Die tote Mutter von Pompeji und Buntstifte für Südafrika

von Claudia Flaig

 

Ständig bin ich auf der Suche nach Themen und Projekten, die besonders die hoch und besonders begabten Kinder in unserer Kita ansprechen.

Zwei solcher Aktionen will ich hier schildern.

Die tote Mutter von Pompeji

Charlotte, 4 Jahre alt, kam morgens aufgeregt in den Kindergarten und erzählte von dem verheerenden Erdbeben in Asien. Sie erklärte mir, dass die Erde wie aus Puzzleteilen bestehe und dass diese sich bewegen können.
Hannes (4;2 Jahre), am Frühstückstisch sitzend, erklärt uns, dass so auch Vulkane entstanden sind. Jeremy (3;6 Jahre) erzählt von Feuer spuckenden Bergen.

Charlottes Mutter sagte, dass Charlotte nachts habe nicht schlafen können und dass sie sicher noch einiges zu fragen hätte. Ich schlug vor, dass wir uns nach dem Frühstück schlau machen könnten, indem wir uns das Lexikon und den Globus ansehen.

So begann ein großes Informationssammeln in der Kita und bei den Kindern zuhause. Viele Kinder, auch aus der anderen Gruppe, schmökerten in unserer Literatur.

Das Buch von Tilman Röhrig über den Ausbruch des Vesuvs faszinierte Hannes, Charlotte und auch Alena ungeheuer.

Zum Buch „Tilman Röhrig erzählt von dem Ausbruch des Vesuvs“:

Die Stadt Pompeji wird im Jahre 79 n. Chr. durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört. Flavia, die Frau eines richen Kaufmanns, nimmt das erste Erdbeben nicht Ernst, schickt aber ihre Tochter Pia, deren Kinderfrau Thekla und deren Sohn Stephanos mit dem Schiff nach Rom. Dadurch überleben sie, aber Pia muss mit dem Tod ihrer Mutter leben.

Eigentlich hatten wir vorgehabt, Feuer speiende Vulkane zu malen. Zugegebenermaßen stellte ich mir unsere Wand damit sehr schön gestaltet vor – aber der Tod von Flavia, Pias Mutter, beschäftigte die Kinder und nun auch die sechsjährige Jenni so sehr, dass wir dazu eine große Gemeinschaftsarbeit begannen.

Im Buch ist ein Bild, das die Kinder nachmalen wollten. Das Malen der liegenden Mutter machte Probleme; Hannes schlug vor, dass er sich auf die Pappe legen würde und die Kinder seinen Umriss nachzeichnen könnten.

Mit Spritztechnik wurde die Lava-Asche hinzugefügt. Mein „Beobachtungskind“ Alena (5;2) war an diesem Tage nicht da, daher nahm sie am Malen nicht teil, war aber sehr begeistert von dem Bild.

Das Thema Erdbeben und Vulkanausbruch sowie auch das Thema Tod erbrachten uns viele kluge Gespräche, an denen Alena, wann immer sie da war, teilnahm. Aber auch die anderen Kinder der Gruppe nahmen sich von dem „Futter“, was sie brauchten. Selbst Lisette, 1;10 Jahre alt und ein weiteres helles Köpfchen, weiß, dass das Bild „Die tote Mutter“ heißt.

Charlotte und Hannes sind beide sicherlich besonders bis hoch begabte Kinder. Ich stehe in regem Austausch mit ihren Eltern. Ab September kommen sie auch schon als „Schlaufüchse“, also als Vorschulkinder, in meine Gruppe – auch wenn die Eltern beider Kinder eine vorzeitige Einschulung ablehnen; aber das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Charlotte und Hannes haben sich als Freunde schon gefunden und treffen sich nun auch privat.

Buntstifte für Südafrika

Nach meinem Urlaub in Südafrika zeigte ich den Kindern Fotos aus einem Township, in dem viele schwarze Familien in großer Armut leben.

(Anmerk. der Red.: Als Township bezeichnet man die Wohnsiedlungen für die schwarze, die farbige oder die indische Bevölkerung, die nach rassistischen Politikmustern angelegt sind. Viele Townships besitzen die Ausmaße von mittleren und großen Städten – sehr oft ohne eine entsprechende Infrastruktur. In der Zeit von 1948 bis 1994 wurde die Apartheids- (Rassentrennungs-) Politik in Südafrika offzielle Regierungspolitik. Dadurch verschärften sich die Ausgrenzung der schwarzen, farbigen und indischen Bevölkerung und ihre massenhafte Verarmung noch weiter. Das Problem ist in dieseer Zeit so riesig angewachsen, dass auch nach dem Ende der Apartheidspolitik 1994 die Menschen noch in vielen Townships in hoffnungsloser Armut leben müssen.)

Ich hatte im Township das kleine Projekt von Gloria Mbalis. Sie betreut und fördert eine kleine Kindergruppe, ähnlich unseren Kindergärten. Dies geschieht allerdings in starkem Maße, um die kleinen Mädchen vor einer HIV-Infektion zu schützen. Dort herrscht nämlich in vielen Köpfen noch der Aberglaube, durch die Entjungerung eines Mädchens könnte sich ein Aids-Kranker heilen. Diese Details habe ich meinen Kindergartenkindern selbstverständlich vorenthalten.

Jedenfalls konnte ich den Kindern vieles vom dortigen Kindergartenalltag berichten. Ein Lied („Das Buslied“), das wir auf Deutsch singen, singen die Kinder dort auf Englisch. Ich beschrieb den Kindern auch, mit wie wenig Spielsachen die Kinder auskommen müssen.

Wir beschlossen, den Kindern ein Paket mit Stiften, Süßigkeiten, Fotos von uns und selbstgemalten Bildern zu schicken. Die Idee war, von den eigenen Stiften welche abzugeben.

Die Kinder waren sehr engagiert. Jeremy (3;6), zum Beispiel, wurde nachts wach, weckte seine Eltern und sagte aufgeregt: „Ich brauche Stifte für Claudis Kinder in Afrika!“
Hannes (4;2) wurde beim Kinderarzt nochmal für einige Zeit weg geschickt; er zerrte seine Mutter in den unter der Praxis liegenden Laden und bestand darauf, ein Paket Buntstifte „für unseren Kindergarten in Afrika“ zu kaufen.

Im Kindergarten entwarfen wir ein Poster mit den Fotos aus Afrika und hängten es in unsere Gruppe.
Wir schrieben einen Brief mit folgenden Fragen an Gloria:
– Bekommt ihr auch Sonnenbrand?
– Müsst ihr auch immer einen Sonnenhut tragen?
– Wie feiert ihr die Einschulung?
– Habt ihr Geschwisterpaare in der Gruppe?
– Wie feiert ihr Geburtstag?

Leider haben wir noch keine Antwort bekommen. Auch antwortet Gloria nicht mehr auf meine E-Mails. Ich hoffe, dass sie von den Unruhen, die zur Zeit in vielen Townships herrschen, verschont werden und „nur“ keinen Strom haben.

Die Weltkarte und der Globus sind jedenfalls in unserer Gruppe nicht mehr weg zu denken.

Später haben wir erfahren, dass das ganze Viertel abgebrannt ist; das Paket kam nach drei Monaten zurück, und wir bekamen keinen Kontakt mehr.

 

Datum der Veröffentlichung: April 2018
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

Alena, 4;1 Jahre

von Claudia Flaig

 

Alena kam mit 2;6 Jahren in unsere Kita. Schon an ihrem ersten Kitatag schickte sie ihren Papa direkt nach Hause. (Der in der Nacht arbeitende Vater betreut sie tagsüber, während die Mutter tagsüber vollzeit arbeitet.)
Alena zeigte ein sehr gutes Sprachverhalten und war auffallend interessiert, hatte Betreuer und Kinder sowie deren Tätigkeiten umfassend im Blick. Da sie recht groß war, wirkte sie älter als zweieinhalb.

Von Anfang an fiel uns bei ihr eine gewisse Traurigkeit, ein In-sich-gekehrt-sein auf. Ein lautes, kindliches oder albernes Lachen etwa war bei ihr äußerst selten – und wenn es dann doch einmal dazu kam, machten wir uns gegenseitig erfreut darauf aufmerksam.
In ihrer ersten Kitawoche versuchte sie zweimal vom öffentlichen Spielplatz aus wegzulaufen. Darauf angesprochen, erzählten die Eltern, dass Alena regelmäßig versucht, „nach getaner Arbeit“ Spielplätze schnellstmöglich und gerne allein zu verlassen.

(Anmerkung der Kursleitung:
Ein starker Drang zur Selbstständigkeit ist hier schon erkennbar!)

…kurz gefasst…

Diese Erstbeobachtung bindet neben einigen situativen Beobachtungen auch mehrere Fragebögen ein. Zwei der Fragebögen werden im Dialog zwischen Kind und Erzieherin ausgefüllt. Dabei zeigt sich, dass die Vierjährige damit schon sehr gut umgehen kann.
Die Ergebnisse werden in einem Elterngespräch durchgesprochen.

