt werden.

Rico ist 5;9 Jahre alt und gehört mit zur Vorschulgruppe. Ihn erlebe ich oft „hungrig“ nach neuen Spielideen. Dabei ist er immer kreativ und hat andere Ideen und Gedankengänge als die anderen Kinder, was ich jedes Mal sehr bereichernd finde. Ich erlebe die Kinder ja nicht mehr so im Alltag und weiß daher nicht, ob es ihm immer noch so oft langweilig ist.

Durch mehrere Vertretungen bei den Räubern, die ich auch besonders im Hinblick auf meine „Truppe“ gemacht habe, konnte ich Nora besser kennen lernen. Sie ist jetzt 5;5 Jahre alt und gehört ebenfalls zur Vorschulgruppe. Sie hat zwar Freundinnen in ihrer Gruppe, man trifft sie aber auch oft alleine an. So stand sie zum Beispiel einmal auf der Bank an der Garderobe und war ganz versunken. Auf meine Frage, was sie da macht, zeigte sie mir einen handgeschriebenen Zettel an ihrem Haken, den sie versuchte zu lesen. Ich habe sie dann mit in meine Gruppe genommen und ihr den Text in Großbuchstaben geschrieben. Mit ganz wenig Hilfe von mir konnte sie dann den Text entziffern (sie sollte neue Zahnpasta mitbringen) und war stolz, dass sie es herausgefunden hat.  Dann hat sie mal versucht, etwas aus einem Buch vorzulesen, was ihr schon recht gut gelang. Sie beginnt schon die einzelnen Buchstaben zu verbinden.

Ich möchte gerne ihr besonderes Interesse am Lesen unterstützen und habe daher im Musikprojekt das Lesen von Noten mal mit eingeplant. Außerdem möchte ich mit ihr gerne einen Lesenachmittag mit Büchern in Großbuchstaben machen oder selber ein Buch schreiben, mal sehen was wir da noch machen, wenn unser eigentliches Projekt beendet ist.

Naomi ist die Jüngste in der Gruppe, mit 4;5 Jahren. Sie gehört noch nicht zu den Vorschulkindern. Sie hat einen festen Freundeskreis und ist gut integriert. Sie hat oft Spielideen und ist sehr motiviert, Neues zu lernen. Sie holt sich dann auch die Bestätigung der Erwachsenen, wenn sie etwas geschafft hat. Besonders bei ihrem Thema, Seile, konnte sie zeigen, was sie kann. Sie hat unermüdlich Knoten und Schleifen geknüpft und dies den anderen Kindern immer wieder gezeigt. Sie war wirklich die Expertin und hat noch neue Knoten dazugelernt. Auch Pascal konnte feinmotorisch davon profitieren.

Ich möchte Naomis Können und Selbstvertrauen weiter unterstützen, damit sie ihre Fähigkeiten weiterhin mit anderen teilt und sich freut, anderen helfen zu können. Sie soll sich wohl fühlen und ihre Fähigkeiten weiter unbelastet entwickeln.

Ich möchte diese fünf kognitiv begabten Kinder weiterhin aktiv, geduldig und verständnisvoll begleiten, damit sie lernen, mit ihren Begabungen umzugehen. Sie brauchen interessante Angebote, die sie angemessen und individuell fördern. Sie brauchen Unterstützung im sozialen Alltag, um nicht isoliert zu werden. Dabei können adäquate Spielpartner helfen und das Vermeiden von Unterforderung.

Mein Ziel für die Kleingruppe ist daher, die große Neugier und intrinsische Lernmotivation jedes Kindes zu erhalten oder auszubauen, damit die Kinder zufrieden sind und keine Probleme mit sich und der Umwelt haben.

Deshalb möchte ich mit unserem Projekt weitermachen, das sind die Beschäftigungen und Interessen, die die Kinder selber gewählt haben, somit greife ich ihre individuellen Spiel- und Lernbedürfnisse auf.

Zur Zusammensetzung der Gruppe und zur Auswahl der Themen siehe:

Fünf Kinder bilden eine Gruppe und folgen ihren Interessen

Entsprechend der Aufgabe für diese Praxisarbeit habe ich mich bemüht, kognitive Herausforderungen mit einzubauen. Ob mir das gelungen ist, werde ich wahrscheinlich erst später während der Reflektion feststellen.

Müll beschäftigt uns weiter

Meine letzte Praxisarbeit endete mit dem Besuch bei der Müllabfuhr. Die Geschichte war damit aber noch nicht beendet. Für unsere Kindergartenzeitung, die zweimal im Jahr erscheint, vor dem Sommerfest und vor der Weihnachtsfeier, habe ich mehrere Artikel geschrieben, unter anderem auch zur Müllabfuhr. Der Artikel fand großes Interesse und durch private Kontakte von Eltern landete er auch bei der Müllabfuhr-Firma, die wir besucht hatten und die eines der Fotos zu Werbezwecken nutzen wollte. Nach Absprache mit den Eltern habe ich ihnen eine Zeitung und eine CD mit dem Foto gebracht. So ist noch Öffentlichkeitsarbeit dabei herausgekommen.

Malte habe ich eine Zeitung mit Widmung von mir geschenkt. Er kam tagelang nachmittags zu mir und wir haben zusammen die verschiedenen Artikel gelesen und erzählt, was wir alles erlebt hatten. Über solche ganz persönliche Aufmerksamkeit freut er sich immer besonders.

Es gab aber auch einen Rückschlag zum Thema Müll: Die Müllverbrennungsanlage kann erst mit Kindern ab 9 Jahren besichtigt werden, wegen der Sicherheitskleidung, die alle Kinder tragen müssen. Dafür sind unsere noch zu klein. Da war Malte sehr traurig, aber ich gebe noch nicht auf, vielleicht geht doch noch was, mal sehen.
Jedenfalls habe ich den Eltern erzählt, dass man in Lindlar (Stadt in der Nähe) auch eine Mülldeponie besichtigen kann, die ist wie eine Art Freizeitpark angelegt. Bisher wollte Malte das nicht. Von einer anderen Kollegin kam dann noch die Idee, einen Film zu gucken. Im Internet habe ich dann bei der „Sendung mit der Maus“ etwas gefunden: „Müll Spezial“.

Das haben wir uns dann in der Vormittagszeit zusammen angeschaut, aber nicht nur mit der Fünfergruppe, sondern mit allen, die Interesse hatten. So saßen dann in der Räubergruppe auf dem Teppich: die gesamte Räubergruppe, fast die komplette Strolchengruppe und die ältesten Kinder aus der Riesengruppe (unsere U3-Kinder).

So haben wieder ganz viele Kinder von den Interessen der höher Begabten profitiert
und wir haben noch ein anderes Medium genutzt.

Der Film dauerte eine halbe Stunde und Malte hat sehr konzentriert und fasziniert zugeschaut. Er hat mir hinterher Fragen zu Fachbegriffen gestellt, zum Beispiel: „Was heißt verschweißt?“ Da sind Folien zur Abdichtung einer Mülldeponie verschweißt, verklebt worden, damit keine Gifte in den Boden gelangen. Oder die Mülltrennung hat ihn interessiert. „Genau so machen wir es auch im Kindergarten oder zu Hause“ und „Papier kann man wieder verwenden!“ waren seine Kommentare.

Zum Glück kam im Film auch das Thema Müllverbrennung vor, so dass Malte nicht mehr ganz so traurig war. Dann gab es eine Szene, wo gezeigt wurde, wie lange eine Bananenschale, eine Eierschale und eine Walnussschale zum Verrotten brauchen. Das ist uns im weiteren Verlauf des Projektes nochmal begegnet. Auch die anderen Kinder haben sehr interessiert zugeschaut und teilweise noch Fragen gestellt oder sich darüber unterhalten.

Zwischendurch: Tod und Friedhof

In der Räubergruppe habe ich eine Woche Vertretung gemacht. In dieser Woche ergab sich spontan ein spannendes Thema, ein kleines Projekt. Eigentlich gehört das nicht zu meinem Projekt, aber das Thema und die Aussagen der Kinder, besonders meiner fünf Kinder, waren sehr spannend.

Wir saßen montags im Morgenkreis und haben unter anderem erzählt, dass Freitag Feiertag ist, Allerheiligen. „Was ist ein Feiertag?“ und „Was ist Allerheiligen?“ kamen da die Fragen. Nach einer kurzen Erklärung, an einem Feiertag braucht man nicht zu  arbeiten oder in den Kindergarten, und an Allerheiligen gedenkt man der Toten auf dem Friedhof, kam dann die Feststellung von Malte: „Ich war noch nie auf dem Friedhof!“

Und Rico meinte: „Mein Vater arbeitet auf dem Friedhof als Gärtner!“ So entstand unser kleines Projekt. Wir haben im Laufe der Woche Aussagen von den Kindern darüber gesammelt, was sie über den Tod und den Friedhof wissen, wir haben aus dem Internet Informationen gesammelt, wie Allerheiligen, Halloween, Erntedank und sogar St. Martin zusammengehören. Wir haben Bilderbücher zum Thema Sterben und Tod gelesen und sind zum Abschluss zusammen auf den Friedhof in unserer Umgebung gegangen. Wir hatten auch eine kleine Ausstellung von Büchern und mit den Aussagen der Kinder, so dass die Eltern über unser Thema informiert waren und die Kinder jederzeit selber entscheiden konnten, wie intensiv sie sich mit dem Thema auseinandersetzen wollten.

Besonders die Aussagen von Nora haben mich in meiner Annahme bestärkt, dass sie sich philosophische Gedanken über das Leben macht:

  • „St. Martin heißt auch, die Sonne ist verschwunden!“

  • „Sterben heißt, dass man sich nicht mehr bewegen kann und die Seele ist weg!“

  • „Der Tote geht in den Himmel und seine Seele bleibt im Friedhof!“

Noras Mutter erzählte mir dann, dass Nora ein paar Wochen zuvor mal sehr geweint habe, weil sie (unbegründete) Angst hatte, ihre Mama könnte sterben. Sie ließ sich kaum beruhigen, irgendwann dann ablenken. Als hätte sie die „Endlichkeit“ des Lebens verstanden!

Von Rico kam dann die Aussage: „Auf den Gräbern waren Engel, die passen auf!“ und Malte meinte unter anderem: „Ein Kreuz ist da, damit man weiß, wo ein Toter ist. Da steht drauf, wann sie gestorben sind. Da war ein großer Gott (Statue an einem Kreuz), der passt auf!“

Das war eine spannende Woche und es gab auch Rückmeldungen von Eltern, denen das Thema nicht so gefallen hat. Wie ich in einem Artikel für unsere Kindergartenzeitung geschrieben habe, gehört der Tod zum Leben dazu und es kann von Vorteil sein, sich in einer „nicht belasteten Zeit“, also wenn keiner gestorben ist und wenn man nicht zu sehr trauert, mit dem Thema auseinander zu setzen.
Ein paar Wochen später starb dann im Kindergarten eines unserer Kaninchen. Das wurde dann entsprechend der Erfahrungen auf dem Friedhof mit allem Drum und Dran beerdigt, mit einer Umrandung aus Steinen und einem Grabstein mit Loch für Blumen.