In ihrem jungen Alter zeigte Alena schon ein ausgeprägtes Sozialverhalten und einen hohen Gerechtigkeitssinn. Das Gruppengeschehen immer im Überblick, schlichtete sie Streit, hob das Spielzeug der Babies auf (zu dieser Zeit arbeiteten wir mit zwei Erzieherinnen und einer Kinderpflegerin in einer altersgemischten Gruppen mit 12 Kindern von 0;8 bis 5 Jahren). Sie half Kindern beim Anziehen, stand jedem Betreuer zur Seite.

Später dann, nach dem 3. Geburtstag, vertiefte sich das positive Sozialverhalten weiter: Alena kommentierte nun das gesamte Gruppengeschehen und steht seitdem in ständigem Kontakt zu uns Erziehern, was uns leider immer wieder nervt. Wir akzeptieren ihr hohes Mitteilungsbedürfnis, zeigen uns aber zugegebenermaßen manchmal auch ungeduldig. Das kommentiert sie wortlos mit dem typischen „Alena-Blick“, der uns sagen soll: „Ich denke, Du hast uns diese Regel erklärt. Sie wird hier verletzt, ich berichte davon und Du weist mich ab?!“

Bei Beschäftigungsangeboten jeder Art fühlt sich Alena stets angesprochen. Sie möchte zu gerne immer mitmachen und ist dann aufmerksam und konzentriert bei der Sache, ruhig, oftmals in sich gekehrt. Dabei scheint ihre Aufmerksamkeit unermüdlich. Bei ihrer schnellen Auffassungsgabe ist das Umsetzen von Aufgaben gar kein Problem.

Schon diese allgemeinen Beobachtungen aus Alenas erstem Kitajahr, haben bei mir zu dem Gedanken geführt, dass sie möglicherweise ein weit überdurchschnittlich begabtes Kind sein könnte.

Alena begeistert mit vielen Spielideen

Kurz nach ihrem 4. Geburtstag (mit 4;1 Jahren) beginnt eine intensivere Beobachtung bei den acht älteren Kindern der Gruppe, wobei Alena rasch eine führende Rolle übernimmt.

Meine Kollegin Kathrin leitet in der Turnhalle die Beschäftigung mit einer Menge großer Eierkartons („Bretter“ für jeweils 30 Eier) – ich beobachte dabei Alena gezielt und mache vor allem über sie Notizen.
Was soll nun mit dem ungewöhnlichen Spielmaterial geschehen?

Alena hat sofort viele Ideen, die sie laut und deutlich verkündet, wonach die anderen Kinder aktiv mitmachen:
– Schlittschuh laufen,
– Elefantenohren,
– Kartons zunächst in Bauch- und dann in Rückenlage auf den Füßen balancieren,
– Kartons zwischen die Beine klemmen und
– im Partnerspiel die Kartons zwischen Popos und Rücken klemmen.

Dann leitet meine Kollegin einen Stopptanz an: Wenn die Musik stoppt, sucht sich jedes Kind einen Karton und setzt sich darauf. Alena entwickelt eine neue Spielidee: „Guck mal Kathi, ich baue mir ein Bett“ und sie nimmt einen Karton für den Kopf und einen für die Füße. Alle Kinder bauen es ihr nach. „Wir können auch eine Straße machen, Kathi.“ Alle Kinder helfen ihr sofort. Alena genießt ihre Rolle sehr und sagt manches Mal, wohin die Kartons gelegt werden sollen.

Zum Abschluss wird noch „Feuer, Wasser, Erde“ und „Möhren ziehen“ gespielt, Beides sehr beliebt. Auch Alena macht mit großer Freude mit. „Wann gehen wir wieder turnen, Kathi?“ fragt sie beim Anziehen.

(Anmerkung der Kursleitung:
Könnte Alena ein Turnangebot für vier Dreijährige organisieren und durchführen? Traust Du ihr das zu?)
Die Autorin nahm diese Anregung auf: siehe: Alena leitet eine Turngruppe.

Sprachtest Delfin

Der Delfin-Test zur „Diagnostik, Elternarbeit und Förderung der Sprachkompetenz Vierjähriger“ war damals in Nordrhein-Westfalen vorgeschrieben und ich nahm an einer Schulung dazu teil.

Meine Meinung dazu:
Die Testsituation überfordert die meisten Kinder und lässt ein realistisches Testergebnis bei gehemmten Kindern nicht zu. Gerade diese Problematik veranlasst mich, diesen Test als Beobachtung zu dokumentieren.
(Anmerkung der Handbuch-Redaktion: Der Sprachtest war unter Fachleuten stark umstritten und wurde 2015 in NRW wieder abgeschafft.)

Bei unserem Test nahmen vier Kinder teil, darunter Alena mit 4;1. Die anderen sind: Mariana (4;4), Frederik (4;1) und Amar (3;10). Da Alena ein auffallend gutes Sprachverhalten hat, wird sie von mir als erster Spieler (Delfin)  eingesetzt. Sie liebt unbekannte Herausforderungen, und so hoffe ich, dass die anderen Kinder durch sie motiviert werden, leichter einzusteigen.

Während des Tests sitzt eine den Kindern unbekannte Lehrerin am Nebentisch. Nachdem sie keine Anstalten macht sich vorzustellen, geschweige denn zu lächeln, stelle ich sie den Kindern vor. Am Vortag habe ich das Spiel mit nicht an dem Test teilnehmenden Kindern im Büro gespielt. Seitdem hat mich Alena fünfmal gefragt, wann sie denn nun endlich das neue Spiel spielen dürfe. Sie ist nun absolut in freudiger Erwartung, sie strahlt mit großen Augen und knabbert an den Fingernägeln.

Die ersten fünf Aufgaben (mit einer Spielfigur bestimmte Bildinhalte markieren) werden von Alena schnell und korrekt erledigt. Gespannt nimmt sie am Geschehen der anderen Kinder teil, die andere Aufgaben bekommen. Für mich überraschend mischt sie sich aber nicht ein und redet nicht einmal für andere Kinder.

Die nächste Aufgabe ist das Nachsprechen bedeutungsloser Kunstwörter, was Alena fehlerfrei gelingt. Gleichermaßen ohne Fehler spricht sie sinnvolle und „Quatsch-Sätze“ (so wörtlich im Test-Text!) nach und ist dabei konzentriert und voller Elan.
Bei der nachfolgenden Aufforderung, zu erzählen, was alles auf einem Zoo-Bild zu sehen ist, spricht Alena flüssig, mit dem Höhepunkt beginnend, in komplexen Satzstellungen über alle abgebildeten Begebenheiten. Auf die abschließende Frage nach ihren Lieblingstieren („Affen, weil die nämlich so lustig sind…“) ist sie kaum zu bremsen. Die Lehrerin gibt mir ein Zeichen, dass es reicht, da sie mit ihren Notizen nicht nachkommt.

Die anderen drei Kinder kommen mit den Testbedingungen nur schwer zurecht, wie es zu erwarten war. Mariana verweigert ein Großteil der Aufgaben, vermutlich weil sie die künstliche Situation sehr befremdlich findet: eine fremde Lehrerin, die vertraute Erzieherin, die – gemäß den detaillierten Verhaltens-Vorgaben – jede Aufgabe nur einmal erklärt, keine aufmunternde Motivation bietet und ohne Erklärung im Stoff weitergeht.
Amar, ein Junge mit Migrationshintergrund, hat erwartbar die allergrößten Probleme und Frederik „besteht“ zwar den Test, ist aber wegen seiner Vorerfahrungen aus logopädischer Betreuung sehr aufgeregt.

Ein Arbeitsblatt bringt Phantasie zum Blühen

Kurz darauf beschäftigen sich Alena (jetzt 4;2) und zwei andere Mädchen (Jenni, 5 Jahre, und Mariana, 4 Jahre alt) in meiner Anwesenheit mit einem Arbeitsblatt: darauf sind als Strichzeichnung zwei Häuserreihen zu sehen, die meisten Dächer sind nur gepunktet skizziert und zumeist fehlen auch die Schornsteine. Zunächst erkläre ich nichts.
Alena sagt sofort: „Das Dach hier (sie zeigt auf das erste Haus) hat einen Schornstein, die anderen nicht.“ Und sie malt in der unteren Häuserreihe die Schornsteine.

Nun gebe ich die Anweisung, dass die Kinder bei den Häusern, die noch keine Dächer haben (die nur mit Punkten markiert sind), diese bitte dazu malen sollen. Alena fängt in der unteren Reihe an auszumalen. Dann malt sie einige Dächer nach. „Wie schreiben ist das, oder?“, sagt sie. „Hier habe ich daneben gemalt“, zeigt sie auf die Stelle.
„Jetzt könnt ihr die Schornsteine malen“, sage ich zu den Kindern und Alena malt sie nun auch in der oberen Häuserreihe dazu und bewertet ihr Ergebnis: „Es ist mir hier ein bisschen daneben gegangen. Ich male hier (sie deutet auf das letzte Haus der oberen Reihe) ein Fenster rein, dann kann man da auch raus gucken. Da sind Gardinen dran, die werden immer zugemacht.“

Dann sagt sie zu mir: „Claudi, das Haus wollen die Leute nicht angemalt haben.“ – „Warum nicht?“ – „Die Leute sagen: Nein, das wollen wir nicht; das finden wir hässlich. Die wollen ein weißes Haus. Das Blatt kommt in die Schulmappe, oder? Darf ich eine Sonne malen? Der Stift ist kaputt gegangen, den kann man aber neu anspitzen.“

Jenni sagt, sie werde einen Mond malen; der sei blau. Darauf Alena: „Der Mond ist aber gelb!“- Jenni: „Ich male einen runden Mond.“ – Alena: „Das ist dann ein Vollmond. Dann musst Du alles ausmalen.“

Immer wieder kratzt sich Alena am Kopf: Sie schreibt „MAPA“ und „APA“. Sie zeigt auf das A. Der Querstrich ragt über die Seitenlinien hinaus. „Das ist ein bisschen falsch, oder?“ Ich beruhige sie, dass jeder, der lesen kann, diesen Buchstaben erkennt. „Ich bin fertig, Claudi. Darf ich das Blatt in die Mappe tun?“ Strahlend locht sie das Blatt und heftet es ein.

Beobachtungen beim Freispiel auf dem Spielplatz

Wir wollen zu einem öffentlichen Spielplatz. Die Gruppe zieht sich in der Garderobe Schuhe und Jacken an. Lina (2 Jahre alt) geht mit dem Puppen-Buggy unerlaubterweise zurück in den Gruppenraum. Alena (immer noch 4;2) zieht sich gerade am anderen Ende des Flurs ihre Jacke an. Sie läuft hinter der Zweijährigen her und ruft: „Lina, Lina, komm her! Ich ziehe Dich an. Wir gehen zum Spielplatz. Du darfst nicht zurück in die Gruppe, und der Buggy muss hier bleiben.“

Auf dem Spielplatz erklimmt Alena sofort das Klettergerüst: „Claudi, Claudi, guck mal!“ Eine Frau geht am Rande des Spielplatzes mit einem Kinderwagen vorbei. Alena läuft zu ihr und ruft: „Frau Meister, wohin gehst Du?“ – „Nach Hause.“
Alena hüpft in den Sandkasten. „Claudi, guck mal, der Sand ist weich. Ich habe Stöcke gesammelt. Und eine Freundin von meiner Mutter ist hier gerade vorbei gegangen.“

Alena spielt weiter im Sand, zehn Meter entfernt weint der zweijährige Justus. Alena hält inne und guckt. „Der hat sich nur gezankt. Er hat sich nicht weh getan. Das muss er ja lernen.“

Alena geht zu Jenni und ruft mir zu: „Claudi, wir haben hier einen Stift. Jenni malt damit.“
Sie zeigt auf dünne von Jenni gesammelte Stöcke.
Dann fragt sie: „Claudi, wo ist Frederik eigentlich?“ Ich antworte, dass er bei der Logopädin ist. Alena: „Warum?“ – „Er übt dort sprechen.“ – Darauf Alena sofort: „Ich kann sprechen.“

(Anmerkung der Kursleitung:
Dieses gute Selbstbewusstsein muss erhalten bleiben.)

Alena nimmt einen dicken Stock und bohrt damit kreisrund im Sand: „Steuer, Steuer, Steuer.“ (Steuerknüppel) Dann fällt ihr auf: „Ich muss mir mal den Sand aus dem Schuh raus holen. Aber das mache ich erst, wenn wir gehen.“

Jenni hat unterdessen einen quaderförmigen Holzblock mit weichem, trockenen Sand berieselt und malt nun mit einem Stock als Stift darauf. Alena: „Das geht ja nicht. Da kann man nicht richtig drauf schreiben.“ Sie schaut den Holzklotz sehr interessiert an. „Komm, wir machen Kuchen!“ Sie baut einen Berg und steckt Stöcke in den Sandkuchen. Alena lacht: „Guck mal, Claudi. Das sind Kerzen. Ich hole noch Blumen.“ Jenni und Alena halten die ganze Zeit wortlosen Blickkontakt. Alena holt Gänseblümchen von der Wiese und hält sie Jenni wortlos hin. Jenni, die sonst auch sehr viel redet, reicht ihr wortlos den begehrten Holzblock. Sehr sozial, wie ich finde. Alena strahlt, spielt einen Moment mit dem Klotz, dann geht sie zurück zum Klettergerüst.

Zwischenbilanz der Beobachtungen

Während dieser intensiven Beobachtungen kam tief vergrabenes Wissen aus der Ausbildungszeit im Fach Psychologie wieder an meine geistige Oberfläche.
Obwohl die Beobachtungen eigentlich keine neuen Erkenntnisse über Alena brachten, hat es mich doch sehr erstaunt, wie konkret die bis dahin nur angenommenen Thesen (über frühe Hochbegabung) bewiesen werden können.
Das merkte ich vor allem dann, wenn ich mit meinen Kolleginnen über die Beschäftigungen mit Alena sprach. Sehr positiv finde ich, dass dadurch Hochbegabung in unserer Gruppe und in der ganzen Kita ein Thema geworden ist und die Kolleginnen dafür sensibilisiert wurden. Ich nehme mir auf jeden Fall vor, Alena immer wieder anspruchsvolle und auch lang dauernde Beschäftigungen anzubieten und ihren Umgang damit zu protokollieren.

Erkenntnisgewinne durch Fragebögen

Um die bereits gewonnenen Erkenntnisse über Alena weiter zu vertiefen, bin ich gemeinsam mit Alena (im Alter zwischen 4;2 und 4;7 Jahren) verschiedene Fragebögen durchgegangen oder habe entsprechend formalisierte Interviews geführt. Dies sind im einzelnen:
– der Gelsenkirchener Entwicklungsbegleiter
– der IHVO-Fragebogen zur Selbsteinschätzung des Kindes, wie es die Kommunikation in der Kitagruppe erlebt,
– der Interessen-Fragebogen für den Kindergarten.

Zur Vorbereitung auf ein auswertendes Gespräch haben Alenas Eltern zudem den
– IHVO-Elternfragebogen für 4- bis 6-jährige Kinder im Kindergarten ausgefüllt.

Noch eine wichtige Vorbemerkung.
In der Zeit dieser Erhebung findet in der Kita eine großangelegte Umstrukturierung statt, die bei den Erzieherinnen und den Kindern sowie bei den Eltern zu großer Unruhe führt:
– das Konzept der altersgemischten Gruppe wird teilweise aufgegeben,
– mit zahlreichen Kindern einer geschlossenen Einrichtung wird eine neue Gruppe gebildet,
– die Leitung der Gesamteinrichtung wechselt.
In Alenas Gruppe ändert sich allerdings wenig, sodass auch die Kontinuität der Beobachtungen gewahrt werden kann.

Die Auswertung des IHVO-Kommunikations-Fragebogens ergibt, dass Alenas Selbsteinschätzungen in etwa mit meinen Erkenntnissen übereinstimmen.

Alena benennt erwartungsgemäß Jenni als besonders beliebte Spielpartnerin und sieht sich in einem guten Kontakt zu den Jüngeren in der Gruppe. Alena hört aber auch Mariana gerne zu, die ein cleveres, fantasievolles Kind und sicherlich eine interessante Spielpartnerin ist.
Obwohl Alena viele gute Spielideen einfallen, hat sie das Gefühl, diese nicht immer in die Gruppe einbringen zu können. Das könnte an ihrer bestimmenden Art liegen.
Antipathien benennt sie zu zwei Jungen, Amar und Jeremy. Dennoch hat sie Amar in ihre Turngruppe gewählt, „damit er manches besser lernt“, wie Alena sagt. Hier wird ihr starkes Sozialverhalten sichtbar. Über einen anderen Jungen, Frederik, hebt sie positiv hervor, dass man von ihm etwas über Fußball erfahren kann.

Den Interessenfragebogen beantwortet Alena interessiert und zügig. Am längsten (6 Sekunden!) überlegt sie bei der Frage, was ihr am Kindergarten nicht gefällt, und dann kommt dies: „Die großen Kinder passen nicht gut auf die Babies auf, weil den Babies was passieren kann.“

Wie schon in dem IHVO-Fragebogen, benennt sie erneut Jenni und Mariana als liebste Spielpartner, zusätzlich nennt sie – sogar an erster Stelle – Frederik.
Auf die Frage, was sie „gern noch ein bisschen besser können“ würde, betont Alena: „Ich möchte gerne können, dass ich schreiben kann.“

Auf eine weitere Frage, was sie gerne lernen möchte, antwortet Alena: „Flugzeug selber fahren, ein Riesenrad selber drehen.“ Auf meine Rückfrage zum Riesenrad erklärt sie, dass sie lernen möchte, die Technik in Gang zu setzen und zu verstehen, was dort passiert.