So ergeben sich manchmal andere Dinge zwischendurch, die nicht geplant sind. Da muss man aufmerksam sein und den Kindern den Raum und die Zeit bieten, ihre Interessen aufzugreifen. Das ist zwischendurch oft passiert, manches ergibt sich einfach.

Zwischenzeitlich hatte ich von meinem Kollegen ein Buch bekommen, das sich mit dem Thema Müll beschäftigt: mit Müll basteln, Müll sortieren, mit Mülltonnen turnen,… Das sah spannend aus. Unter anderem konnte man auch aus Plastiktüten Kunstwerke machen, sie verweben oder verknoten,… Verknoten! Da kam mir die Idee, das Thema „Müll“ mit dem Thema „Seile“ zu verbinden. Außerdem hatte ich im Radio einen Bericht gehört, wonach  Plastiktüten sehr stark mit für die Verschmutzung der Meere verantwortlich sind. Es wurde erklärt, wie die Tüten in die Nahrungskette gelangen und wie man diesen Müll vermeiden kann. Damit wollte ich weitermachen und habe Malte, bevor ich anderthalb Wochen in Urlaub ging, den Auftrag gegeben, Plastiktüten zu sammeln.

Nach dem Urlaub habe ich Malte dann gefragt, ob er seinen Auftrag erledigt hatte. Er meinte: „Nein, meine Mama hat es verboten:“ Schade, damit wollte ich ihn gut beschäftigt haben und er sollte sich auf die kommenden Aufgaben freuen. Na ja, aber ich hatte Tüten gesammelt. So kam es, dass wir wochenlang, jeden Tag nach dem Mittagessen, Plastiktüten in Streifen geschnitten und zu einem langen Seil zusammengebunden haben. Erst wussten wir nicht wohin, dann zog Malte das Seil bis in den Flur, dann haben wir es um die Säulen im Flur gewickelt, so dass jeder es bestaunen konnte und wissen wollte, was das ist. „Kunst aus Müll!“ war dann unsere Antwort.
Naomi war die Expertin fürs Knoten, sie war immer aufgeregt, nur ja nichts zu verpassen. Malte hat sich zum Experten fürs Schneiden der Tüten erklärt und hat die Organisation und Arbeitsaufteilung übernommen. Rico war der Experte fürs Fotografieren. An dem „Kunstwerk“ gebaut haben aber viele. Alle Kinder ließen sich anstecken, haben Tüten gesammelt und von zu Hause mitgebracht, jeder wollte sein Teil beitragen, so dass jeden Tag andere Kinder mit geholfen haben.

Malte ist von mir gelobt worden, wie gut er den Kindern helfen kann und wie er die „Arbeiten“ organisiert. Oft konnte ich mich zurückziehen und meinen „Experten“ die Arbeit überlassen. In dieser Zeit war er sehr begeisterungsfähig und ausgeglichen. Wenn er mal nicht so gut drauf war und wieder bestimmen oder gegen die Regeln verstoßen musste, habe ich versucht, sein negatives Verhalten mit dem positiven zu vergleichen, damit er aus dem Lob auch etwas lernen kann. Er ist dann aber meist nicht wirklich ansprechbar. Da fehlt einem oft die Zeit, das in einem anderen geeigneten Moment noch Mal anzusprechen.

Jedenfalls war das über zwei bis drei Wochen der Renner in unserer Kita, alle waren beschäftigt.

So, und dann habe ich mir gedacht, jetzt muss mal die Komponente „kognitive Herausforderung“ ins Spiel kommen.

Das Schneiden, Knoten und um die Säule Wickeln war ja jetzt schon Alltag. Nun wollten wir herausbekommen, wie lang unser „Tüten-Seil“ geworden ist. Bewaffnet mit Papier, Stift und Zollstock haben wir dann gemessen und gerechnet.

So haben wir dann erst mal von Säule zu Säule gemessen. Malte und Rico meinten, der Zollstock ist zu kurz. Da habe ich ihnen gezeigt, wie man damit misst. Heraus gekommen sind drei Meter. Für Pascal war sofort klar, dass man das verdoppeln muss, dann sind es 6 Meter. Das ist wieder so eine Kleinigkeit von ihm, wo ich staune und denke, der hat kognitiv viel mehr Können als wir ahnen. Vielleicht gehört er ja doch in die Schule, auch wenn er motorisch noch Defizite hat?

Jedenfalls haben dann alle Kinder die einzelnen Stränge gezählt, so lange, bis sie sich auf eine Zahl einigen konnten: 26. Das war schon eine Leistung, denn nicht alle konnten über die 20 hinaus zählen. Malte, Pascal, Rico und Naomi aber schon! Da jeder Strang einmal um beide Säulen reichte, ergab das eine Rechnung von 26 mal 6 Meter. Ich verriet ihnen, dass es dann im Ganzen 156 Meter sind.

Aber wie lang ist das, bis wohin reicht das Seil, war dann die Frage der Kinder. Dann haben wir es abgewickelt und sind zurück in die Strolchengruppe marschiert, immer rund um die Tische. Aber wie weit geht’s, wenn es nicht gewickelt wird, wollte Malte wissen. Rico wollte dann nach draußen gehen bis zur großen Wiese. Das haben wir versucht, aber das „Seil“ hat sich an den Ästen verfangen oder der Wind hat es verweht und manchmal ist es dabei gerissen. Daher haben wir das Experiment abgebrochen und dafür in der Turnhalle ein „Spinnennetz“ gemacht. Das blieb dann noch ein paar Tage hängen und wurde am Ende in viele kleine Teile zerschnitten und dann, ordnungsgemäß in der richtigen Mülltonne entsorgt. Das hat Spaß gemacht, und nicht nur den Kindern!

Inzwischen hatte ich in der Zeitung auch einen Artikel über Plastiktüten gelesen, den ich mit in den Kindergarten genommen und mit Malte und Rico besprochen habe. Da taucht dann auch wieder die verrottende Bananenschale aus dem Film auf, zum Vergleich, wie lange es dauert, bis eine Tüte verrottet ist, nämlich 400 bis 500 Jahre! Und die Fische fressen die Tüte, weil sie denken, das ist eine Alge, und wir essen die Fische und damit die Tüten!

„Baah, wir wollen keine Tüten essen!“ war der Kommentar von Rico und Malte. Die zwei haben dann am Computer und mit dem Zeitungsartikel ein Plakat erstellt, das auf die Probleme für die Umwelt aufmerksam machen sollte. So haben wir das Spielerische mit dem Thema Naturschutz verbunden. Maltes Satz war: „Tüten sollen in den gelben Sack!“ und Rico hat geschrieben: „Aus Tüten kann man neue Sachen machen!“.

Dieses Angebot hat auch viel Aufmerksamkeit von den Eltern bekommen, sie haben gefragt, was das ist und teilweise das hohe Engagement und Interesse der Kinder in der Abholzeit mitbekommen. Es gab viele positive Stimmen zu unseren Ideen.

Damit war das Thema „Müll“ aber erst mal abgeschlossen.

Von Müll zu Seilen

Und ich hatte eine Überleitung zum Thema „Seile“. Beim nächsten Treffen der Fünfergruppe hatte ich schon Seile bereitliegen und die Feuerwehrbücher von meinem Mann dabei. So muss man schließlich auch seine eigenen Experten nutzen, ich hatte zu Hause schon mit meinem Mann Knoten binden geübt.

Wir haben dann erst mal für alle Interessierten Fotokopien gemacht und uns in den nächsten Tagen entweder in der Turnhalle oder in der Gruppe getroffen. Dann konnten sie nach den gezeichneten Anleitungen verschiedene Knoten ausprobieren. Begonnen haben wir mit dem einfachen Kreuzknoten. Da hatte Rico zuerst noch Schwierigkeiten, aber sowohl Malte als auch Naomi haben ihm gut helfen können. Besonders Malte konnte wieder zeigen, wie gut er sein Wissen und Können an andere weitergeben kann:  Er nahm nicht einfach Rico alles aus der Hand, er machte es nicht für ihn, sondern erklärte richtig gut und schrittweise. Super! Ich habe ihm das auch direkt gesagt und Rico konnte es bestätigen. Das tat Malte sichtlich gut.

Später, in der Turnhalle, hat Rico sein neues Können angewendet und mit Admir  Schaukeln gebaut, zwei Tore zu einem Haus verbunden, einen Türöffner gebaut,… Sie haben sich gegenseitig geholfen und besonders Rico hat wieder sehr kreativ agiert. Schön zu beobachten, wie so ein kleiner Baustein, Kreuzknoten binden, zu solch großen Ideen anspornt. Die Mädels, Naomi, Nora und einige Freundinnen, haben sich derweil an anderen Knoten ausprobiert und waren sehr stolz, dass sie hinterher drei verschiedene Knoten machen konnten.

Sarah hat sogar herausgefunden, dass man einen der Knoten, den Doppelten Ankerstich, auch anders machen kann. Tolle Leistung, das hat sie dann den anderen direkt gezeigt. Auf den Zeichnungen auf dem Blatt zu erkennen, was man dann machen muss, war ganz schön schwierig, auch für mich. Das erfordert ein hohes Maß an systemischem und planendem Denken. Sarah konnte das besonders gut und hat dann wieder die anderen Kinder angeleitet und sie haben sich das bei Sarah abgeschaut. Malte hat dann zum Beispiel den „Rettungsknoten“ an Sarah ausprobiert und sie damit durch die Halle gezogen und Naomi hat den Mastwurf ausprobiert und eine Bank durch die Halle gezogen.

Anfangs meinte Malte zu mir: „Oh, ich dachte, du würdest das mit mir alleine machen.“ Mit meiner Antwort, dass alle mitmachen können, die Lust haben, konnte er aber gut leben. Er fand das richtig.

Beim nächsten Treffen haben wir in der Turnhalle Seilchen-Springen gemacht, und da waren nicht nur die Mädchen mit Feuereifer dabei. Hier konnte sich Nora besonders hervortun und den anderen zeigen und erklären, wie es funktioniert. Vor allem Rico war hinterher wieder stolz, es geschafft zu haben. Er hat, glaube ich, in den letzten Wochen am meisten lernen und mitnehmen können. Und das Schönste ist, dass ich ihn immer wieder dabei beobachte, wie er sein neu erworbenes Wissen für andere, ähnliche Dinge nutzt.
Malte war an diesem Tag eher schwierig. Er hatte zwar das Prinzip auch schnell verstanden, wollte aber nicht abwechseln. An diesem Tag war er sich wieder selbst der Nächste. Aber ich sehe es schon als Erfolg, wenn er kein aggressives Verhalten an den Tag legt.