Als schwierig (aber wohl durchaus positiv) empfindet sie für sich, „wenn ich mir Sachen alleine angucken muss – zum Beispiel neue Spiele, die ich den Kindern dann erkläre.“
Und was nervt sie häufig? „Wenn die Kinder nicht auf mich hören, zum Beispiel wenn ich ihnen sage, dass sie leise sein müssen. Die müssen das lernen, aber die verstehen das nicht. Die Kinder nehmen auch oft etwas weg, was anderen gehört – und dann nehmen sie das mit nach Hause oder zur Oma.“
Diese Befürchtung hegt sie auch für ihr Lieblingsspielzeug, einen Stoff-Affen: „Er liegt auf dem Puppenschrank. Ich habe Angst ihn hier zu verlieren. Er ist so schön.“

Nach ihrem Lieblingsbuch befragt, nennt sie: „Cinderella. Meine Mutter liest mir das gerne vor – mein Papa nicht, weil das nur für Frauen ist.“
Eine komplexe Antwort gibt Alena auf diese Frage: „Du triffst eine alte Frau, die alles über die Welt und das Leben weiß. Was würdest Du sie fragen? Was auch noch?“ –
„Ich würde nichts fragen, weil meine Mama sagt, dass fremde Frauen Hunde klauen. – Ich würde sie fragen, wie man ein Auto steuert oder eine Rakete.“

Erstaunt hat mich, dass sie zwei Antworten mit dem Satz abschließt: „Und fertig!“ Offenbar ist Alena damit zu keinen weiteren Aussagen bereit.

Nachdem sie zunächst „Malen“ als eine Lieblingsbeschäftigung angibt, erläutert sie später auf die Frage, worauf sie „richtig stolz“ sei, unvermittelt: „Ich male nur noch Krickelkrakel, weil: wenn ich schön male und da geht was daneben, dann ärgere ich mich. Weil ich dann nicht das male, was ich will. Ich kann es dann nicht.“
Das zeigt mir die hohen Anforderungen Alenas an sich selbst. Unbedingt ist nun darauf zu achten, Überforderung zu vermeiden. Wir müssen Alena lernen lassen, ihre Ideen in feinmotorischer Gestaltung geduldig umzusetzen und auch Nicht-Perfektes zuzulassen.

(Siehe auch den Beitrag: Zeichenkurs mit Linda)

Ihre soziale Verantwortung geht ihr über das eigene Interesse, einen Hubschrauber selber zu fliegen. Das zeigt ihre Antwort auf die Frage nach einem möglichen Berufswunsch. O-Ton Alena: „Notärztin – Krankenwagen und Hubschrauber fahren, um Menschen zu retten.“

Auf einer abschließenden Liste von insgesamt 17 Angeboten (von Theaterspielen über Lesen, Computer, Schreiben und Rechnen bis zum Lösen von Rätseln) kreuzt Alena ohne zu zögern alles als besonders interessant an – das zeigt sich auch im Kindergartenalltag.

(Anmerkung der Kursleitung:
Erstaunlich, dass sie alles gerne macht. Solche Blätter bekommen wir selten zu sehen.)

Die vielfältigen Interessen und Fähigkeiten Alenas, die oft erst in höherem Alter erwartet werden, spiegeln sich auch im Gelsenkirchener Entwicklungsbogen, den ich mit ihr im Alter von 4;6 durchgegangen bin. Hier konnte ich für sie 26 von 28 Items der Altersgruppe 5 bis 5;6 ankreuzen. Im Altersbereich „5;6 bis Einschulung“ erreicht die Viereinhalbjährige immerhin 40 von 54 Anforderungen, davon jeweils sämtliche in den Sachbereichen „Sprache“, „Kognitive Entwicklung“ und „Soziale Kompetenz“. Lediglich in den Bereichen „Feinmotorik“ und „Grobmotorik“ erreicht sie „nur“ das Niveau der Altersgruppe 5 bis 5;6 Jahre.

Das Elterngespräch

Aus Termingründen schaffen wir es erst beim dritten Anlauf, das Elterngespräch über unsere gesammelten Beobachtungen zu führen. Alena ist inzwischen 4;7 Jahre alt.

Bei meinem Eintreffen zeigen sich die Eltern verlegen, da sie noch mit dem Ausfüllen des Elternfragebogens beschäftigt sind. Ich zeige Verständnis und sage, dass es kein Problem sei, manche Fragen nicht zu beantworten – wir können ja nun in Ruhe darüber sprechen. Sie sind erleichtert und ich schlage vor, mit dem Gespräch über den (Gelsenkirchener) Entwicklungsbogen zu beginnen. Damit möchte ich ihnen Selbstsicherheit geben, denn darüber haben wir bereits vor einem halben Jahr geführt – über unsere damaligen Erkenntnisse.

Der Entwicklungsbogen zeigt nur noch einige wenige Anforderungen, die einzuschulende Kinder erfüllen sollen – wobei Alena ja noch viel jünger ist. Die noch zu erwerbenden Fähigkeiten finden sich für Alena ausschließlich im fein- und grobmotorischen Bereich, was ich altersentsprechend finde.

Vorzeitige Einschulung?

Nach Alenas bisheriger Entwicklung gehe ich davon aus, dass sie bis zum fünften Geburtstag alle Anforderungen erfüllen wird. Damit kann Alena für das kommende Schuljahr als schulreif bezeichnet werden. Sofort sagen die Eltern, dass sie sich seit einigen Wochen mit diesem Gedanken beschäftigen. Die Grundschule liegt ihrem Haus gegenüber. Alena sieht jeden Morgen sehnsüchtig aus dem Fenster und sagt, dass sie jetzt gerne in die Schule gehen möchte.

Alenas Interesse an Zahlen, an Buchstaben, an Fragen aus Natur- und Sachgebieten und ihre Suche nach älteren Kindern haben uns im Verlauf des Gesprächs dazu gebracht, dass Alena für das nächste Jahr in der Grundschule angemeldet werden soll (dann ist sie 5;5). Im Kindergarten wollen wir sie deshalb nun am Vorschulprogramm „Schlaufüchse“ teilnehmen lassen.

Die Entscheidung, sie vorzeitig einschulen zu lassen, wird jedoch erst vor den Sommerferien, nach Probeunterricht in der Grundschule in Zusammenarbeit mit Alena gefällt. Sollte sie dann nicht mehr vorzeitig in die Schule wollen, würde die Entscheidung natürlich gegen die Einschulung fallen.

Nun sehen wir uns den Kommunikations-Fragebogen an. Unser gemeinsames Fazit: Alena orientiert sich an Jenni und Mariana, den ältesten Kindern der Gruppe. Zugleich übernimmt sie gerne die Verantwortung für jüngere Kinder und kann leider nur von den Erwachsenen etwas lernen.

Schlussfolgerungen aus dem Interessenfragebogen

Das Gespräch mit den Eltern über den Interessen-Fragebogen für den Kindergarten bringt eine Reihe neuer Einsichten.
Positiv überrascht sind die Eltern von Alenas Wortwahl. Erstaunt sind sie über Alenas Bericht von ihrem Spielzeug-Affen, der immer auf dem Puppenschrank liegt. Sie kennen ihn zwar, wissen aber bisher nicht, wie gut behütet und beobachtet er dort liegt.

Alenas Schilderung, dass der Vater sich weigert, Cinderella vorzulesen, bringt uns alle zum Lachen. Der Vater bestätigt, dass er sich weigere, die Geschichte vorzulesen – er hasse sie.

Warnung vor Perfektionismus

Zu Alenas Erklärung, dass sie nur noch „Krickelkrakel“ macht, weil sie (vermeintlich) nicht gut genug malen könne, sagt die Mutter, sie selbst sei sehr perfektionistisch und verlange das auch von Alena. Sie male sogar Alenas Mandalas nach!
Glücklicherweise zeigt sie sich darüber selbst befangen. So fällt es mir leicht, sie davon zu überzeugen, dass diese Verhaltensweise sehr viel Schaden anrichten kann. Ich schlage ihr vor, Alena demnächst beim Malen offen zu sagen, dass sie für ihr Alter echt toll malen und ausmalen kann. Auch Eltern können Fehler eingestehen. Und Kinder dürfen nicht unterschätzt werden, als könnten sie Verhaltenskorrekturen der Eltern nicht verstehen.

Beide Eltern sagen von sich aus, sie sähen jetzt auch, dass sie Alena viel zu selten loben. Darin könne auch die Ursache für Alenas oft hektische und unkonzentrierte Arbeitsweise liegen. Sie wollen ihr von nun an mehr Mut geben, Fehler zu machen. Wie könnte das besser gehen, als wenn sie dies Alena vorleben.

Die Eltern bestätigen viele Erkenntnisse aus der Kita

Beim gemeinsamen Durchsehen des mittlerweile zum Teil ausgefüllten Elternfragebogens zeigen sich in allen Bereichen Übereinstimmungen mit den von uns erhobenen Fragebögen.

Die Eltern bestätigen unsere Beobachtungen über Alenas besonders ausgeprägte Selbstständigkeit und ihren großen Wortschatz. Auch sie beobachten, dass Alena am liebsten mit deutlich älteren Kindern spielt, sich lange (“ca. 1 Stunde“) auf Beschäftigungen wie Malen und Bücher anschauen konzentrieren kann. Ebenfalls sehen sie ihr Interesse für Zahlen und Buchstaben, am Lesen- und Schreiben-Lernen. Sie wissen auch, dass Alena „am liebsten jetzt schon die Schule gehen möchte“.

Insbesondere heben auch die Eltern die Stärke Alenas im Umgang mit anderen Menschen hervor. Als Stärken ihrer Tochter nennen sie „verständnisvoll, einfühlsam“. Dazu berichte ich den Eltern ausführlich über Alenas Turngruppe.

In diesem Zusammenhang sprechen wir erneut über Alenas Selbstvertrauen. Bei Dingen, die sie beherrscht, hat sie natürlicherweise Selbstvertrauen. Sie zeigt sich auch stets aufgeschlossen, Neues zu lernen. Klappt das jedoch nicht auf Anhieb, wird sie nervös und verliert ihr Selbstvertrauen.

Die Frage, ob Alena sich ein Kita-Kind als Freund/in wünscht, lassen die Eltern im Fragebogen offen. Sie sagen, dass sie schon länger überlegen, wer da in Frage kommen würde. Sie haben den Eindruck, dass Alena eine/n Freund/in sucht, denn sie habe sich zuhause beschwert, dass sie die großen Kinder aus der neu hinzu gekommenen Gruppe immer noch nicht kenne. Hier sehen wir eine Schwachstelle unserer Arbeit: Alle Kinder dürfen jederzeit nach Absprache in die andere Gruppe gehen, sie tun es aber nicht, Hier müssen wir dringend aufarbeiten.

(Anmerkung der Kursleitung:
Gut, dass diese selbstkritische Einschätzung schon wenige Wochen nach der oben erwähnten Umstrukturierung der Kita erfolgte – mit Alenas Unterstützung!)

Auf die Fragebogen-Frage „Worüber lacht ihr Kind gern?“ wissen die Eltern keine Antwort, was sie betroffen macht. Wir finden aber schnell heraus, dass Alena eher der Typ ist, der lächelt. Ich versuche den Eltern zu erklären, dass nicht jeder Mensch, der nicht laut und herzhaft lacht, gleich ein unglücklicher Mensch ist. Alena ist ernsthaft, aber nicht unglücklich, wenn auch ein wenig melancholisch.

Ich frage dann, wie sich Alena momentan zuhause im allgemeinen verhält, denn mir kommt sie derzeit ein wenig gestresst vor. Die Eltern sind vom Umzug, Renovieren und der Eröffnung ihres Cafés in der Tat ziemlich fertig. Alena bemuttert ihre Eltern, sie schätzt die Situation anscheinend völlig richtig ein. Sie schickt ihre Eltern auf die Couch zum Ausruhen, macht ihnen Salat und räumt auf – zum Glück alles nicht perfekt…

(Anmerkung der Kursleitung:
Ein kluges, liebes Kind – das aber dringend etwas begeisterndes Eigenes braucht!)

Wir sind uns einig, dass Alena dringend eigene Bedürfnisse finden sollte, um dann ihren Interessengebieten nachgehen zu können. Ich frage nach eventuellen musikalischen Interessen – und siehe da: Alena will schon lange Geige lernen – wahrscheinlich meint sie jedoch Cello. Die Mutter will sich in der Musikschule nach entsprechenden Möglichkeiten erkundigen. Außerdem weise ich auf die Aktivitäten eines örtlichen Vereins für Eltern hoch begabter Kinder und auf die Internetadresse des IHVO hin.

Zum Abschluss des fast dreistündigen Gesprächs einigen wir uns auf ein Gesprächsprotokoll und ich gebe den Eltern noch Informationsmaterial über Hochbegabung und vorzeitige Einschulung mit.

 

Sie können Alenas Förderung, soweit sie in den Handbuch-Beiträgen dokumentiert ist, chronologisch über knapp zwei Jahre weiter verfolgen:

Alena (4;6) leitet eine kleine Turngruppe

Die tote Mutter von Pompeji und Buntstifte für Südafrika

Elektrogeräte demontieren

Alena (5) lernt Buchstaben – wann soll sie in die Schule?

Alena (5;2) lernt das Schattenspiel kennen

Alena und eine Kerngruppe werden Experten der Lernwerkstatt

 

Datum der Veröffentlichung: April 2018
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

Frühe Sprachentwicklung eines hoch begabten Mädchens

 

Diese Aufzeichnungen einer Mutter stammen von einem Mädchen, das später als hoch begabt getestet wurde. Danke für die Überlassung zur Veröffentlichung!
Hanna Vock

Was ist den Aufzeichnungen zu entnehmen? Die Sprache kam nicht auffallend früh zum Vorschein; dann aber entwickelte sie sich rasant: Von den allerersten nachgesprochenen Worten (Mama, Papa, da) dauerte es bis zu grammatikalisch richtigen Satzgefügen keine 12 Monate. Ein so rascher Entwicklungsverlauf deutet auf eine besondere Sprachbegabung hin; in diesem Fall ist aber auch zu erkennen, dass die kognitive Entwicklung insgesamt beschleunigt ist.
Das ist zum Beispiel zu sehen an dem frühen sinnvollen Gebrauch der Worte „ich“ und „nein“.

1. Vorsprachliche Äußerungen, Übergang zur Wortbildung

Nina (1;3) kann sehr hartnäckig sein, wenn sie sich mit der älteren Schwester um irgendeinen Gegenstand streitet. Sie zetert dann mordsmäßig los, ist sich aber wohl ihrer Unterlegenheit bewusst.
Sie spricht noch nichts außer „Mama“, „Papa“, „da“ – und auch das nur gelegentlich. Sie hat aber großen Spaß daran, alle möglichen Singsänge nachzumachen. Es scheint so, als ob sie das Sprechen mit der „Ganzsatzmethode“ erlernt; sie interessiert sich für den Gesamtklang und die Satzmelodie stärker als für die exakte Wiedergabe einzelner Wörter.
Sie drückt ihre Wünsche sehr energisch lautlich aus, z.B. mit so Ausdrücken wie: „ha hiii!“ (=das will ich haben).

2. Nachsprechen von Worten

(1;4) Sie versucht zum 1. Mal, Worte nachzusprechen: Sie sieht mit der Mutter ein Bilderbuch an; sie sagt nach mehrmaliger Aufforderung ( =du auch=): „Puppe“ und „Ba“(=Ball).
Sie singt die ersten Takte der Hänschen-klein-Melodie nach.

Sie spricht Worte nach, gebraucht sie aber noch nicht selbstständig, um sich verständlich zu machen.
Z.B.
Tee;
Ba=Ball;
Pappe=Puppe;
aa=alle, alle;
be=dreckig, Abfall;
be und aa gebraucht sie spontan.

3. Übergang zum aktiven Sprachgebrauch

(1;5) Sie gebraucht jetzt von sich aus einige Worte, auch wenn sie allein spielt: „Puppe“ und „Auto“, was aber noch ziemlich verwaschen klingt. Sie spricht noch undeutlich, undifferenziert, z.B. ohne o- und u-Laute.

Sie ruft jetzt lauthals „Mama“ und „Papa“ durch die Wohnung. Zu sich selbst sagt sie manchmal „Ina“. Für die ältere Schwester hat sie noch kein Wort.
Sie sieht sich jetzt gern Bilderbücher an.

Eine Woche später benutzt sie folgende Worte aktiv:
Mama, Papa,
Oma, Opa, Teddy, Puppe,
Bei=Brei, Tee, Eier, Be Be=Dreck,Abfall, Ja, aa=alle,alle, Ball,
Auto, Amm amm=fahrendes (brummendes) Auto,
E [hartes e]= nein,will nicht
ata=rausgehen, baba=schlafen
Mam mam=was zu essen
heiß, tsi= tschüß [mit winke-winke]

(1;6) Sie ist sehr durchsetzungswütig, will alles auch haben, dann erschallt der laute Ruf „Ina!!!“
Sie krabbelt und bellt= spielt Wauwau.

neue Worte:
„da“ und „hier“ [hinweisend], „horch“ [wenn sie mich auf ein Geräusch aufmerksam machen will oder eins erwartet – Kassette!]

1 Woche später: neue Worte:
„Ti“=Tisch,
„Eis“,
„aua“=tut weh,ein Wehweh,
„ab“, „an“,
„Baby“,
„Haus“,
„Appe“=Apfel

4. Rasante Zunahme des Wortschatzes; Sprachliche Verneinung

(1;7) Sie lernt jetzt laufend neue Worte. Aus dem unwilligen Knurren, das ihr lange Zeit als Verneinung und als Ausdruck des Nichtwollens diente, ist jetzt ein „Nee“ mit heftigem Kopfschütteln geworden.

Sie sagt „ich“ im richtigen Zusammenhang, wobei aber unklar bleibt, wieweit sie die Relativität des Wortes wirklich schon begreift.

5. Erste kleine Dialoge werden möglich

(1;7)
-Was macht Papa?- „Baba.“ -Und was macht Sofie? Macht Sofie auch baba?- „Ja.“ -Macht Mama baba?- „Mama, nee.“ [Kopfschütteln]

„Auf!“ (=Aufstehen) -Will Nina aufstehen?- „Ja, auf!“ -Na, dann wollen wir Nina mal anziehen.- „Nee, mam mam.“ (=essen)

Nina baut gerne Türme („Tuar“) aus allem Möglichen. Bilderbücher u.ä. betrachtet sie nur, wenn die Mutter dabei ist und mit ihr drüber spricht.