Danach haben wir Schnürsenkel mit in die Turnhalle genommen. Bei all diesen Aktionen waren immer viel mehr Kinder beteiligt als nur meine fünf Kinder von der „Truppe“, meist sogar aus allen drei Gruppen. So auch diesmal. Wir haben uns die Schnürsenkel ums Bein gelegt und versucht, Schleifen zu binden. Naomi konnte es tatsächlich schon, was sie mir stolz gezeigt hat. Ich habe mir dann die interessierten Kinder auf den Schoß gesetzt, und ihnen das Schleife-Binden erklärt und gezeigt. Wieder hatten Rico und Pascal besonderes Interesse. Pascal konnte mir sogar sagen und zeigen, dass sein Papa die Schleife anders bindet. Mit seinen motorischen Schwierigkeiten fiel es ihm aber schwer, die Schleife selber zu binden. Was mich an ihm so begeistert ist, dass er sich davon nicht entmutigen lässt. Er hat an dem Nachmittag unermüdlich geübt und seinen Schnürsenkel tagelang wie einen Schatz gehütet. Da war er nicht der einzige. Mehrere Kinder, denen ich den Schnürsenkel geschenkt hatte, weil sie so großes Interesse hatten, haben noch lange damit im Kindergarten gespielt und die Schleifen weiter ausprobiert.

Diese Angebote waren übrigens alles Naomis Wünsche, die auch bei den anderen Kindern großen Anklang fanden.

Spontan kam mir dann eine Idee, wie man in Richtung Musik weitergehen kann: ich habe aus dem Schnürsenkel einen Notenschlüssel gelegt. Das haben besonders Malte und die Mädchen versucht nachzumachen. Sie hatten dann auch die Idee, etwas anderes zu legen, zum Beispiel ein Herz. Dabei habe ich ihnen dann erklärt, dass unser nächstes Thema die Musik sein wird.
Malte kam dann mit seinem Schnürsenkel noch mit in meine Gruppe und hat weitere Sachen gelegt, zum Beispiel ein Haus. Dann hat er noch Stifte und Radiergummi dazu genommen und ein Gesicht gelegt,… Er war sehr kreativ und lange beschäftigt.

Denkprozesse

So langsam gingen mir auch die Ideen aus, womit ich die Kinder nachmittags beschäftigen könnte. Es ist recht anstrengend, immer neue Aktionen parat zu haben, irgendwann stellen die Kinder auch Ansprüche und erwarten immer was Tolleres. Zum Glück gibt es ja Bücher und andere Kolleg*innen zum Austauschen. So saß ich dann mit Alexa, unserer Leiterin, in der Pause und sie erzählte mir von einem tollen neuen Bastelbuch. Daraus habe ich in kurzer Zeit schon mehrere Sachen gemacht, weil sie gut zu den Themen passten, zum Beispiel haben wir eine Schnur zwischen zwei Stühlen gespannt und aus Pfeifenputzern und Holzkugeln, Sachen die eigentlich immer da sind, balancierende Figuren gemacht.

Es war spannend zu sehen, wer welche Figur baut, wie sie aussehen, ob sie sich auf der Schnur halten können, wo man sie aufsetzen muss, damit sie nicht herunterfallen,… Da waren wieder die verschiedensten Denkansprüche gestellt:

  • Kausales Denken:
    Erkennen von Ursache und Wirkung: Wie muss ich die Figur auf die Schnur setzen, damit sie nicht herunterfällt.

  • Aneignendes Denken:
    Immer mehr Kinder haben den Bau der Figuren verstanden und ihr Wissen an das nächste Kind weitergegeben.

  • Forschendes Denken:
    Sarah und Rico haben neue Figuren gebaut und ausprobiert, ob sie halten.

  • Vernetztes, systemisches Denken:
    Malte hat erkannt, dass das Gewicht und die Position der Holzkugeln etwas mit dem Gleichgewicht zu tun haben.

  • Problemlösendes Denken:
    Wenn eine Figur nicht hielt, wurde so lange probiert, teilweise gemeinsam, bis das Problem gelöst war.

Und diese Denkprozesse waren mal nachahmend, zum Beispiel bei Timo, der ganz viele gleiche Figuren gebaut hat, und mal kreativ, so wie bei Rico. Bei diesem Angebot konnte man wirklich die einzelnen Arten von kognitivem Denken erkennen und beobachten. Spannend!

Siehe auch: Denken fördern!

Die jüngeren Kinder lagen daneben und haben fasziniert zugeschaut, und Eltern und ältere Geschwister haben beim Abholen auch noch mitgespielt und ausprobiert. Wir haben das nämlich im Flur ausgestellt und alle waren ganz begeistert von dieser simplen, aber an Lernprozessen reichen Idee. So konnten wir unsere Arbeit ein Stückweit transparent machen.

Da muss ich auch noch eine Anekdote von Rico erzählen. Er kam zu mir und fragte, ob er die Figuren verkaufen dürfte, er könnte noch Geld für den Urlaub gebrauchen. Ich habe ihm gesagt, er könnte es ja mal versuchen. Er saß dann daneben und hat gewartet. Ein paar Eltern habe ich dann von seinem Wunsch erzählt, und die hatten dann sofort Tipps für ihn, wie er seine Ware besser anpreisen könnte, zum Beispiel ein Schild schreiben oder die Eltern ansprechen. Ich weiß gar nicht, ob er tatsächlich was verkauft hat, ich hatte dann Feierabend. Aber ich weiß, dass er Spielsachen aus seinem Zimmer aussortiert hat und die auf unserer Kleiderbörse verkaufen möchte. Kluge Idee!

Dies und das

Zwischendurch habe ich aber auch ganz andere Ideen der Kinder aufgegriffen, da ich auch die spontanen Wünsche erfüllen wollte. Wenn das Interesse hoch ist, lernen die Kinder am meisten.

So fragte mich Malte an einem Tag, ob ich noch das „Steinchenspiel“ hätte. Das gehörte aber einer ehemaligen Kollegin, die das wieder mit nach Hause genommen hat. Wir haben dann kurzerhand aus Eierkartons eins selber gebaut. An dem Tag gab es  Pfannkuchen und unsere Köchin hat uns genügend Eierkartons zur Verfügung gestellt. Malte hatte genaue technische Vorstellungen, die wir dann gemeinsam umgesetzt haben. Er hat geplant, ich musste bauen. Dabei sprang er nur ein, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen war. Danach haben wir es gespielt, die Regeln kannte er noch von früher. Rico kam später dazu und wieder konnte Malte beweisen, wie gut er etwas erklären und jemandem helfen kann. Dazu müsste man ihn viel öfter auffordern. Das habe ich im Laufe des Projektes immer wieder gemacht und gemerkt, wie gut ihm die Anerkennung tut.

Dann hat er nicht mehr nur die Rolle des Zankenden, Hauenden und Zerstörenden. Dann wird er auch um Rat gefragt und sein Wissen wird geschätzt.
Das sind die für ihn so wichtigen positiven Erfahrungen.

Eines Tages kam Nora mit einem Piratenbuch zu mir, aus dem sie mir und anderen Kindern vorgelesen hat. Nachdem ich es gelesen hatte und die Jungs spontan eine Schatzkarte gemalt hatten, kamen wir auf die Idee, eine Schatzsuche zu machen.
Eine Keksdose war die Schatzkiste und ich sollte sie füllen, ohne dass die Kinder den Inhalt kannten (Plätzchen, Popcorn und kleine Plastik-Insekten zum Spielen). Ich habe die Kiste dann im Kindergarten versteckt und an einem gemeinsamen Treffpunkt gab es Hinweise, wie zum Beispiel: „Die Schatzkiste ist in einem Raum mit drei Fenstern versteckt.“ Dann zogen alle los und haben gesucht. Wenn sie nicht weiterkamen, gab es den nächsten Hinweis,… Da konnten Nora, Malte und Pascal ihr Denkvermögen unter Beweis stellen. Sie haben die Schätze gefunden.

Zwischendurch, wenn Malte besonders auffällig war, habe ich auch etwas mit ihm alleine gemacht. Er schreibt zum Beispiel gerne am Computer. Manchmal mache ich ihm den Laptop in unserer Gruppe an und er schreibt einfach eigenständig etwas, während ich die Gruppe ausfege oder neben ihm schriftliche Arbeiten erledige. Er hat dann immer wieder Fragen, wie etwas geschrieben wird. Damit kann er sich sehr ausdauernd beschäftigen und zeigt dabei eine hohe intrinsische Motivation.
Letztens hat er mich gerufen und gezeigt, was er alleine geschrieben hatte, nämlich Mama und Papa, Oma und Opa und die Namen seiner Geschwister und seinen eigenen. Das kann er schon länger, das und auch andere Namen haben wir geübt. Er hat sich aber einen weiteren Schwierigkeitsgrad ausgedacht: Er hat alles rückwärts geschrieben: AMAM, APAP, usw.  Das erfordert ein hohes Maß an kognitivem Denken. Er musste genau überlegen, welcher Buchstabe kommt an welche Stelle, denn der Computer schreibt immer von links nach rechts. Das hat er im Kopf gemacht, er hatte es nirgendwo vorgeschrieben. Das habe ich dann auch dem Kollegen in der Räubergruppe gezeigt und wir waren beide beeindruckt.

Teilweise macht er auch sehr entspannt bei Angeboten in unserer Gruppe mit, wie beispielsweise beim Morgenkreis oder er kommt zum Nachtisch essen rüber. Oder er hilft uns beim Müll raus bringen, beim Küchendienst oder dabei, Farbe von den Fenstern abzukratzen. Das scheint für ihn eine willkommene Auszeit zum Stress in der Räubergruppe zu sein, in der die ältesten Kinder sind. Dort muss er sich immer profilieren und beweisen, was er in der Strolchengruppe (den mittelalten Kindern) nicht braucht.

In dem tollen Bastelbuch war auch eine einfache Panflöte aus Strohhalmen, die wir dann auch nachmittags in meiner Gruppe gebaut haben. Ich weiß nie, ob Kinder kommen oder wer kommt. Das Angebot ist für alle offen und es wird sehr unterschiedlich genutzt. Diesmal waren es Rico und Malte, die nach den Fotos aus dem Buch und mit ganz wenig Anleitung die Panflöte gebaut haben. Rico bringt sie oft mit in den Kindergarten und macht damit leise Musik, meist wird er dabei von den anderen Kindern bewundert. Es wundert mich, dass noch keiner zu mir gekommen ist und auch eine bauen wollte. Vielleicht kommt das noch.

Vorbereitung auf unser letztes Thema: Musik

Nach Absprache im Team habe ich mich mit Ellen, unserer Fachfrau für Musik, an einem Nachmittag getroffen und wir haben gemeinsam überlegt, wie und wann wir unser Musikprojekt angehen wollen. Sie will mir da mit Rat und Tat zur Seite stehen, weil ich mich in diesem Bereich kaum auskenne.

Von Alexa hatte ich schon den Hinweis bekommen, mich mal im Internet umzusehen, auf „Notenmax.de“. Zwei Stunden habe ich mich damit beschäftigt und konnte ein paar Sachen lernen und Ideen für unser Projekt gewinnen. Schade, dass in unserer Einrichtung der Empfang des Internets in den Gruppen schwierig ist, sonst würde ich das Programm gerne mit einbauen. Mal sehen, ob ich das hinbekomme. Bei Computern bin ich auch nicht so die Expertin und brauche manchmal Hilfe. Aber ich würde gerne auch dieses  Medium mehr nutzen.