6. Übergang zu Zwei-Wort-Sätzen

(1;8)
„Poppelbei esse!“ (Ich will Kartoffelbrei essen.)
Ähnliche Zweiwortsätze gebraucht sie jetzt ständig, z.B. „Papa Arbeit“. (= Papa ist weg zur Arbeit)

7. Gebrauch von „ich“ und anderen Pronomen (Fürwörtern)

(1;8)
„Mein Auto“, „mein Nunu“ (Nuckel).
Sie versucht manchmal schon Personalpronomen zu gebrauchen: „ich“, „mich“, „du“.
„Hilf mir“
Wenn die Mutter ruft: -Wer hilft mir?- oder -Wer will noch was?-:antwortet sie: „ich“ oder „ich auch“.
[Mutter zur Schwester:] -Soll ich dir noch was geben?- Nina: „Mir auch“.

8. Übergang zu Dreiwortsätzen

(1;8)
„Mag ich nich“, „bauch ich nich“ (z.B. Nuckel oder Keks)
„Mitpielen“, „mit aufräumen“ sind beliebte Wörter.
„Pift geht nich“ (Stift).

9. Heranwagen an lange Worte mit 3-4 Silben

(1;8)
Himmerhimmer = Kinderzimmer
Popapier = Klopapier

10. Übergang zu vollständigen Sätzen, Vergangenheitsbildung

(1;9)
Sie spricht Sätze wie:
„Ina möchte nich auspucken.“ [Beim Hustenschauer, sie will nicht erbrechen.]
[Im Wartezimmer beim Arzt:] „Das Heft find ich nich gut. Dies Heft find ich gut.“
„Das darf nur Mama haben; Ina darf das nich haben.“

[Beim Breiessen:] „Ein Wauwau auf en Föffel emehmt.“ (= ich habe einen Hund auf den Löffel genommen.)
„Nee, den Brei mag ich nich mehr. Möchte lieber noch eine Nane essen.“
Sie spricht abgehackt, aber mit sehr viel Betonung.

11. Reflektion über das eigene Tun, die eigenen Möglichkeiten

(1;11)
„Nee, so ist das nich richtig, muss ich anders machen.“
„Ich komme da nich dran; Mama, hilf mir.“
„Ich weiß das schon, ich habe die Wäsche hier schon aufehängt.“
„Die Poffeln (Kartoffeln) müssen noch kocht werden. Das darf nur Mama machen.“
„Gib das mir mal, ich helfe dir.“

12. Vollständige, grammatikalisch richtige Sätze und Satzgefüge

(2;2)
Sie hat einen längeren Streit mit dem Tagesmutterkind (2;5) der Mutter, das mit Bezug auf die Tagesmutter immer wieder sagt: „Das ist meine Mama.“
Nach einigem Hin und Her findet Nina folgenden Vorschlag:
„Na gut. Das ist deine Mama, aber meine eigene Mama.“.

Zur Mutter: „Nee, aber ich wollte doch wissen, ob du mich mitnimmst zu Wucherpfennig!“ (Supermarkt)

Siehe auch: Kinder unter 3 Jahren – Ab welchem Alter wird es interessant?
Siehe auch: Beispiele zu Kindern unter 3 Jahren

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2018
Copyright © Hanna Vock

Pias Tagebuch von 1 bis 3

Diese Aufzeichnungen stellte mir eine Mutter zur Veröffentlichung – alle Namen wurden verändert – zur Verfügung.
Herzlichen Dank dafür.
Hanna Vock

1 Jahr

Du plapperst neuerdings nach: mamamama, papapapa, jajajaja, neinneinnein. Du kuschelst dich abends beim Lesen und Singen an mich, das ist sehr schön!

13 Monate

Die letzten Tage waren recht anstrengend mit Dir: du hast mehr und mehr deinen eigenen Kopf, wenn es nicht nach dir geht (und wir wissen gelegentlich nicht genau, was du möchtest) kreischst du schrill und ohrenbetäubend.

Du tust dich sehr schwer mit der Eingewöhnung in die Kita! Du wütest und weinst und schimpfst und schluchzt – sobald ich dich dort ‚allein‘ lasse, bist du außer Rand und Band. Auch die Zeit vor und nach der Kita war oft wirklich schwierig mit dir – du warst sehr weinerlich, oft wütend wegen Kleinigkeiten und wenig entspannt und gelassen, wie ich dich bisher kannte. Ich wünsche mir sehnlichst, dass du dort bald glücklich bist und spielst und lachst!

Pias erstes Mal: Selbst etwas auf die Gabel pieken und essen.
Du hast angefangen, Stühle herumzuschieben und schrittweise hinterherzulaufen – freie Schritte wagst du noch nicht.

Du ordnest die Worte ‚Mama‘ und ‚Papa‘ immer besser zu.
Du zeigst auf dich selbst und wir sollen dann ‚du bist Pia‘ sagen.
Du kannst einen Affen nachmachen ‚uh-uh-uh‘!
Du ‚telefonierst‘ gern mit Scheckkarten oder Duplosteinen.

Du hörst sehr genau zu, wenn wir dir auf den Autofahrten zur/ von der Laube etwas vorsingen.
Du lachst mit, wenn wir über etwas lachen.
Neuste ‚Worte‘, die du benutzen kannst: ‚BA’nane, to’MA’te, ‚Sss‘ steht für Musik.

14 Monate

– du brabbelst ‚Rodtirotdi-odje-naaien-ja-nana‘ in variabler Reihenfolge
– du gehst bis zu 8 bis10 Schritte frei, jeden Tag einige mehr
– du buddelst konzentriert, teils allein vor dich hin, teils mit Aufforderung an uns, mitzuspielen
– du darfst den Lichtknopf drücken und bist total begeistert, was das bewirkt (dein Papa ist ebenfalls begeistert, weil du dich so freust)
– du liebst es, Bauklötze in eine leere 6-Liter-Wasserflasche zu werfen und bist schnell sehr geschickt darin.
– Du fährst gern mit Spielzeugautos herum und machst ‚brrrrr‘ als Geräusch dazu.
– Du beginnst, Duplosteine zusammenzustecken.
– Du sortierst und sammelst Eicheln, füllst sie in den Sandspielzeug-Eimer und leerst sie wieder aus.

Du antwortest auf ‚die Kuh macht‘ MUH, ‚der Affe macht‘ UHUH, ‚das Schwein macht‘ CHRCHR. Wenn ein Krankenwagen vorbei fährt, sagst du TÜTA. Ein Ball heißt BAI. Du streichelst Andere (Mama Papa oder auch andere Kinder) und sagst laut EIIII dazu.

Du liebst An- und Ausziehen: Socken, Schuhe, Hüte, Mützen, Oberteile. Aber auch eine Windel ziehst du dir auf den Kopf oder legst dir Bandnudeln wie einen Schal um den Hals.

15 Monate

Du kannst laufen. Auf einmal ist es wie selbstverständlich und du freust dich sehr, wenn du gelobt wirst für einmal den Flur hinunter tapsen.

– du entwickelt Interesse am Turmbau
– du kannst selbst deine Spieluhr aufziehen
– du sagst ‚Carla‘ (so heisst ein Baby in deiner Kitagruppe), wenn man dich auffordert
– wenn man dich bittet und Glück hat, gibst du einen Kuss
– du hilfst beim Spülmaschine ausräumen oder Wäsche aufhängen
– du sagst ‚MEINE‘ und ‚NEIN‘ zum Beispiel, wenn ich dich auffordere mir deine geliebte Trinkflasche zu geben
– du telefonierst mit mir. Dein Papa beschreibt, dass du sehr aufmerksam zuhörst und ‚Mama‘ Richtung Telefon sagst.
– du liebst es, Photoalben anzusehen. Dabei interessieren dich nur Bilder mit Papa und Mama
– du malst begeistert auf einem riesen Blatt Papier, welches dein Papa von der Arbeit mitgebracht hat
– du sagst ‚Carla‘ als Bezeichnung für Babies, auch für dich selbst, wenn du ein Foto siehst
– du brabbelst und redest zeitweise ohne Punkt und Komma
– du sagst Worte, die klingen nach ‚Schuhe‘ ‚Kita‘ ‚Kette‘ ‚baden‘.
– du wäschst dir begeistert die Hände.
– du kannst dich sehr kontrolliert die Treppe runter bewegen.
– du sagst ‚mei‘ für schmeißen, ‚au‘ für schaukeln, ‚ti‘ für Stirn, ‚tita‘ für Kita, ‚oha‘ für Opa/Oma, ‚alle‘.

16 Monate

Derzeit liebst du es, Bücher anzusehen – oft schleppst du nacheinander 6, 8, 10 Bücher herbei, kletterst neben mich aufs Sofa und blätterst sie konzentriert durch. Du zeigst auf Nachfrage auf Hunde, Bälle, Kühe und kommentierst mit ‚wau, Ball, muh‘. Du hast auch eigene Worte, z.B. der Igel heißt ‚au‘ (weil man sich pieken würde..?), eine Auge ist ebenfalls ‚au‘ und eine Schaukel.. immer noch ‚au‘. Auch kannst du ’nee‘ für Schnee, ‚Beine‘ für Beine, ’see‘ für Musik, ‚ru‘ für Rutsche.

Mehr neue Worte: ‚bea‘ für Bär, Teddy, Tee, ‚ka‘ für Kaffee, ‚pieln‘ für spielen, ‚au‘ für auf, ‚rö‘ für Elefant, ‚ta‘ für tatütata, ‚thaii‘ für Gesundheit, ‚hau‘ für Hause/nach Hause.

Du testest uns, indem du haust (wenn du dich ärgerst oder etwas nicht klappt wie du willst). Wir sind streng und lassen dir da nichts durchgehen, obwohl es natürlich nicht wirklich weh tut. Wir sagen sowas wie ‚Nein Pia, ich möchte nicht, dass du mich haust‘ oder ‚wenn du mich haust, werde ich böse‘ oder ’nicht hauen. Hör auf!‘. Du guckst dann betreten und starr weg und atmest ganz lustig flach- süß! Aber auch anstrengend, manchmal machst du 5 bis10 Minuten kaum etwas anderes, als uns mit Hauen zu provozieren.

Du hantierst derzeit gern mit Schlüsseln, spielst Trommel auf Töpfen und Deckeln oder schraubst Papas Teekanne auf und zu. Du buddelst immer noch gern im Sand, schiebst deinen Kinderwagen oder trittst gegen deinen Ball.

Du kennst deine Körperteile: Nase ’na‘, Auge ‚au‘, Stirn ‚tia‘, Wange, Mund, Zähne, ‚zee‘, Zunge, Kinn, Ohr ‚oa‘, Bauch ‚bau‘, Popo ‚po‘, Arme ‚ahme‘, Hände ‚ha‘, Beine ‚beiii‘, Knie, Füße, Zehen ‚ze‘.

17 Monate

Du sagst, wenn man nach dem Mittagessen fragt ‚was kommt jetzt, Pia?‘ ‚HEIA!‘.
Wir haben dir das Wort ‚bitte‘ beigebracht. Seitdem kann man dir keinen Wunsch abschlagen.
Du bist erstaunlich lustig, machst Späße und Faxen.
Du tobst gern herum, alberst auf dem Sofa, lässt dich auf den Po plumpsen.

Du sprichst mehr und mehr – es kommen Zweiwortsätze wie ‚Tür auf‘- du erinnerst Dinge von gestern.
Du zelebrierst gutes Essen mit lautem ‚mhhhhh‘ und wirfst genießend den Kopf in den Nacken.
Das mit dem Hauen machst du so gut wie gar nicht mehr.

Du sagst ‚Möhre‘- es klingt wie ‚Moche‘ (aus Mochito).
Du bist geduldiger geworden. Wir sagen jetzt vor jedem gemeinsamen Essen ‚guten Appetit‘ und halten uns an den Händen dazu. Du sagst ‚tit‘ und forderst das Händehalten, damit es endlich losgeht mit dem Essen.

20 Monate

Seit einigen Tagen wissen wir, dass ich wieder schwanger bin.

Du bist sehr beflissen, wenn wir dir eine Regel beigebracht haben (z.B. am Bahnhof auf dem Bahnsteig nicht über die durchgezogene Linie zu treten) – du redest dann sogar mit dir selbst „neinnein“ wenn du nah dran bist, die Regel zu brechen.

Du spielst ein einfaches Tierpuzzle sehr gern.
Du sagst jetzt fast immer die Farben richtig: Rot Bau Grün Belb (gelb) Rosa Waaz (schwarz) Braun Silba Gold Weiß.
Du kennst viele Körperteile: Augen Nase Mund Ohren Kinn Stirn Zähne Zunge Haare Hals Schultern Brust Busen Ellenbogen Arm Hand Daumen Finger Bauch Po Beine Füße Zehen.

Deine Lieblingslieder derzeit: Hänsel und Gretel, Es war eine Mutter, Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Aramsamsam.

Du kannst immer besser rennen.
Du sagst „selba machen“ „selba anziehn“.
Du geniesst auf einmal Streicheleinheiten wie Beine kraulen und forderst, sobald man eine Pause macht, „mehrmehrmehr“.
Du bekommst Schraubdeckel (von Cremetube oder Marmeladenglas) auf.

Du lernst im Eiltempo. „Gummistiefel“ „Sonnenblume“ „Badewanne“ kommen fehlerfrei aus deinem Mund. Du kannst Socken anziehen. Dich selbst eincremen. Dir Haare/Bauch/Füße waschen. Auf Aufforderung Duplosteine in eine Kiste aufräumen. Du rufst laut „Tschüß! Danke!“, als wir den Schuhladen verlassen.

22 Monate

Du sagst: „Pia kann das schon selber“ oder „Pia kann das noch nicht“.
Die meisten Nächte schläfst du durch – Ausnahmen kommen vor.
WassermeLONE ist deine Lieblingsspeise.
Es gibt nach wie vor kein Lieblingskuscheltier – nur Schnuller und Wasserflasche sind unverzichtbar.

Extrem witzige Geschichte: Wir sind im Dänemark in einem zauberhaften Haus in den Dünen. Du bist mit dem Buggy gestürzt aufs Knie. Ich biete an zu pusten, darauf du „Pia selber pusten“, bückst dich und pustest dein Knie. Kommentierst dann noch „wieder gut“ und schiebst weiter.
Kurz darauf stößt du dir den Kopf am Terrassentisch. Jonas fragt, ob er pusten solle, du wieder „selber pusten“, pustest einfach so ins nichts und gehst zufrieden weg.

Du begrüßt den Tag auf der Terrasse mit „Hallo Welt!“
Du redest wie verrückt- hast einen riesen Schub gemacht:
– Pia spielt eben noch
– Papa hat kurze Hose an
– Donner! Pia Angst!
– Oh, Fliege! Tut dir nichts!
– Pia tobet
– Pia esset (isst)
– Tschüß Meer! Bis morgen.
– Kleinen Buggy schieben
– Pia möchte lieber nicht Bane essen.
– Paaapa! Komm mal mit!
Du singst Backe Backe Kuchen und Liebe Liebe Sonne. Wenn wir mitsingen, sagst du streng „Pia alleine!“

23 Monate

„Nein, Pia möchte nicht mehr Ba(na)ne essen“.
Du hilfst gern im Garten: gießen, Fröschen beim Hüpfen zusehen, Gehweg mit Kreide bemalen gehören zu deinen Lieblingstätigkeiten.
Du sagst, aus dem Nichts heraus: „Pia hat ein Töpfchen zu Hause in der Mansteinstraße fünf.“

24 Monate

Ich: „Pia, möchtest du ein Ei essen?“
Pia, zu ihrem Papa:
„Mama hat gefragt, ob Pia ein Ei essen möchte.“

2 Jahre 1 Monat

„Oh, mir ist etwas runtergefallen!“
Du hattest neue Sandalen und Socken an, als ich dich bei Oma abholte. Ich dachte im ersten Moment ‚von Oma‘. Also frage ich ‚oh Pia hast du neue Schuhe?‘ und Oma guckt verständnislos – sie hatte dich in der Kita das nämlich auch gefragt und du meintest ‚ja, hat Papa mir am Flughafen gekauft‘ – DAS IST FREI ERFUNDEN GEWESEN!! Haben dich dann nochmal zur Rede gestellt, dann erklärtest du mir ‚die gehören Frieda. Pia will die leihen‘ …jetzt müssen wir eine dicke Entschuldigung liefern morgen.

Im Garten kommentierst du meine Erklärung, dass wir den Hammer von deiner Hammerbank zu Hause vergessen haben, mit: „So isses im Leben!“

Dein Papa und du gucken das ‚Unser Baby‘ (Buch mit Pappklappen) an. Man kann den schwangeren Bauch einer Frau aufklappen und sieht dann das Baby. Dein Kommentar zu Papa: „Mama hat KEINE KLAPPE!“
Du hast das erste Mal gesagt: „Mama?! Ich hab dich lieb. SEHR lieb.“

2 Jahre 2 Monate

Du erzählst mir am Strand strahlend „Ich hab da Sand reingetan!“ Auf meine Nachfrage „worein, Pia?“ zeigst du auf die kleine Reißverschlusstasche am Rucksack, in der sich mein Handy befindet… 3/4 im Sand verschwunden!!

Oma sagt zum Abschied „ich mach mich vom Acker“. Du fragst „gehst du jetzt zum Acker?“
Du entwickelst Phantasie… „Wir wohnen in einer FAHLA!“

2 Jahre 3 Monate

Du singst auf die Melodie von Bruder Jakob: „Kleine Schwester, kleine Schwester, schläfst du noch?“ Du singst oft und gern aus vollem Hals: Vogelhochzeit, Krokodilsong, Kleckselied, Schneeflöckchen Weißröckchen, Frère Jacques uvm…
Du vermutest: „der Auerhahn tut sich immer weh. Und dann sagt er AUA“, „der Kakadu hat Kaka gemacht“

Du bist sehr empathisch, hilfst mir beim Puschen anziehen, fragst ob mein Rücken noch weh tut oder ob ich noch müde bin.