Bisher waren die Angebote meistens so, dass viele Kinder die Möglichkeit hatten, daran teilzunehmen oder davon zu profitieren. Diesmal wollte ich bewusst nur meine fünf Kinder von der „Musiktruppe“ dazu nehmen, damit wir uns mal besonders intensiv mit einem Thema beschäftigen können. Das geht mit einer kleineren Gruppe besser. Da war Ellen schon mal mit mir einer Meinung.

Pascal, der sich das Thema Musik ursprünglich gewünscht hatte, hatte die folgenden Ideen:

    • Musik hören,
    • Musikinstrument spielen (Gitarre und Trommel),
    • Singen,
    • Tanzen und
    • ein Lied aufnehmen.

Darauf haben Ellen und ich unsere Planung gegründet, wobei wir auch die derzeitigen Interessen wie zum Beispiel Lesen lernen mit einbezogen haben und natürlich jederzeit offen sind für spontane andere Ideen der Kinder.

Schließlich weiß man nie, wohin ein Projekt führt, aber man braucht trotzdem ein

Konzept:

    • Zum Einstieg könnte ich nachmittags weitere Musikinstrumente oder Noten mit den Kindern basteln.
    • Wir wollen Pascal fragen, ob er ein Lieblingslied hat, und uns dieses näher anschauen und singen. Damit respektieren wir insbesondere seine Wünsche.
    • Wir wollen heraushören, ob das Lied langsam oder schnell ist und die entsprechenden Noten dazu legen und basteln. Da sich die Kinder im Moment sehr für Lesen und Schreiben interessieren, dachte ich, es wäre eine besondere Herausforderung, Noten und deren Buchstaben in unser Projekt mit einzubinden.
    • Wir wollen die Buchstaben zu den Noten kennen lernen und das Lied auf dem Xylofon nachspielen, da dort die Buchstaben aufgemalt sind. Trommeln und Gitarre könnten begleiten. Hier stehen wieder die Wünsche von Pascal im Vordergrund.
    • Wir wollen selber Noten zusammenstellen und experimentieren, vielleicht kommt ein eigenes Lied dabei heraus. Mich würde interessieren, auf welche Ideen sie gemeinsam kommen, was sie können und wie weit ihre Experimentierfreude geht. Das stelle ich mir am Spannendsten vor.
    • Wir wollen uns dazu bewegen und tanzen. Musik ist immer auch mit Bewegung verbunden, egal ob beim Musik machen oder beim Tanzen nach Musik, ohne geht’s nicht. Mal schauen, was sie da für Ideen haben, und für Pascal wäre es eine zusätzliche motorische Förderung, mit einem Element, das ihm besonders gefällt.
    • Wir wollen das Ergebnis filmen und zusammen anschauen. Vielleicht kann man es später auch den Eltern zeigen. Die Kinder sehen sich selbst immer gerne auf dem Fernsehbildschirm und können vielleicht auch stolz auf ihr Ergebnis sein. Und die Eltern können sehen, was in ihren Kindern steckt.

Das ist unser Plan, mal sehen, was tatsächlich passiert!

Mit Pascal habe ich mich dann zusammengesetzt und ihn gefragt, ob er ein Lieblingslied hat, mit dem wir uns beschäftigen sollen. Er hatte so gar keine Ideen, so dass ich spontan mit ihm in die Strolchengruppe gegangen bin und alle unsere Liedkarten rausgesucht habe, die wir im Morgenkreis benutzen. Das waren viele, passend zu allen möglichen Anlässen und Jahreszeiten. Daraus konnte sich Pascal dann drei aussuchen. Das war seine Auswahl:

  • „Happy Birthday“

  • „Ich hol mir eine Leiter und stell sie an den Apfelbaum“

  • „Piratenlied“

Ellen hatte dann die Idee, diese Lieder und unsere Planung in eine Geschichte zu verpacken. Mit Malte habe ich dann noch Kärtchen gebastelt, auf denen die Buchstaben und die passenden Noten gemalt sind. Die habe ich bewusst nicht mit Pascal gemacht, weil ihm diese feinmotorischen Arbeiten sehr schwer fallen und ich ihn nicht entmutigen wollte.

Eigentlich sollte es Mitte Februar losgehen, aber wie das halt so ist, waren zu dieser Zeit viele Kinder krank und auch das Personal war nicht vollständig, so dass wir das Projekt erst mal verschieben mussten. Wenn die Kinder fehlen und auch wir Erzieherinnen immer im Hinterkopf haben, dass nicht genügend Leute in der Gruppe sind oder dass die Zeit drängt, ist die Arbeit für alle wenig befriedigend. Wenn dann möchte ich es ordentlich machen, so dass alle etwas davon mitnehmen, und nicht mal eben schnell erledigen.

Wir haben jedoch am 17. Mai Sommerfest mit dem Motto: „Wir feiern Geburtstag! 20 Jahre Botzeknööfe“. Da kam uns die Idee, aus unserem Musikprojekt auch ein Bühnenprogramm zu machen. Passenderweise hat sich Pascal ja das „Happy Birthday“-Lied ausgesucht. Mal sehen, was die Kinder davon halten.

Ausflug in eine Ausstellung

Während der Musikprojektwoche war auch ein Ausflug nach Düsseldorf in die Mitmachausstellung Akki geplant, zum Thema Sprache. Der Titel lautete „Hää?“ Mit den Vorschulkindern waren wir dann da. Nach einer kleinen Einweisung konnten die Kinder vieles entdecken:

  • die Rohrpost, um Mitteilungen zu verschicken

  • verschiedene Stationen, um Geheimschriften zu entziffern oder selber zu entwerfen

  • eine Nachvertonungsstation, an der Figuren aus einem Film eine Stimme bekamen

  • Flüsterschüsseln, mit denen man sich über große Entfernung unterhalten konnte

  • ein Echogerät, das die Worte wiederholt hat

  • das Schreiben und Drucken von Buchstaben mit Licht, auf eine fluoreszierende Wand

  • spiegelverkehrt schreiben

  • in der Tonstation auf den Klang von Stimmen horchen

Vieles kann zu Sprache werden, um seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen. In der Mitmachausstellung gab es viele Möglichkeiten, den Umgang mit Sprache auszuprobieren, zum Beispiel auch nonverbal oder wie Sprache zur späteren Verwendung verwahrt werden kann oder wie man die Stimme verändern, verzerren kann.

Die Kinder haben vieles ausprobiert, besonders die Leuchtwand, die Rohrpost und das Tonstudio, wo sie den „Monstern“ ihre Stimme gaben.

Malte war sehr von den verschiedenen Möglichkeiten fasziniert, Geheimsprache zu entwickeln oder zu entziffern. Rico hat sich mit dem Tonstudio lange beschäftigt und sich überlegt, was die „Monster“ wohl machen und sagen können. Pascal hat sich auch besonders lange am Tonstudio aufgehalten und sich sprachlich ausprobiert. Dabei hat er nicht gestottert, er hat die Stimme verstellt und war dadurch nicht mehr er selber. Das habe ich schon öfter bei ihm festgestellt. Er lässt sich nicht unterkriegen. Nora war leider krank, und weil Naomi noch kein Vorschulkind ist, war sie auch nicht dabei.

Reflexion zwischendurch

Ich bin ein bisschen traurig, dass ich das Musikprojekt verschieben musste, hoffe aber, dass es noch zu einem schönen Abschluss kommen wird.

Ich fand die vergangenen Monate sehr spannend und aufregend, besonders diese vielen verschiedenen Angebote im Nachmittagsbereich, die haben sich wirklich bewährt. Wie viele Kinder da beschäftigt und fasziniert waren! Nicht nur die Kinder meiner „Truppe“ konnten ganz viel lernen und mitnehmen, wir hatten alle so viel Spaß! Ständig kamen neue Ideen, teils von den Kindern, teils von mir oder von Kolleg*innen und aus Büchern.

Für die Gesamtgruppe habe ich mein Ziel auf jeden Fall erreicht.
Mit Malte war die Zeit teilweise schwierig. Oft konnte ich ihn aber gut beschäftigen, er hatte Erfolgserlebnisse und die anderen Kinder konnten mal andere Seiten an ihm kennen lernen. Er konnte sich bei den jüngeren Kindern in der Strolchengruppe etwas entspannen.

Er ist auf jeden Fall in einigen Bereichen weiter als andere Kinder in seinem Alter, sein Sozialverhalten bessert sich deutlich, wenn er nicht unterfordert ist, aber es verschwindet nicht ganz, was wohl darauf hindeutet, dass er noch andere Probleme haben könnte.

(Siehe: Dauerfrustration wegen Unterforderung und Unverständnis)

Wir bemühen uns im kompletten Team, ihm das Leben in unserer Kita zu erleichtern und ihm viele schöne Momente zu geben. Aber vor allem braucht er weiter Unterstützung in Konfliktsituationen, klare Regeln und Grenzen, Anerkennung und Wertschätzung.

Pascals Selbstvertrauen konnte in den letzten Wochen weiter wachsen und er stottert kaum noch. Sein Thema Musik steht noch aus.

Rico hat sich in den letzten Wochen bestimmt nicht gelangweilt, es gab immer was Spannendes zu tun und ich amüsiere mich jetzt noch, wenn ich daran denke, wie er die Pfeifenputzer-Figuren verkaufen wollte, um mehr Geld für den Urlaub zu haben. Ideen muss man haben! Er konnte seine Kreativität oft unter Beweis stellen.

In den letzten Wochen konnte ich Nora auf jeden Fall besser kennen lernen. Die Bücher mit den Großbuchstaben sind bereits besorgt, jetzt muss Nora wieder gesund werden, dann können wir mit dem Lesen starten.

Da Naomi jünger als die anderen Kinder ist, hatte ich manchmal Sorge, dass sie mit den anderen Kindern nicht mithalten kann und sie die Angebote weniger interessant findet. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie hatte an allem großes Interesse und hat ihrem Freundeskreis viel erklären und beibringen können.

Aussichten

Ich möchte das Musikprojekt auf jeden Fall noch machen und vielleicht gibt es eine Aufführung zum Sommerfest.

Am Schluss bleibt dann noch die Aufgabe, den Kindern etwas für ihr Portfolio mitzugeben. Ich habe viele Fotos gemacht, die ich den Kindern auf jeden Fall geben möchte. Wir könnten eine Fotoausstellung im Flur machen, wo die Kinder noch ihre Kommentare dazu schreiben, damit machen wir unsere Arbeit für die Eltern transparent. Wir könnten den Film im Flur laufen lassen, einen Elternbrief verfassen, … Den Abschluss werde ich mit den Kindern gemeinsam überlegen.

Ich möchte auf jeden Fall mit den Angeboten im Nachmittagsbereich weitermachen, die haben sich absolut bewährt. Die Kinder sind mit interessanten Dingen beschäftigt, weniger sich selbst überlassen und haben viel Spaß. Ich möchte weiterhin aufmerksam beobachten, was sie gerade interessiert und darauf reagieren.

So habe ich mir überlegt, als Nächstes eventuell einen Lese- und Schreibkurs anzubieten. Ich habe Bücher mit Großbuchstaben besorgt, so dass interessierte Kinder einfacher lesen können oder vielleicht können wir ein Buch selber schreiben, …

(Siehe auch:
Früh Lesen lernen und
Erzieherinnen unterstützen Kinder beim Lesen / Schreiben lernen und
Kinder schreiben Bilderbücher.)

Bis auf Naomi und wahrscheinlich Pascal kommen alle im Sommer in die Schule. Bis dahin möchte ich sie weiter betreuen und fördern.

Malte hat es weiter schwer

Malte ist jetzt 6;1 Jahre alt und besucht als Vorschulkind nun die Räubergruppe. Maltes Verhalten im sozialen Bereich ist nach wie vor sehr auffällig. Wir sind auch seit langem  in engem Kontakt mit den Eltern, was ich hier aber ausblende.
Malte verstößt weiterhin gezielt gegen die Regeln des Kindergartens, indem er zum Beispiel Schimpfwörter grölt, mit Steinen schmeißt, Kinder mit Stöcken schlägt, vom Baum runter pinkelt, die Kaninchen mit Steinen und Sandspielsachen bewirft, über den Zaun klettert oder Spielzeug über den Zaun wirft.

Es kommt ganz auf seine Tagesverfassung an und darauf, mit welchen Kindern er zusammen ist. Oft kann man seine negativen Tätigkeiten in positive umwandeln, wenn man seinen Ehrgeiz oder sein Interesse wecken kann. So haben wir das Beschmeißen der Kaninchen mit Steinen als Tierquälerei besprochen und gemeinsam erarbeitet, wie man den Tieren etwas Gutes tun kann. Er hat dann den ganzen Tag verschiedene Pflanzen für sie gesammelt und ausprobiert, was sie am liebsten fressen.
Oder nach dem Pinkeln und Pupsen habe ich ihn gefragt, ob er das auch auf Kommando kann. Das ging nicht, aber ich könnte ihn ja andere Sachen auf Kommando machen lassen, zum Beispiel Handstand, Weitspringen, Hochspringen, Purzelbaum,… Da hatte ich seinen Ehrgeiz gepackt und er wollte mir beweisen, was er schon alles kann.

Oder wir haben, nachdem er die Kinder beim Spiel mit Stöcken auf den Kopf gehauen hatte, die Stöcke zu Schreibgeräten umfunktioniert und damit ganze Wörter in den Sand geschrieben. Er war stolz, dass er die Wörter lesen konnte. Wenn er Hilfe brauchte, hat er gefragt, was das für ein Buchstabe ist (das „D“ kannte er nicht) und ich habe ihm Besonderheiten erklärt, wie zum Beispiel „SCH“ oder Doppelbuchstaben. Geschrieben habe ich beispielsweise „Mond“, „Sonne“, „Schiff“, „Wasser“, „Mund“ oder „Nase“. Andere Vorschulkinder gesellten sich dazu und machten auch mit. Sie konnten noch nicht lesen, aber Malte hat die Wörter sogar auf dem Kopf stehend lesen können und die anderen Kinder damit beeindruckt.

Auch bei einem Ausflug zur Feuerwehr ist mir aufgefallen, dass er sich Zeit genommen hat, die Namensschilder über den Spinden der Feuerwehrleute zu lesen. Er hat wirklich großes Interesse an Buchstaben. Sein Vater erzählte mir, dass Malte bei Autofahrten im Vorbeifahren Sachen liest und dann fragt, ob das richtig ist.

Nach Ausflügen wie zur Feuerwehr oder zu Schloss Burg ist er anschließend oft völlig überdreht und man bekommt ihn kaum gebändigt. Da scheint er nicht zu wissen, wohin mit seiner Energie, das sollte dann noch nachbereitet werden, vielleicht in Form von Büchern oder Gesprächen, falls die Kinder dazu überhaupt noch in der Lage sind. Bei den Ausflügen selber benimmt er sich recht ordentlich. Da ist er abgelenkt und interessiert.

Er hat aber auch Tage, an denen er sehr zugänglich und hilfsbereit ist.

Dann bringt er Müll mit raus, repariert Türen, wartet geduldig, bis er mit Laufrad fahren dran ist, hört stundenlang konzentriert dem Fällen von Bäumen in der näheren Umgebung zu oder spielt intensiv mit Autos.
Außerdem hat Malte ja schon seinen festen Platz als „Schuldiger“. Ein Kind ist über eine Wurzel gestolpert und Malte hat ihm aufgeholfen. Da sagt das Kind: „Der Malte hat mich geschubst!“ Nach Aufklärung der Sachlage war das Kind so verblüfft, dass es nichts mehr sagen konnte.
Oder nachdem Malte so geduldig auf das Laufrad gewartet hatte, habe ich auch kontrolliert, dass die anderen Kinder es ihm wirklich gegeben haben. Die sind nämlich nicht wiedergekommen – und wenn sich Malte sich dann sein Recht mit Gewalt genommen hätte, wäre er wieder ausgeschimpft worden.

Aber er bleibt eine Gefahr für sich und seine Umwelt! Ein Erzieher der Räubergruppe hat daher mit Malte ein besonderes System aufgebaut. Der Kollege kommt aus dem heilpädagogischen Bereich und hat dort ein Punktesystem kennen gelernt, mit dem man positive Handlungen verstärken kann. Malte hat jetzt eine magnetische Tafel, an die er sich bei Fehlverhalten selber Punkte machen muss. Alle Erzieher wissen Bescheid: Wenn er vier Punkte gesammelt hat, erfolgt eine Konsequenz, die gemeinsam erarbeitet wird. Wenn er aber etwas Positives macht, zum Beispiel sich entschuldigen, jemandem helfen,… dann kann er diese Punkte wieder abarbeiten. So lernt er, dass positive Taten auch entsprechende Effekte haben. Er hat mir schon stolz erzählt, wenn er keine Punkte mehr hatte. Aber er kann eben nicht immer aus seiner Haut und muss noch viel lernen. Das System zeigt aber erste Erfolge und wir werden es weiter ausprobieren. Auch mit Rico probiert mein Kollege es aus.

Letztens haben sie für Malte eine „Warme Dusche“ gemacht, jedes Kind der Räubergruppe sollte zu ihm etwas Gutes sagen. Er konnte es annehmen, aber er war bis zum Ende nervös, weil er nicht wusste, was auf ihn zukam.

Vielleicht fehlen ab und zu auch die passenden Spielpartner.

Siehe: Spielgefährten und Freunde hoch begabter Kinder

Eine Kollegin hatte an einem Tag in den Ferien ihren neunjährigen Sohn dabei, der mit Malte und anderen Kindern toll als Gruppe gespielt hat. Er war der Anführer und Malte  konnte sich gut unterordnen, das Spiel funktionierte sehr harmonisch, bis Admir dazu kam. Er hat die Anweisungen sprachlich und kognitiv nicht verstanden und der Sohn meiner Kollegin war mit der Streitschlichtung überfordert. Admir hat dann ständig gestört, was Malte wieder zu aggressiven Handlungen verleitete.

Anmerkung der Kursleitung:
Hier kann man 1. erste Keime für die Ablehnung von Kindern erkennen, die in der Umgebungssprache nicht mithalten können und aus dieser Dauerfrustration aggressiv reagieren (ständig stören); 2. erlebt Admir sowohl sein sprachliches Nicht-Verstehen, um was es gerade geht –  obwohl er doch mitmischen und dazu gehören möchte, und dann kommt obendrauf noch die folgende Ablehnung durch die anderen Kinder.

Nun möchte ich Malte in der „Musik-Truppe“ adäquate Spielpartner bieten, die ähnliche Interessen haben und auf einem ähnlichen Niveau handeln. Er kann sehr ehrgeizig sein, aber auch schnell aufgeben, wenn etwas nicht in seinem Sinne funktioniert. Dann grenzt er sich ab oder fängt an, zu stören und den Clown zu spielen.
Daher ist mein Ziel für Malte, dass er an dem Musikprojekt durchgehend teilnimmt und dass er ein Musikstück beim Sommerfest aufführt.

Pascal ist jetzt 5;7 Jahre alt und ist in der Räubergruppe. Als Kann-Kind macht er bei den Aktivitäten der Vorschulkinder mit, bis seine endgültige Einschulung geklärt ist. Pascal überrascht mich immer wieder mit guten Kenntnissen im Rechnen oder mit dem Erkennen von Buchstaben, so dass ich trotz seiner motorischen Probleme eine frühere Einschulung mit den Kollegen diskutiert habe.
Beim Abwägen des Für und Wider haben wir die Idee mit der Empfehlung zur früheren Einschulung gemeinsam mit Nein beantwortet.

Ich erinnere mich auch noch an sein auffälliges Verhalten beim letzten Sommerfest, wo er jeden, der ihn angesprochen hat, entweder beschimpft hat oder sogar aggressiv, handgreiflich angegangen ist. Selbst Papa und Oma konnten kaum zu ihm durchdringen, er war mit der Situation völlig überfordert.
Daher ist mein Ziel für Pascal: Das Thema Musik war sein Wunsch und ich möchte, dass er am gesamten Projekt teilnimmt und die Aufführung auf der Bühne beim Sommerfest mitmacht.

Rico ist inzwischen 6;1 Jahre alt und auch ein Vorschulkind der Räubergruppe. Bei ihm ist mir in letzter Zeit besonders aufgefallen, dass er kein „Teamplayer“ ist, sondern ein „Einzelkämpfer“. Er hält sich ungern an Regeln und geht oft seine eigenen Wege. Dabei hat er teilweise auch sehr kreative, eigene Ideen, um Probleme zu lösen. Damit könnte  er der Gruppe manchmal helfen, wie zum Beispiel bei „Mut tut gut“. Da sollten die Kinder von einer Ecke in die andere gelangen, ohne den Boden zu berühren und ohne zu sprechen. Als Hilfsmittel hatten sie Zeitungen. Rico hatte zwar die Idee, sich auf die Blätter zu stellen, konnte aber nichts zur gemeinschaftlichen Lösung beitragen. Er dachte nur an sich selbst.

Dann habe ich noch sprachliche „Besonderheiten“ entdeckt, wie zum Beispiel: „Liest du mir das Buch an?“ anstatt „vor“. Er benutzt öfters so falsche Formulierungen.
Ich möchte Rico gerne weiter in meine „Truppe“ integrieren und ihm Raum für seine teils ungewöhnlichen Ideen geben. Mein Ziel für Rico ist die Teilnahme am Projekt in der Gruppe und dass seine Ideen auf der Bühne vorgetragen werden.

Auch Nora ist mit ihren 5;9 Jahren ein Mitglied der Vorschulkinder in der Räubergruppe. Sie ist selten da und wenn sie mal da ist, wird sie zu sehr unterschiedlichen Zeiten gebracht und abgeholt, so dass es schwierig ist, sie in das Projekt zu integrieren. Sie zeigt immer noch großes Interesse an Buchstaben und Zahlen und ich habe für sie extra Bücher mit Großbuchstaben angeschafft. Wenn sie da ist, kommt sie nachmittags gerne und liest und schreibt mit Hilfe dieser Bücher. Aus diesem Grund habe ich Buchstaben und Noten Lesen in das Musikprojekt mit aufgenommen, denn auch Malte und Pascal zeigen großes Interesse daran.
Deswegen habe ich auch für Nora das Ziel, dass sie am Musikprojekt teilnimmt und beim Sommerfest vielleicht ein Musikstück auf der Bühne aufführt.

Die Jüngste, Naomi, ist jetzt 4;9 Jahre alt. Sie ist auch in der Räubergruppe und gut integriert. Sie hat feste Freundinnen und ist in dieser Gruppe in ihrer Entwicklung voraus. Sie zeigt auch Interesse an Buchstaben und ist feinmotorisch schon besonders fit, was sie zum Beispiel beim Projekt-Teil „Knoten und Seile“ unter Beweis stellen konnte. Da fungierte sie schnell als Expertin und konnte den anderen Kindern Gelerntes vormachen und erklären. Ich bin daher gespannt, ob sie trotz ihres jungen Alters bei der „Musik-Truppe“ mithalten kann, da die Anforderungen jetzt höher werden.
Daher ist mein Ziel für Naomi auch die Teilnahme am Musikprojekt und dass sie beim Sommerfest mit auftritt.

Jedes Kind durfte sich ja nach seinen Interessen ein Thema aussuchen und Pascals  Thema „Musik“ stand noch aus. Eigentlich wollte ich schon in der letzten Praxisarbeit das Projekt der „Musik-Truppe“ beschrieben haben, aber wir waren bisher über die Vorbereitungen nicht hinaus gekommen.

Der 1. Tag mit der Musik

Unser erstes Treffen fand im April in der Turnhalle statt, die normalerweise für musikalische Projekte genutzt wird. Meine Kollegin Ellen und ich haben verschiedene Xylophone aufgebaut, Trommeln, Triangel, Klanghölzer,… und Teppichfliesen ausgelegt, auf denen wir uns erst mal treffen und besprechen wollten, was wir in dieser Woche vorhatten. Leider waren Rico und Pascal krank, so dass wir nur mit drei Kindern da saßen. Spontan hatten wir uns dann für den nächsten Tag überlegt, weitere musikbegeisterte Kinder dazu zu nehmen, um eine richtige „Truppe“ zum gemeinsamen Musizieren zusammen zu bekommen.

Die drei Kinder hatten dann erst mal Zeit, die Instrumente kennen zu lernen und auszuprobieren. Alle Kinder dieses Projektes nehmen auch an der Musikalischen Früherziehung teil, die in den Räumen unserer Kita stattfindet, so dass sie schon einige Erfahrungen hatten. Sie konnten dann erst mal einfach alles ausprobieren und sich frei entfalten, um zu sehen, wo die Interessen liegen.
Malte zum Beispiel hat die Metallteile des Metallophons (genauso gebaut wie ein Xylophon, aber mit Klangflächen aus Metall) gegen die Hand geschlagen und festgestellt, dass dabei kaum ein Ton entsteht.
Nora hat herausgehört, dass sich die verschiedenen Xylophone auch unterschiedlich anhören, da sie aus unterschiedlichen Materialien sind und auch unterschiedlich groß. Naomi hat „Alle Hasen hoppeln“ vor sich hin gesungen und dazu verschiedene Töne angeschlagen.

Nachdem Ellen und ich erklärt hatten, dass sich Pascal ein Geburtstagslied ausgesucht hatte, haben die Kinder noch „Wie schön, dass du geboren bist“ und „Viel Glück und viel Segen“ gesungen. Ellen hat dann auf der Flöte ein Frühlingslied gespielt und von der CD ein gesprochenes Lied, einen Rap, vorgestellt, um die Vielfalt von Musik zu demonstrieren. Naomi hat direkt mitgewippt, da merkt man wieder, wie sehr Musik auch mit Bewegung zu tun hat. Es braucht Bewegung, um Musik zu produzieren und Rhythmus regt zu Bewegung an.

Die Kinder wollten ja nicht nur selber Musik machen, sondern auch Musik hören! Ellen  hat dann noch verschiedene Geburtstagslieder auf der Flöte vorgespielt und die Kinder raten lassen, um welche es sich handelt. Das haben alle schnell rausgehört, so kann das musikalische Gehör geschult werden.
Die Kinder waren dann ganz begierig, diese Lieder auf den Instrumenten zu spielen. Sie haben es versucht, waren aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Sie wollten es richtig spielen, so dass man es erkennt, und nicht mitsingen und einfach irgendwo draufschlagen. Malte hat sich deshalb gleich ganz geweigert, etwas vorzuspielen.

Daher hat Ellen die Noten als Buchstaben in das Buch geschrieben und ich habe sie zum Abgucken für die nächsten Tage groß auf eine Pappe geschrieben. So hatten wir schon einen Plan, was wir weiter machen wollten.
Danach haben die Kinder noch verschiedene Trommeln ausprobiert und Naomi meinte, dass sich das leichte Trommeln mit einzelnen Fingern anhört wie krabbelnde Ameisen und Malte war der Meinung, dass es sich anhört wie Regen.

Ellen hatte bei einer Aufführung mal Trommeln aus Eimern gesehen, die sich Kinder vor den Bauch gebunden hatten. Diese Idee gefiel den Kindern so gut, dass ich für den nächsten Tag Eimer und Seile besorgt habe, um solche Trommeln bauen zu können. Damit wollten wir dann auch eine Aufführung auf der Bühne machen, haben wir mit großem Jubel beschlossen.

Der zweite Tag

Am zweiten Tag haben wir uns im Nebenraum der Strolchengruppe getroffen, weil die Turnhalle besetzt war. Ich habe noch drei weitere, besonders musikinteressierte Kinder mit eingeladen, die auch gerne mitmachen wollten: die Zwillinge Kira und Sina aus der Räubergruppe (4 Jahre) und Lotta aus der Strolchengruppe (auch 4 Jahre). Pascal fehlte immer noch.
Bevor wir mit dem Bau der Trommeln begonnen haben, hat uns Ellen zur Einstimmung ein Frühlingslied auf der Flöte vorgespielt, was die Kinder sofort wieder erkannt haben.
Wir haben uns dann die Eimer näher angeschaut und überlegt, wie sie bearbeitet werden müssen, damit man sie als Trommeln nutzen kann. Nora hat sie einfach zwischen die Beine geklemmt und festgestellt, dass sie dann wegrutschen. Malte meinte, wir brauchen einen Gürtel. So waren die Kinder selber beim Lösen der Probleme beteiligt. Wir haben dann mit einer Säge erst mal die Henkel abgemacht und dann mit einem Bohrer Löcher hinein gemacht. Durch die Löcher haben wir ein Seil gezogen und dann bei jedem Kind abgemessen, wie lang es sein muss. Das Seil riffelte sich auf und ging schwer durch die Löcher. Wir haben dann einen Trick angewandt, den ich aus meiner Zeit als Schaufensterdekorateurin kannte: wir haben die Enden mit einem Feuerzeug angeflämmt, so dass sie zusammenklebten. Davon waren die Kinder fasziniert.

Jedes Kind konnte an seinem eigenen Eimer bauen und Malte hat zusätzlich noch beim Bearbeiten der Schnur geholfen. Malte und Rico haben auch noch viele Fotos gemacht, um unser Projekt festzuhalten. Schließlich wollen die Kinder den Eltern hinterher zeigen, was sie alles geleistet haben, und ins Portfolio kommen die Fotos auch.

Am Ende haben wir uns die Trommeln umgeschnallt und sie ausprobiert. Jedes Kind  erst mal für sich alleine, damit sich die Phantasie frei entfalten konnte:
Sina und Kira haben Geburtstagslieder gesungen und dabei im Takt getrommelt,
Nora hat ihren eigenen Rhythmus gefunden und mit Klatschen verbunden,
Malte hat einen Rhythmus mit verschiedenen Lautstärken entwickelt und
Rico hat mal schnell und mal langsam gespielt.

Danach haben alle ihre Ideen vorgestellt, es war wie eine kleine Aufführung. Wir nehmen die Kinder ernst und berücksichtigen ihre Vorschläge. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Die Kinder waren stolz auf ihre Ideen und wir haben versucht, sie gemeinsam zu spielen.
Die Kinder kamen zu der Meinung: Wenn alle den gleichen Rhythmus spielen, hört es sich besser an. Und schließlich wollen wir ja gemeinsam als Gruppe auftreten.
Daher haben wir dann beispielsweise die Idee von Nora ausprobiert: zweimal trommeln, einmal klatschen. Das klappte sofort. Oder ein Geburtstagslied singen und dabei im Takt trommeln, das ging auch. Dann hatte Rico noch die Idee, dabei vor und zurück zu gehen, was auch geklappt hat. Leider war im Nebenraum für solche Experimente eigentlich zu wenig Platz, deshalb haben wir das Trommeln verschoben, bis wir wieder die Turnhalle nutzen konnten.
Die Mädchen hatten aber noch einen anderen Wunsch: Die Eimer sind einfach nur schwarz bzw. blau und so wollten sie sie gerne noch verschönern. Das haben wir dann am dritten Tag gemacht, auch wieder im Nebenraum der Strolche.

Dritter Tag

Zum Verzieren eigneten sich die Klebefolien, die wir in vielen Farben vorrätig haben. Die Kinder konnten nach ihrem Geschmack Schneiden und Kleben. Manche haben den Eimern ein Gesicht aufgeklebt oder einfach nur verschiedene Formen ausgeschnitten und aufgeklebt. Da waren der Phantasie wieder keine Grenze gesetzt. Besonders die Mädchen hatten daran viel Spaß, aber auch Malte und Rico waren intensiv damit beschäftigt, den Trommeln ihre eigene Note zu geben. Pascal fehlte und bei Lotta  machte sich der Altersunterschied doch bemerkbar, sie wollte dann auch als erste gehen.
Das war an diesem Tag aber die zweite Aktion, die wir gemacht haben, nämlich erst, nachdem die Konzentration nachließ.
Begonnen haben wir an diesem Tag mit dem „Notenlesen“! Ellen war nicht da, hatte mir aber zur Vorbereitung die Buchstaben, die auf dem Xylophon standen, ins Liederbuch übertragen. Diese habe ich dann in der richtigen Reihenfolge auf eine große Pappe geschrieben, so dass sie für alle Kinder zum Abgucken geeignet waren.
Wir haben uns für die Buchstaben entschieden, weil zum einen zu wenig Zeit war, um richtige Noten zu lernen und zum anderen das Interesse an Buchstaben so groß war. Für die Notenzeichen hätte ich außerdem Ellens Hilfe gebraucht. Vielleicht kann ich das bei Interesse an einem späteren Zeitpunkt noch nachholen.

So hatte ich dann im Nebenraum wieder einige Xylophone aufgebaut, und die Kinder konnten das Lied „Happy Birthday“ oder „Viel Glück und viel Segen“ nach Buchstaben nachspielen. Malte und Nora waren daran erwartungsgemäß besonders interessiert. Es stellte sich aber schnell heraus, dass für „Happy Birthday“ das „fis“ beim Xylophon fehlte, so dass wir uns auf das zweite Lied konzentriert haben.

Zuerst habe ich den Kindern erklärt, was ich auf das Plakat geschrieben habe. Malte und Nora kannten schon ein paar von den kleinen Buchstaben – sowohl die Musikinstrumente als auch das Plakat waren mit kleinen Buchstaben beschriftet. Daher fiel es den anderen Kindern schwerer, die Buchstaben zu lesen. Sie kennen ja meistens zuerst die Großbuchstaben. Aber alle konnten dann die Übereinstimmungen wieder erkennen und jedes Kind hat für sich versucht, die Töne in der Reihenfolge der Buchstaben anzuspielen. Bis auf Malte und Nora haben alle nach relativ kurzer Zeit aufgegeben und einfach das gespielt, worauf sie gerade Lust hatten. Das war recht laut und damit man sich besser konzentrieren konnte, haben wir dann abwechselnd gespielt.
Nora ist ganz exakt der Reihenfolge der Buchstaben gefolgt und konnte das Stück nach kurzer Zeit komplett vorspielen. Da sie immer wieder zum Plakat schauen musste, hat sie sehr langsam gespielt und es hörte sich noch nicht so richtig rund an.
Malte hat dagegen nur anfangs nach den Buchstaben gespielt und als er sicherer wurde, welche Töne wann kommen und wo sie am Xylophon liegen, hat er begonnen, nach Gehör zu spielen. Dabei hat er dann sogar den Rhythmus beachtet. Bei jedem Fehler hat er wieder von vorne begonnen, so dass er sich langsam bis zum Ende vorgearbeitet hat. Ich habe mir als Kind auch das Flötespielen selber nach Gehör beigebracht und jetzt hat Malte nach dieser Methode das Lied gelernt. Spannend!

Beide haben dann den anderen Kindern das Lied vorgespielt und waren stolz darauf, was sie in so kurzer Zeit geschafft hatten.

Auf Nachfrage wollten sie das Lied auch gerne beim Sommerfest vortragen. Dafür habe ich ihnen im Nachmittagsbereich immer wieder die Instrumente zum Üben angeboten, was sie auch unterschiedlich genutzt haben. Malte hat mehrfach konzentriert und ehrgeizig geübt, während Nora nur selten da war.

Außerdem hatte ich große Blätter und Stifte bereit gelegt, falls ein Kind Interesse am eigenen Komponieren haben sollte. Das fand dann bei Rico und Naomi großen Anklang. Besonders Naomi hat sich hingesetzt und verschiedene Buchstaben aufgemalt und sie dann versucht, abzuspielen. Auch sie konnte ihr selbst komponiertes Stück vorspielen und war sichtlich stolz hinterher. Ihr ging es aber mehr ums Schreiben. Sie hat beim Vorspielen letztlich nicht die Töne gespielt, die sie aufgeschrieben hatte, sondern einfach losgelegt, ohne feste Regeln.
Rico hat nach drei Buchstaben aufgegeben, weil ihm das Schreiben zu mühsam war. Aber er hat es versucht und war mit seinem Werk zufrieden.
Alle gemeinsam haben dann beschlossen, Ellen am nächsten Tag zu zeigen, was sie alles geschafft hatten.

Vierter Tag

Diesmal konnten wir zum Glück wieder die Turnhalle nutzen. Malte, Nora und Naomi  haben Ellen dann erst mal ihr Können präsentiert. Nora hat langsam Buchstabe für Buchstabe nachgespielt, Malte hat nach Gehör so weit gespielt, bis der erste Fehler kam. Dann habe ich, auf seine Bitte hin, die Buchstaben gezeigt, mit denen es weiter ging, so dass er das Stück bis zum Ende spielen konnte. Bei seinen nachmittäglichen Übungen wollte er das dann nicht mehr, da hatte er den Ehrgeiz, es alleine zu schaffen. Naomi hat ihre eigene Komposition gezeigt und wieder einfach das gespielt, was ihr gerade in den Sinn kam. Ellen war begeistert und hat die Kinder für ihr Können gelobt,  auch das Aussehen der jetzt bunten Trommeln wurde noch mal bewundert.

Anschließend haben wir uns ganz dem Instrument Trommel gewidmet. Jeder hat seine Trommel umgebunden und dann erst mal ausprobiert: laut, leise, schnell, langsam, verschiedene Rhythmen, verschiedene Hände oder Finger, Kombinationen mit Klatschen oder Zunge schnalzen,… Man hat mal bei den anderen geschaut oder gelauscht, hatte wieder neue Ideen, hat mit den anderen diskutiert,… Die Ideen sprudelten nur so! Als es langsam ruhiger wurde, konnte jeder seine Lieblingsidee vorstellen:
Nora hat zweimal auf die Trommel geschlagen und einmal in die Hände geklatscht. Dieser Rhythmus gefiel uns allen so gut, dass wir sofort mit eingestiegen sind und ihn für unser Bühnenprogramm eingeplant haben. Gemeinsam zu spielen, hörte sich toll an und sogar das Stopp-Zeichen, Hände hoch, funktionierte tadellos.
Rico hat auch zweimal auf die Trommel geschlagen und dann mit der Zunge geschnalzt. Das gefiel uns auch. Daraufhin kam uns die Idee, dass jedes Kind auf der Bühne ein Solo spielen könnte, was sofort mit Jubelrufen bejaht wurde. Jeder sollte sich seine Idee merken.
Malte hat zweimal auf die Trommel geschlagen und dann einmal auf den Rand. Das ergab auch unterschiedliche Töne.
Naomi, Sina und Kira trauten sich nicht, alleine aufzutreten, und haben es daher zu dritt gemacht. Sie haben einfach losgelegt und gespielt, was ihnen in den Sinn kam. Bei den späteren Proben trauten sie sich dann alleine und haben auch immer das Gleiche gemacht. Sie wurden mit jeder Probe mutiger. Auch sie haben den Rhythmus von Lena, zweimal das Gleiche und beim dritten Mal etwas variieren, aufgegriffen.
Lotta war sehr zurückhaltend und wollte nichts vorspielen. Wir haben sie dann gefragt, ob sie noch weiter mitmachen möchte, was sie verneinte. Auch das ist Partizipation, wer sich nicht wohl fühlt, wird nicht gezwungen mitzumachen.
Pascal war immer noch krank.

Ellen hatte dann noch die Idee, das Gleiche mal mit Klanghölzern als Schläger auszuprobieren. Es hörte sich noch besser an und die Kinder wollten dann lieber mit Klanghölzern spielen.
Für die Bühnenshow haben wir dann begonnen, die Musik mit Bewegung zu kombinieren: vor- und zurückgehen, im Kreis gehen, im Kreis drehen, in die Mitte und auseinander gehen,… Bei den weiteren Proben fiel uns dann aber ein, dass die Bühne zu klein und zu voll ist, um große Bewegungen zuzulassen. Daher haben wir uns auf vor- und zurückgehen und im Kreis drehen geeinigt.
Damit stand unser Bühnenprogramm schon fast, es fehlte nur noch ein krönendes Finale. Nora hatte dann die Idee, ganz leise anzufangen und immer lauter zu werden und sich am Ende hinzuknien und die Arme in die Luft zu strecken. Das haben wir ausprobiert und schon war der Schluss gefunden.

An diesem Tag hatten die Kinder viel Zeit, sich auszuprobieren und Ideen zu entwickeln. Sie waren sehr kreativ und konnten sich auf gemeinsame Spielarten einigen. Jedes Kind hatte Raum für seine eigenen Ideen, die von den anderen gewürdigt wurden. Von unserer Seite waren nur wenige Impulse nötig. Keins hat die anderen schlecht gemacht oder gemeckert. Alle waren motiviert, konzentriert und am Ende zufrieden und glücklich. Ich hatte das Gefühl, sie sind in dieser Stunde ein Stück gewachsen. Sie waren selber erstaunt, was man zusammen auf die Beine stellen kann. Das galt auch besonders für Malte. Er zeigte an diesem Tag keinerlei auffälliges Sozialverhalten. Es hat allen einfach nur viel Spaß gemacht, auch Ellen und mir!

Fünfter Tag

Am nächsten Tag haben wir noch mal zusammen geübt und dann war Pascal auch endlich dabei. Wir hatten für ihn auch eine Trommel vorbereitet, so dass er direkt mitmachen konnte. Er hatte auch etwas Zeit zum Ausprobieren, hat dann aber darauf beschränkt, Noras Rhythmus nachzuspielen. Da er die ganze Zeit gefehlt hatte, war er mit eigenen Ideen wohl überfordert. Außerdem ist mir aufgefallen, dass er sich mit der Trommel sehr unbeholfen bewegt hat, als würde sie ihn nach vorne ziehen. Er sah aus, als würde er jeden Moment vornüber kippen. Auch mit der Koordination der Hände hatte er Probleme. Es fiel ihm sehr schwer, erst auf die Trommel zu schlagen und beim dritten Mal dann die Klanghölzer aneinander zu schlagen. Ebenso konnte er das Ende nicht umsetzen, es kamen immer noch zwei, drei Schläge nach, bis er es geschafft hat, die Hände hoch zu nehmen. Er konnte nicht schnell genug reagieren. Aber wie bei allem, schmälert das seine Begeisterung nicht. Er lässt sich dadurch nicht beirren oder entmutigen, er macht einfach mit. Das bewundere ich an ihm!

Zum Abschluss unserer Musik-Woche haben wir noch ein Spiel gemacht: Ich habe eine dicke und eine normale Matte in die Turnhalle gelegt, ein Xylophon dazu gestellt und den Kindern erklärt, dass man bei dem hohen Ton auf die dicke und bei dem tiefen Ton auf die dünne Matte springen soll. Die Kinder haben abwechselnd die Noten gespielt und hatten viel Spaß beim Hören und Rennen. Wir haben dann noch eine dritte Matte mit einem eigenen Ton dazu genommen. Sina und Kira konnten die Töne besonders sicher unterscheiden, aber auch Malte und Rico waren sehr aufmerksam. Die Kinder haben sich sogar selber korrigiert. Pascal konnte das Tempo der anderen Kinder nicht mithalten und fiel auch oft hin. Er hatte aber trotzdem Spaß.

Zwischenzeitlich habe ich für unsere Jubiläums-Kindergartenzeitung einen Artikel über unser Projekt geschrieben. Ich habe eher wenig Text, dafür mehr Bilder genommen, weil ich die eventuell höher begabten Kinder nicht öffentlich vorführen wollte. Trotzdem wollte ich unsere Arbeit transparent machen und den Spaß und das Interesse der Kinder rüberbringen.

Dann kam das Sommerfest heran

Im Mai haben wir unseren Trommel-Auftritt noch weiter geprobt, wobei Malte mal fehlte, weil er beim Lauftreff mitgemacht hat oder eine anderweitige Nutzung der Turnhalle dem Üben im Wege stand. Das war schon manchmal frustrierend, man bekam selten alle Kinder zusammen, hatte den passenden Raum nicht zur Verfügung oder genug Personal. Aber egal, es hat Spaß gemacht!

Zwei Tage vor dem Sommerfest Mitte Mai war dann die Generalprobe, bei der das gesamte Programm geübt wurde. Die Trommler waren nur ein kleiner Teil davon.
Bevor es losging, konnte Malte in einem separaten Raum noch mal mit dem Xylophon üben, damit er bei der Generalprobe dann genug Sicherheit hätte. Das hat er auch fleißig gemacht, sowohl nach den Buchstaben als auch nach Gehör.
In der Zwischenzeit hatten sich in der Turnhalle alle Kinder versammelt und dazu noch zwei Großväter von unseren Kindergartenkindern, die uns mit Akkordeon und Keyboard begleiten wollten. Alle meine Kinder waren auch am restlichen Bühnenprogramm beteiligt, das aus verschiedenen Liedern, wie „Happy Birthday“, „Der Kuckuck und der Esel“ oder „Die Sonnenkäfer“ bestand, dazu unser Trommelauftritt und am Ende noch der Tanz „Weg da!“.

Dazwischen war dann eigentlich noch Maltes Xylophon-Spiel mit „Viel Glück und viel Segen“ geplant. Aber als es soweit war, sagte er nur noch: „Nein, will ich nicht.“ Dabei stand er bis dahin mit seinem Instrument und dem Schläger in der Hand bereit. Wir haben diesen Programmteil dann kurzerhand aus dem Programm gestrichen und Malte erklärt, dass es seine eigene Entscheidung bleibt. Er wollte dann auch seine Trommel nicht mehr anziehen, die würde ihn stören. Da konnten wir ihn aber noch umstimmen. Als er dann sein eigenes Spiel vortragen sollte, wollte er das auch nicht. Beim gemeinsamen Rest hat er dann mitgemacht.
Alle anderen Kinder wussten ihr Stück noch und haben es prima gemacht. Am Ende gab es einen Zwischenapplaus für die Trommler. Die waren stolz!
Leider fehlte Nora auch an diesem Tag wieder.

Der Auftritt

Dann kam der große Tag mit dem Auftritt auf der Bühne!
Nachdem wir die Kinder alle versammelt und das Programm noch mal kurz besprochen hatten, warteten alle auf ihren Einmarsch. Der verzögerte sich jedoch, weil die anwesenden Politiker unser Jubiläum noch für Ansprachen nutzen wollten!
Ich konnte mich derzeit schon mal freuen, dass fast alle Kinder da waren (bis auf Nora, sie kam gar nicht zum Sommerfest) und mitmachen wollten. Keiner hatte sich bis dahin verweigert, womit ich ja nach der Generalprobe immer noch gerechnet hatte.

Dann ging es los und der erste Teil des Bühnenprogramms ging gewohnt wuselig vorüber. Meist sind die Kinder erst mal ganz beeindruckt, eingeschüchtert und zurückhaltend. Zwischenzeitlich mussten Rico und Kira mal von der Bühne verschwinden und zur Toilette, dann mussten sich die „Sonnenkäfer“ erst sortieren oder das schlecht funktionierende Mikro musste mehrfach getestet werden, also die ganz normalen Problemchen.
Als dann alle Kinder zum hinteren Teil der Bühne gegangen waren, konnten sich die Trommler aufstellen. Dann erst haben wir die Klangstäbe verteilt, damit die Kinder nicht schon vorher alles zusammentrommelten. Ellen stand vor der Bühne und hat Reihenfolge, Takt und Kommandos vorgegeben, damit die Kinder wussten, wann was an der Reihe war. Außerdem wollte Ellen dem Publikum ja nicht die Sicht verstellen, es ging schließlich um die Kinder. Ich stand hinter den Kindern und habe natürlich auch mit getrommelt.
Alle haben mitgemacht, alle haben ihr eigenes Stück gespielt, alle haben auf die Kommandos geachtet, alle haben konzentriert und engagiert getrommelt, so dass alle viel Spaß hatten. Auch Malte hat ohne Proteste oder Zögern mitgemacht und über Pascal habe ich mich besonders gefreut. Nachdem er sich im letzten Jahr so auffällig verhalten hatte, war er jetzt einfach klasse. Und die Mädchen sowieso, auch Rico war toll. Es war wirklich gelungen!
Was ich nur schade fand, war die Akustik. In der Turnhalle hörte sich das Trommeln viel intensiver an. Draußen ging von der Wirkung einiges verloren, aber bei der Menschenmenge ist das nicht anders zu machen.
Wir hatten schließlich tolles Wetter, ein großes Publikum. Einige Prominente wie der Bürgermeister und viele ehemalige Kinder, Eltern und Erzieher haben zugeschaut. Das war insgesamt ein schönes Fest!

Derzeit arbeite ich an einem kleinen Hefter für jedes Kind, in dem alle Aktionen, Projekte und Geschehnisse dokumentiert werden sollen.
Da drei von den fünf Kindern im Sommer in die Schule kommen, möchte ich mein Projekt an dieser Stelle beenden.

Reflexion

So, das erste Ziel habe ich schon mal erreicht: wir hatten einen gemeinsamen Auftritt auf der Bühne beim Sommerfest! Die Kinder hatten Zeit und Gelegenheit sich auszuprobieren und Neues kennen zu lernen. Besonders das Spielen nach Buchstaben und das selber Komponieren waren eine Herausforderung, wobei ich mir noch die Zeit für richtiges Notenlesen gewünscht hätte. Vielleicht bietet sich da ja irgendwann noch eine Möglichkeit, ich behalte es im Hinterkopf.

Insgesamt war das Projekt durch die Wünsche der Kinder sehr breit gefächert. Sie konnten die verschiedensten Erfahrungen sammeln, vom Bogenschießen, über Schreiben und Rätseln, Müll und Seile, bis hin zu Musik, waren die Themen sehr abwechslungsreich. Auch ich habe einiges gelernt und wenn die Kinder nur halb so viel Spaß hatten wie ich, dann war das ein Erfolg! Manches hätte ich gerne durchaus noch vertieft, wofür aber entweder die Zeit oder das Personal fehlte. Manchmal ist es auch schwer, ein Ende zu finden, weil die Kinder noch weiter forschen wollen. Ich habe auch noch keine Lösung dafür gefunden, wie ich mit Malte zur Müllverbrennungsanlage gehen könnte. Da muss er wohl einfach warten, bis er alt genug ist und es vielleicht mit der Grundschule noch mal versuchen. Das habe ich ihm auch gesagt.
Ich war oft erstaunt, wie viel die Kinder schon können oder welche Ideen sie beisteuern. Das aufzugreifen und zuzulassen, war eine wichtige Erfahrung und Bereicherung für mich. Ich bin mit meinem Projekt zufrieden und freue mich schon auf kommende Herausforderungen!

Malte hat beim Bühnenprogramm mitgemacht. Er war sehr konzentriert und traute sich, das eigene Stück zu spielen. Für den zweiten Teil, seinen Solo-Auftritt mit dem Xylophon, reichte sein Selbstvertrauen noch nicht. Er war durchgehend beim Musikprojekt dabei und konnte sich meistens an die Regeln halten. Das Spiel nach Buchstaben und Gehör war eine Herausforderung für ihn, die er bewusst genossen hat.
Insgesamt zeigte er während des kompletten Projektes wenig auffälliges Verhalten, weil er nach seinen Interessen beschäftigt und mit ähnlich denkenden Kindern zusammen war. So konnte er viele positive Erfahrungen sammeln, wie zum Beispiel Experte für Müll zu sein. In der Truppe war er daher weniger gefürchtet, sondern wurde als Experte und Ideengeber geschätzt und gesucht. Er konnte den Kindern sein Wissen auch gut vermitteln, er hat nicht einfach nur vorgemacht, sondern auch Schritt für Schritt erklärt und den Kindern Zeit zum Ausprobieren gelassen. Auch hat ihm die positive Aufmerksamkeit der Erwachsenen gefallen und ihn gestärkt.
Solange man ihn beschäftigt hält und ihn mit seinen Interessen lockt, klappt alles gut. Schwierig wird es beim Freispiel, wenn er sich selbst überlassen ist. Ich bin auf seine weitere Entwicklung gespannt und hoffe, dass die Lehrer seine besonderen Begabungen erkennen werden und ihn nicht aufgrund seines auffälligen Verhaltens vorverurteilen.

Auch Pascal hat bei der Aufführung mitgemacht, was mich besonders gefreut hat. Leider war er bei den vorangegangenen Treffen nur ein Mal dabei, so dass er mal wieder viel verpasst hat, schließlich war Musik sein Wunsch.
Obwohl ihm vieles motorisch schwer fällt, gibt Pascal nie auf. Er probiert alles und kann dadurch viel lernen. Er hatte an jedem Thema Interesse und hätte noch viel mehr lernen können, wenn er regelmäßiger in den Kindergarten gekommen wäre. Sein Vater weiß um die Defizite seines Sohnes, möchte ihn aber wegen schlechter Erfahrungen vor Therapien schützen. Pascal bleibt noch ein Jahr in unserem Kindergarten und ich werde ihn weiter beobachten und eventuell an Angeboten beteiligen.

Rico hat den Auftritt beim Sommerfest mit Bravour gemeistert und konnte viele Ideen während des Musik-Projektes beisteuern, was eine wirkliche Bereicherung war.
Auch wenn es ihm manchmal schwer fiel, sich in die Truppe einzuordnen, wurde sein Ideenreichtum doch stets von allen geschätzt. Auch Rico hat in dieser Zeit viel gelernt und konnte sein Wissen an andere weitergeben. Er ist vielseitig interessiert und findet oft verblüffende Ansätze, sich mit etwas zu beschäftigen. Er kommt im Sommer in die Schule und wird hoffentlich auch da eine Bereicherung sein.

Naomi hat ebenfalls am Bühnenprogramm teilgenommen und hat sich, dank Sina und Kira dort auch wohl gefühlt. Sie hat mich überrascht, als sie begann selber zu komponieren. Dabei gefiel ihr aber wohl das Abschreiben der Buchstaben, denn das Nachspielen in der richtigen Reihenfolge gelang ihr noch nicht. Da macht sich dann vielleicht doch der Altersunterschied bemerkbar.
Aber insgesamt konnte sie in der Fünfergruppe gut mithalten und viel lernen. Besonders in ihrem Wunschgebiet, Seile, konnte sie zeigen, was sie kann. Sie war eine stolze Expertin und konnte den anderen Kindern noch was beibringen.
Sie bleibt noch ein Jahr in der Räubergruppe und ich werde ihre Entwicklung gespannt weiter beobachten und sie eventuell in weitere Angebote einbeziehen.

Beim Durchsehen und Auswählen der Fotos fiel mir auf, wie wenig Nora an dem gesamten Projekt teilgenommen hat.
So war sie beim Musikprojekt nur zwei Tage dabei, fehlte bei der Generalprobe und kam nicht zum Sommerfest. Das war schade, weil sie das Spiel auf dem Xylophon bestimmt gerne gezeigt hätte und auch beim Trommeln war sie eifrig dabei.

Nora war immer an Herausforderungen interessiert und hat sie im Alltag ständig gesucht. Andererseits wirkte sie oft verlassen und verwirrt, weil sie nur wenig mitbekam und mitten in einer Situation oder in einem Angebot gebracht oder abgeholt wurde. Sie hätte daher bestimmt wesentlich mehr lernen und mitnehmen können, wenn sie regelmäßiger da gewesen wäre. Daher wird ihr Hefter fürs Portfolio auch dünner ausfallen. Auch Nora kommt dieses Jahr in die Schule.

Ich bin gespannt und freue mich auf die kommende Zeit!

 

Datum der Veröffentlichung: August 2021
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