2 Jahre 5 Monate

Neuste verbale Äußerung: „ein Kamel hat 2 Höcker“. Meine Nachfrage: „und ein Dromedar?“ Deine Antwort: „das hat einen HOCK!“
„Der Thunfisch hat immer viel zu tun.“

Ich frage, wohl etwas zerstreut an dem Abend: ‚willst du Wasser oder Milch trinken, Pia?‘ Du: ‚Wasser! Hab ich doch schon gesagt. Muss ich alles zehnmal sagen?!‘

2 Jahre 6 Monate

„Ich hatte eine Nabelschnur am Bauchnabel, als ich noch ein Baby war. So wie Nora. Papa hat die durchgeschnitten, und bei Nora auch.“

Du spielst mit einem Zollstock, faltest ihn auseinander und zusammen. Hältst ihn so, dass du dich messen kannst (wie wir es kürzlich getan haben). Ich frage: „wie groß bist du denn?“ Darauf Du: „Zwei Jahre.“

Abends reflektiert sich die Kerze in der Balkontür. Du sagst plötzlich „es sieht so aus, als wären das ganz viele Kerzen“.
Der wenige Schnee, der gestern lag, ist geschmolzen. Du kommentierst: „ich wollte doch mit Papa Schlitten fahren. Jetzt bin ich ein bisschen traurig.“

2 Jahre 7 Monate

Aus der Kita frisch zu Hause. Du sagst: „Jetzt muss ich mal einen Moment spielen gehen..ich brauche auch mal einen Moment für mich!“
Du erkennst in Großbuchstaben geschriebene Worte
HANNA
PIA
JONAS
NORA
REINHARD
OMA

Jonas ruft aus der Küche: „Pia, kommst du mir helfen, es gibt gleich Abendbrot.“
Du, aus dem Kinderzimmer: „jahaa ich komm ja schon! Brauchst dir keine Sorgen machen!“

Du: „Mama wenn ich 3 bin will ich arbeiten gehen“. Ich: „ok…. als was möchtest du denn arbeiten?“ Du: „Als Biene. Und du musst mich schminken dann.“

Im Vorbeilaufen benennst du vom Buggyboard aus die Automarken. Du kennst VW, BMW, Mercedes, Fiat, Toyota, Seat und einige mehr.

Du heute „Bist du noch müde Mama?“ Ich „ja Pia, sehr“. Darauf du „Dann trink mal einen Kaffee, der hilft dir!“

Am späten Nachmittag auf dem Heimweg: „Oh guck mal! Der Fußballplatz ist jetzt alle. Weil die wollen ja auch mal Feierabend machen. Dann noch Abendbrot. Und Zähne putzen. So geht das.“

2 Jahre 8 Monate

Du ziehst sehr geduldig deine Puppe Emmi an und aus. Du schneidest gern mit meiner Hilfe etwas aus. Du klebst gern Aufkleber auf. Du guckst gern Bücher an. Du singst stundenlang. Du badest gern mit Schaum. Du fährst sehr sicher mit dem Laufrad. Du liebst schaukeln.

Du kennst mittlerweile alle großen und kleinen Buchstaben, das ABC-Lied ist eines deiner liebsten, du buchstabierst deinen Namen fehlerfrei und schiebst die Magnetbuchstaben, die deine Tante dir geschenkt hat, sehr gerne in die richtige Reihenfolge.

2 Jahre 9 Monate

Die Briobahn ist gerade ‚in‘.

Manchmal sagst du ‚aber ich will noch nicht schlafen‘, wenn ich dir abends einen Gute-Nacht-Kuss gebe. Ich sage dann ‚du kannst ja noch singen‘ – und das tust du lauthals für gerne mal eine halbe Stunde.

Du fragst oft ‚was redet ihr?‘ oder ‚was hast du gesagt?‘, wenn Jonas und ich uns unterhalten. Wenn wir dann ausweichend sagen ‚das wollen nur Jonas und ich mal für uns besprechen‘ bist du traurig und weinst, sagst so etwas wie ‚aber ich verstehe dann gar nicht, was ihr meint!‘

Als Nachtisch liebst du Gummibärchen. Du gibst dich aber mit EINEM zufrieden!

Premiere: du warst heute 3 Mal für eine knappe Stunde windelfrei auf eigenen Wunsch (natürlich!) und hast vor dem Schlafengehen Pipi ins Töpfchen gemacht. Wir waren sehr stolz und haben dich feste gelobt. Du wolltest direkt auch ohne Windel schlafen gehen. Aber das konnten wir abwenden.

Eine Woche später: Heute früh kamst du um 7.15 Uhr und hast uns geweckt. Da hattest du schon allein den Schlafanzug ausgezogen, die Windel aus, warst Pipi machen gewesen und hattest Unterhose, Leggings, Oberteil und Socken angezogen. Nichts davon hast du je gemacht, ohne uns nicht vorher geweckt zu haben.

2 Jahre 11 Monate

Schokolade liebst du, betonst aber immer unsere Regel ‚nur eine Süßigkeit am Tag‘ und wenn du schon was hattest sagst du streng zu dir selbst ‚jetzt gibt es heute NIX mehr!!‘

Du spielst Briobahn. Lükspiel (Auch Hefte für 4+ überfordern dich nur selten). Puppe Emmi an/ausziehen und wickeln. Du hast angefangen, Bilder auszumalen. Du stempelst gern.

Du bist nur noch eine einzige Woche Krippenkind! Dann geht es zu den ‚Großen‘, wie aufregend. Nach anfänglicher Ablehnung hast du dich an die Idee mittlerweile ganz gut gewöhnt, warst ein paarmal dort zum Basteln oder Malen.

Du brauchst deine Windel nur noch fürs große Geschäft. Pipiunfälle gab es seit 14 Tagen keinen mehr, auch nachts schläfst du trocken und ohne Windel!

3 Jahre 2 Monate

Auf einmal puzzelst du gern. Du baust kreativ mit Duplo (und wirst wütend, wenn Nora mal dazwischen greift und etwas kaputt macht).

Du erkennst alle Zahlen bis 10 und zählst sehr sicher Dinge bis 10 ab.

Abends willst du mit mir immer noch über Sternzeichen sprechen, die haben es dir irgendwie angetan.

Du bist zauberhaft mit Nora, streichelst und küsst sie, machst Quatsch für sie, bringst ihr den Schnuller, wenn sie weint, oder nimmst ihn ihr ab und sagst ‚du bist gerade wach und zufrieden, dann brauchst du keinen Schnuller, Nora‘.

Was du neuerdings kannst: Du buchstabierst kurze gesprochene/gehörte Wörter, ohne sie zu sehen. P-I-A oder I-N-A zum Beispiel.

3 Jahre 3 Monate

Du träumst oft beim Essen oder redest und redest und redest. Wir müssen dich manchmal zu jedem Happen auffordern.

Du hast Neon-Filzstifte von Jonas mitgebracht bekommen und schreibst mit Hingabe Buchstaben. Es gelingen recht zuverlässig W, D, M, N (gelegentlich spiegelverkehrt), T, I, A, P.

Du kannst die Zahlen 1 bis 12 den Monaten zuordnen und verlangst, abgefragt zu werden; wir fragen also ‚welche Zahl hat der März?‘ und du antwortest quasi ohne Nachdenken ‚die drei‘.

3 Jahre 4 Monate

Du liebst Gesellschaftsspiele. Memory kannst du (mit 9 bis 11 Pärchen) schon ganz gut spielen.

Lange hast du schon immer gesagt ‚Baum fängt mit B an, Maus fängt mit M an‘ etc. Jetzt sagst du des öfteren ‚und nach dem B kommt ein A… und am Ende ist ein M‘.

Du zählst bis 39, danach kommt 50.

Eine Weile fanden wir dich schwierig, vieles hast du behauptet nicht zu können und warst schnell jammerig. Zurückblickend lag es wohl am Schlafmangel – seit wir dich konsequent um 19.30 Uhr im Bett haben, bist du wieder total süß und umgänglich.

3 Jahre 5 Monate

Das allererste morgens ist dein Schoko-Adventskalender. Du suchst die Zahl selbstständig, öffnest das Türchen, vermeldest was drin ist ‚Schoko-Igel‘ ‚Schoko-Auto‘ etc. und verspeist es genüsslich. Dann bietest du sofort an, auch in meinem Kalender für mich das Schoko-Ei auszupacken und Noras Türchenkalender zu öffnen.

Du liebst kleine Spiele auf meinem Handy, z.B. Malen nach Zahlen. Du hast deinen Wunschzettel geschrieben (du hast diktiert, was ich dünn vorschreiben sollte und es dann zügig nachgeschrieben) ‚WUNSCHZETTEL VON PIA EIN DUNKELBLAUES AUFZIEHAUTO EIN KLEINER ROLLER‘

Was du neuerdings kannst: aus eigenem Antrieb mit Kaplasteinen einen Turm bauen. Figuren mit Augen und Mund malen. Kommentar ‚das ist ein Lachgespenst‘.

3 Jahre 6 Monate

Du formulierst kompliziert, hakst nach, willst alles verstehen, worüber auch Erwachsene untereinander sprechen. Du buchstabierst geschriebene Wörter schnell und fehlerlos.

Zu gehörten Wörtern findest du sehr sicher den richtigen Anfangs- und Endbuchstaben.

Du schreibst ohne Aufforderung oder Hilfe PIA MAMA PAPA.

Du malst sehr sorgfältig aus, auch Schwungübungen oder Labyrinth-Wege-Finden fesseln dich.

 

Siehe auch: Kinder unter 3 Jahren – Ab welchem Alter wird es interessant?

Siehe auch: Elternbeobachtungen (zu Kindern unter 3 Jahren)

Siehe auch: Ein außergewöhnliches kleines Mädchen

Siehe auch: Beobachtungen an einem Baby/ Kleinkind

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2018
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum