Kaninchen, Hund und Hausratte – ein Haustier-Projekt

von Heike Miethig

 

Rachel wünscht sich ein Kaninchen

Mein „Beobachtungskind“ Rachel ist jetzt 5;9 Jahre alt. Für ein neues Kleingruppenangebot überlasse ich ihr die Wahl des Themas. Es zeigt sich, dass sie dringend mehr über Kaninchen erfahren möchte. Dies interessiert sie zurzeit besonders, weil sie es sich sehr wünscht, ein Kaninchen zu besitzen, aber ihre Eltern dem noch kritisch gegenüberstehen.

Mehr über Rachel lesen Sie hier:

Rachel und die Buchstaben (Beispiel für provozierende Beobachtungen)
Rachel, 4;6 Jahre alt (Beobachtungen mit dem Beobachtungsbogen)
Rachel: „Ich habe mir eine Geschichte ausgedacht und die wollen wir euch jetzt zeigen.“

Rachel will wissen, wie ein Kaninchen gehalten wird, wie man es ernährt und ob es teuer ist. Die Tiere Hund und Hausratte wurden durch die Kleingruppe vorgeschlagen und alle waren einverstanden.

In unserer eher ländlichen Gegend gibt es Kaninchenzüchter und Kaninchenhalter. Auch viele Hunde befinden sich in unmittelbarer Nähe und in einigen Haushalten von Kindergartenkindern. Auch hier können wir einen direkten Bezug herstellen. Jannik aus der Kleingruppe besitzt eine Hausratte. Ich selbst habe ein Zwergkaninchen.

So können die Kinder das Projekt in ihrem direkten Umfeld starten und in die Thematik eintauchen. Ich denke, dass das Thema „Haustiere“ Kinder, Eltern und andere Beteiligte gleichermaßen anspricht, weil häufig ein persönlicher Bezug hergestellt werden kann.

…kurz gefasst…

Es klingt so harmlos – ein Projekt über Haustiere!
Aber im Verlaufe des Projektes zeigt sich, dass die fünfjährige Rachel, die vier anderen Kinder und die Autorin, eine erfahrene Erzieherin, inhaltlich viel daraus machen.

Für die Autorin mündet das Projekt auch in eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob wir einem einzelnen hoch begabten Kind in einer Kindergruppe eine Führungsrolle zubilligen und es darin sogar noch unterstützen dürfen.

Die Kleingruppe

Am Anfang nehmen neben Rachel (5;9) noch die beiden Mädchen Elsa (5;7) und Nele (5;11) sowie die Jungen Jannik (6;1) und Casper (5;2) teil. Die Kinder hat Rachel mir vorgeschlagen. Sie hat treffsicher die Kinder ausgewählt, die alle ihrem Leistungsbereich am nächsten kommen – und nicht unbedingt die, mit denen sie sonst spielt.

Ich denke, dass diese Gruppe gut harmoniert. Alle Kinder haben ähnliche Fähigkeiten und Begabungen. Ich gehe davon aus, dass sie sich gut ergänzen.

Da Rachel das Projektthema benannt hat, gehe ich bei ihr davon aus, dass sie begeistert und motiviert bei der Sache sein und großes Engagement zeigen wird.

Jannik (6;1) ist meistens sehr schnell bereit, sich auf Neues einzulassen, und hinterfragt viel und gerne. Es fällt ihm nicht immer leicht, sich im Gruppengeschehen aktiv zu beteiligen. Projektarbeit in einer Kleingruppe könnte ihm mehr Selbstsicherheit und Zutrauen in seine Fähigkeiten geben.

Elsa (5;7) besucht erst seit einem Vierteljahr unsere Einrichtung. Sie ist sehr leistungsbereit und wissbegierig. Jedes neue Angebot nimmt sie gern an. Sie wird das Projekt sicher mit vielen Ideen und Vorschlägen bereichern. Ihre Konzentrationsfähigkeit ist hoch und sie spielt viel und gern mit Rachel.

Casper (5;2) verhält sich sehr fahrig, kann sich aber punktuell schnell und anhaltend konzentrieren. Seine Interessen sind sehr vielseitig gelagert und zeigen aber keine besonderen Schwerpunkte. Aufmerksam einem Geschehen zu folgen, gelingt ihm nur schwer. Seine motorische Unruhe lässt ihn vieles nicht aufnehmen. Ich hoffe darauf, dass die Mitarbeit im Projekt ihm hilft, seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu schärfen, so dass seine motorische Unruhe in Begeisterung und Engagement fließen kann.

Nele (5;11) hat bis vor kurzem fast alle Angebote und Leistungsanforderungen verweigert. Ihre Eltern wollten sie vorzeitig einschulen und Nele war darüber von Panik erfüllt. Erst nach der Entscheidung der Eltern, den Antrag zurückzuziehen, entspannte sich Nele etwas und nahm vereinzelt Angebote wieder wahr.
Ich möchte, dass sie im Projekt erfährt, dass Lernen Spaß und Freude sein kann, nicht Leistungsdruck bedeuten muss, sondern lustiges und freudiges gemeinsames Arbeiten und Erleben sein kann. Ich hoffe, dass sie sich hier wieder engagieren kann und ihren Fähigkeiten, die sie absolut besitzt, wieder vertrauen lernt.

Meine Zielsetzung

Ich möchte erreichen, dass die Kinder

    • sich für die Thematik begeistern können,
    • Spaß und Freude beim Umgang mit den Themen empfinden,
    • ihren Ideenreichtum einbringen,
    • vorhandenes Wissen in das Projekt einbringen,
    • Neugierde auf Neues entwickeln oder erweitern,
    • ihrem Bedürfnis nach Lernen selbstständig nachkommen können,
    • wissen, wie und wo sie verschiedene Informationen erhalten,
    • erfahren, dass ihre Umgebung ihnen bei der Beschaffung von Information behilflich ist,
    • erfahren, dass sie gemeinsam Ziele erreichen können,
    • stärkeres Selbstbewusstsein entwickeln und sich in die Gruppe einbringen,
    • Rücksicht nehmen auf die Tiere, aber auch den anderen Gruppenmitgliedern gegenüber,
    • ihr Wissen bzw. Fachwissen erweitern können,
    • erkennen, dass auch Tieren Würde entgegen gebracht werden muss, zum Beispiel im direkten Umgang und überhaupt bei der artgerechten Haltung,
    • erfahren, dass Probleme überwunden werden können und sich häufig mehrere Lösungswege anbieten
    • und dass Rachel ihre Eltern durch ihr Wissen und Angebote vielleicht eher überzeugen kann, ein Kaninchen anzuschaffen.

Das Projekt beginnt: Wie wollen wir vorgehen?

Wir treffen uns alle im Büro und Rachel stellt stolz und eigenständig ihr Projekt vor. Sie erklärt, dass sie es gern machen will, um ihre Eltern von der Anschaffung eines Kaninchens zu überzeugen. Sie wirkt bei ihren Erklärungen freudig und aufgeregt und fragt die Anderen, ob sie mitmachen wollen. Alle Kinder stimmen begeistert zu. Sie schlagen ihrerseits verschiedene Haustiere vor und stimmen dann demokratisch ab, welche Haustiere in dem Projekt erst einmal erkundet werden sollen: Kaninchen, Hund und Hausratte.
Später will Elsa noch ihre Katze vorstellen und Jannik will seine Hausratte mitbringen.

Auf meine Frage, wie wir an Informationen über die Tiere kommen, antwortet Rachel spontan: „Bücher!“
Ich frage, wo wir ganz viele Bücher finden können, und die Kinder wissen sofort: in der Bücherei. Damit ist unser erster Schritt klar: Wir besuchen die örtliche Bücherei.

Jannik will im Internet nachsehen, ob er geeignetes Material findet. Die Kinder wollen erfahren, was die Tiere fressen, wie sie leben und wie sie gehalten werden. In Anwesenheit der Kinder mache ich einen Termin in der Bücherei aus und Herr M., ein Mitarbeiter der Bücherei, will sich extra Zeit nehmen, um sich um uns zu kümmern.

Informationssuche in der Bücherei

Am nächsten Tag können wir bereits um 8 Uhr die Bücherei besuchen. Alle Kinder müssen pünktlich im Kindergarten sein und alle haben es geschafft.
Auf dem Weg zur Bücherei wird eifrig diskutiert, ob wir jetzt wohl geeignetes Material finden.

Wir werden herzlich empfangen und Herr M. zeigt den Kindern, wo sie nach den passenden Büchern und Zeitschriften schauen können.
Die Kinder gehen selbstständig ans Werk. Rachel übernimmt in gewisser Weise eine Führungsposition, indem sie die herausgesuchten Bücher begutachtet, ob sie für unsere Themen geeignet sind oder nicht. Als etwa Nele ihr ein Buch über Eichhörnchen zeigt, sagt Rachel: „Das ist kein Kaninchen und auch keine Hausratte!“ – und Nele legt das Buch wortlos zurück.

Die Kinder sind konzentriert bei der Sache, aber auch freudig und haben Spaß an der Vielzahl der Bücher. Sie stöbern eine Stunde lang in der Bücherei, suchen Bücher aus, und wenn sie eins nicht passend finden, verwerfen sie es wieder. Einmal wird heftig diskutiert, ob es sich bei dem abgebildeten Tier um eine Ratte oder eine Maus handelt. Hier habe ich dann Schiedsrichter gespielt. Sonst halte ich mich bewusst sehr zurück und lasse sie ihre Entscheidungen eigenständig und in Absprache untereinander treffen. Dies geschieht ohne Streit, niemand ist beleidigt.

Ich bin erstaunt, dass sie wirklich nur Bücher heraussuchen, die zu den drei genannten Haustieren passen.

Elf Bücher sind die Ausbeute. Der freundliche Bücherei-Mitarbeiter zeigt den Kindern am Computer, wie man die ausgeliehenen Bücher registriert. Auch das finden die Kinder sehr spannend und können es als neue Erfahrung mitnehmen. Herr M. sucht für jedes Kind einen Leinenrucksack heraus, und die Last der Bücher wird auf alle Kinder verteilt. Dabei zeigen die Kinder ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl: Sie heben die Rucksäcke an, um zu testen, wie schwer sie sind. Casper sagt: „Jetzt bringen wir alle die Bücher nach Hause.“

Auf dem Rückweg sprechen die Kinder darüber, was wohl in den Büchern steht und wie es in der Bücherei war.

Im Kindergarten angekommen, leeren alle ihre Rucksäcke und schauen sich die ausgesuchten Bücher an. Sie finden schon Abbildungen, die sie für wichtig halten und Rachel sagt: “Jetzt können wir richtig anfangen!“

Leider kommen wir an diesem Punkt zunächst nicht weiter, weil alle beteiligten Kinder zum Englisch angemeldet sind und dafür pünktlich auf ihren Stühlen sitzen müssen.

Die Bücher werden ausgewertet und diskutiert

Am nächsten Tag sehen wir uns alle Bücher noch einmal in Ruhe an und suchen aus den vorhandenen Sachbüchern Informationen über Nahrung und Haltung.

Zu Beginn rufen alle wild durcheinander und ich habe Mühe, die verschiedenen Zurufe zu notieren.
Ich bringe etwas Ruhe in das Geschehen, und wir stellen erst einmal heraus, dass Hauskaninchen entweder im Haus oder im Freien in einem Stall gehalten werden. Wir lernen, dass der Stall eine gewisse Größe haben muss und mit Heu ausgelegt sein soll, damit das Tier sich wohl fühlt. Es zeigt sich, dass Rachel schon einiges über die Ernährung von Kaninchen weiß: Sie gibt den Hinweis, dass sie gern Möhren und Löwenzahn fressen.

Die Kinder suchen sehr eifrig und begeistert auch Informationen über Hunde – so über die verschiedenen Rassen, ihre Unterschiede bei Größe und Körperbau. Ich beantworte ihre Fragen nach der Bezeichnung der verschiedenen Hundearten.

Jannik erzählt, dass es auch Hunde gibt, die Tiere jagen. Das löst eine heftige Diskussion aus, ob solche Hunde bösartig seien oder nicht. Elsa meint, dass diese Hunde eben so sind und das nicht extra machen. Rachel vertritt die Meinung, dass es ungerecht sei, wenn so große Hunde so kleine Kaninchen jagen. Casper sagt, das Kaninchen könne ja weglaufen und sich verstecken. So tauschen sie ihre Meinungen sehr ernsthaft und erzählfreudig aus. Ich halte mich hier weitgehend zurück und lasse der Diskussion freien Lauf.

Zum Abschluss der Diskussion stellt Nele fest, es sei wohl das Beste, wenn der Hund, der jagt, gar kein Kaninchen findet.

Tiere sollen in den Kindergarten kommen

„Was machen wir jetzt?“, fragt Jannik und ich frage zurück, was sie denn als nächstes tun möchten. Sie sind sich schnell einig, dass sie die Tiere nun „in echt“ sehen wollen.

Da die Kinder wissen, dass ich ein Kaninchen habe, bitten sie mich, am nächsten Tag doch Mathilda mitzubringen. Ich sage gern zu.

Dann überlegen sie weiter, wie sie an einen Hund kommen. Rachel fällt ein, dass sie auf dem Weg nach Hause immer bei Frau G. vorbei kommt und im Garten oft ein großer Hund ist. (Frau G. ist unsere Reinigungskraft.)

Ich frage Rachel, ob sie Frau G. selbst anrufen möchte, um einen Termin abzumachen. Rachel stimmt zu und ruft an. Sie erklärt ihr Anliegen und trifft souverän eine Verabredung für den nächsten Tag. Wegen der Uhrzeit fragt sie mich und wir einigen uns auf 10 Uhr des folgenden Tages.

Sorgsamer Umgang mit Kaninchen „Mathilda“

Am nächsten Morgen bringe ich Mathilda samt Käfig und Futter in unser Arbeitszimmer. Als alle beteiligten Kinder (bis auf die erkrankte Elsa) anwesend sind, frage ich Tobias, der unser Treiben sehr aufmerksam verfolgt, ob er gern mitmachen möchte. Er sagt freudig Ja!

Auf dem Weg ins Arbeitszimmer sind die Kinder aufgeregt und voller Erwartung, ob Mathilda wohl da ist. Ich bitte die Kinder um Ruhe, damit sie das Tier nicht erschrecken. Wir schleichen gemeinsam ins Zimmer und bleiben vor dem Käfig stehen. Gemeinsam besprechen wir die Regeln zum Umgang mit dem Kaninchen.

Auf die Frage von Casper, ob wir Mathilda heraus nehmen können, setzen wir uns auf den Boden in einen Kreis und lassen das Kaninchen zwischen uns laufen. Jeder kann das Kaninchen streicheln und seine Eindrücke äußern. Besonders den Fellwechsel, der zurzeit stattfindet, finden alle sehr spannend und jeder nimmt sich etwas Fell, um die Weichheit zu fühlen.

Die Kinder sind sehr behutsam und suchen aus dem vorhandenen Futter etwas heraus, um Mathilda zu füttern. Dabei benennen sie die verschiedenen Gemüsearten und fragen, welche Inhalte das Trockenfutter hat. Ich erzähle dabei von Vorlieben und Gewohnheiten des Tieres.

Die Kinder sind im Umgang mit Mathilda sehr freudig und ausgelassen, aber auch rücksichtsvoll. Sie versuchen vorsichtig, das Tier in einer Decke zu schaukeln. Als sie merken, dass es Mathilda nicht gefällt, legen sie die Decke vorsichtig wieder auf den Boden.

Dies geschieht, ohne dass ein Wort der Absprache fällt. Dieses leise Geschehen hat mich sehr beeindruckt.

Jeder von ihnen will nun Mathilda auf den Arm nehmen. Aber auch hier orientieren sich die Kinder am Willen des Tieres und lassen es gegebenenfalls los.

Tobias erzählt, dass sein Opa Kaninchen im Freien hält und erklärt uns, wie sie untergebracht sind.

Während der ganzen Zeit muss ich mich nicht aktiv in das Geschehen einschalten. Die Kinder gestalten ihr Vorgehen eigenständig, sprechen sich untereinander ab. Jedes bringt seine Kenntnisse und Erfahrungen ein. Auch Tobias, der jetzt zum ersten Mal dabei ist, integriert sich problemlos.

Als wir die Aktion beenden wollen, wird Jannik sehr laut und unruhig. Rachel sagt darauf streng zu ihm: „Wir hatten hier doch eine klare Ansage, wie das hier gehen soll!“ Jannik zieht sich daraufhin beleidigt zurück. Dies bleibt im Raum stehen und wir gehen erst einmal zum Tagesgeschäft über. Ich finde Rachels Reaktion klasse!

Annäherung an den Hund „Riko“

Am nächsten Morgen um 10 Uhr steht Frau G. wie verabredet mit ihrem Berner Sennenhund Riko (5 Jahre) vor der Tür. Der Hund ist zunächst genauso aufgeregt wie die Kinder. Durch die Größe des Hundes sind die Kinder schwer beeindruckt und etwas eingeschüchtert.

Sie bleiben auf ihren Stühlen sitzen und lassen sich tapfer beschnuppern. Frau G. erklärt die Verhaltensweise des Hundes und nimmt so den Kindern nach und nach ihre Furcht. Frau G. erklärt, wie der Hund in ihrem Haushalt lebt, wie viel Platz er beansprucht, dass er nur bestimmtes Trockenfutter mit Reis oder Kartoffeln frisst.

Dann erzählt sie, dass Riko durch falsches Futter schon einmal sehr krank geworden ist. Das finden die Kinder ausgesprochen spannend und stellen viele Rückfragen zu der Erkrankung. Besonders der Verdauungstrakt erfreut sich großer Aufmerksamkeit. Der Hund bleibt jetzt ruhig liegen und lässt sich von den Kindern streicheln und anfassen.

Als Frau G. berichtet, dass Riko häufig die Hundeschule besucht, sind die Kinder beeindruckt und Nele fragt: „Kann der jetzt rechnen?“ Frau G. verneint und erklärt den Kindern Sinn und Zweck einer Hundeschule.

Die Kinder werden immer mutiger, gehen um den Hund herum, gucken sich seine doch recht beeindruckenden Zähne an und Casper fragt, wie viele Zähne der Hund hat. Frau G. nennt die Anzahl. Auch die Tatsache, dass der Hund wesentlich mehr wiegt als sie selber – nämlich 50 kg – fasziniert die Kinder.

Als Frau G. gehen muss, verabschieden sich die Kinder mit einem fröhlichen „Tschüß Riko!“ und der Hund bellt freundlich zurück.

Das Haustierprojekt zieht Kreise

In der Abholzeit erhalte ich von Caspers Mutter die Adresse eines Kaninchenzüchters aus dem Stadtteil. Casper hat zuhause von dem Projekt erzählt.

Auch Jannik hat seiner Mutter von dem Projekt erzählt und will gern seine beiden Hausratten (ohne Namen) vorstellen. Leider können wir die Mutter trotz gutem Zureden nicht dazu bewegen, die Erlaubnis zu erteilen. Es ist ihr zu mühselig, die Tiere in den Kindergarten zu transportieren. Auch Hilfsangebote können sie nicht umstimmen. Wir vereinbaren mit Jannik, dass er uns am nächsten Tag von seinen Hausratten erzählt und wir im Anschluss daran das Bilderbuch „Der Rattenfänger von Hameln“ lesen, das wir uns in der Bücherei ausgeliehen haben.

Alle sind einverstanden, haben großes Mitleid mit Jannik und trösten ihn. Ich will versuchen, noch ein paar Bilder von Hausratten im Internet zu finden.

Am nächsten Tag erzählt uns Jannik von seinen Hausratten.

Er hat heimlich Futter in der Hosentasche geschmuggelt, um es uns zu zeigen.

Er berichtet, was sie fressen und wie er sie hält. Als die Kinder ihm dazu Fragen stellen, fühlt sich Jannik wichtig und wissend, was ihm merklich gut tut. Ich halte mich mit Ergänzungen auch hier zurück, um Jannik die Hauptrolle zu überlassen. Ich zeige aber das Bild der Hausratte, und Jannik stellt fest, dass seine so ähnlich aussehen. Jannik berichtet insgesamt 15 Minuten, was ich sehr beachtlich finde.

Wer ruft den Kaninchenzüchter an?

Später erinnere ich daran, dass wir von Caspers Mutter die Telefonnummer eines Kaninchenzüchters erhalten haben. Ich frage, was wir jetzt damit machen sollen. „Anrufen!“ – ist die lautstarke Antwort der Kinder. Ich frage, wer das denn machen soll und schlage Casper vor, weil die Nummer von ihm stammt.
Casper will nicht und die anderen außer Rachel auch nicht.

Ich nenne Rachel einen Terminvorschlag, den Sie Herrn H. unterbreiten soll.
Rachel ruft ihn an, genauso souverän wie bei der Absprache mit Frau G., und macht den Termin für Mittwoch, 14 Uhr, aus. Alle haben Rachel bei dem Anruf scharf beobachtet. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Rachel hält stets Augenkontakt zu mir. Sie meldet sich wie bei ihrem ersten Anruf: „Hier ist Rachel vom Kindergarten und Frau Miethig ist auch da.“ Dann trägt sie ihr Anliegen vor. Aus dem Hintergrund bestätige ich die Terminabsprache.

Leider erfahren wir dann am Dienstag, dass Herr H. erkrankt ist und im Krankenhaus liegt. Die Kinder sind enttäuscht und betroffen. Aber wir beschließen, Herrn H. einen lieben Brief ins Krankenhaus zu schreiben und werden den Termin eben verschieben. Nele sagt gleich: „Ich male ihm ein schönes Kaninchen.“

Wir werden also das Projekt an dieser Stelle nicht beenden, sondern weitere Ideen entwickeln – etwa Besuch eines Tierarztes oder vielleicht einer Tierklinik.

Was haben wir erreicht?

Ich denke, jedes Mitglied der Kleingruppe konnte seine Ideen und Kenntnisse einbringen – alle Kinder hat das Thema sehr interessiert. Sie konnten ihr Fachwissen erweitern, haben sich weitere Entwicklungsschritte überlegt und selbstbestimmt ihrem Projekt die Inhalte gegeben.

Gerade auch im sprachlichen Bereich konnten sie sich durch fröhliches Berichten und Erzählen weiterentwickeln, ihren Wortschatz erweitern.
Auch der personale Bereich wurde mehrfach angesprochen, wo die Kinder Rücksichtnahme, Mitgefühl und Trost spenden erleben konnten. Aber auch mutiges Vorwagen, wie Rachels Anrufe, hat für Spannung gesorgt.

Die Kinder haben ihr Vorgehen durchaus planvoll gestaltet.

Die Kinder hatten an vielen Punkten Gelegenheit, ihre Begabungen einzubringen:
Rachel mit dem Mut, die Anrufe zu tätigen, wobei ihr ihre sprachlichen Fähigkeiten sehr entgegen kamen und ihren vielen Ideen.
Tobias, der schon viel über Kaninchen wusste, weil sein Opa zwei besitzt.
Nele, die durch ihre Fröhlichkeit immer für gute Stimmung sorgte.
Casper mit seiner Fähigkeit, sich auf den Punkt zu konzentrieren, um dann
für den Moment zu einer großen Ruhe zu kommen.
Elsa mit ihrer Begabung, ausgleichend zu wirken, erfährt, dass ihre Ernsthaftigkeit auch hier ihren Raum findet.
Jannik, der meistens vieles still in sich aufnimmt, aber hochkonzentriert am Geschehen teilnimmt und sehr gute Gesprächsbeiträge leistet.

Als Experten konnten die Hundehalterin Frau G. und der Kaninchenzüchter Herr H. angesprochen werden.

Rachels Projektidee ist von den anderen Kindern sehr gut angenommen worden. Die Idee wurde weiterentwickelt, indem Wege überlegt wurden, wie wir unser Wissen über die Haustiere erweitern können und wie zum Beispiel Jannik es doch noch gelingen konnte, seine Hausratten vorzustellen.

Ich glaube, dass es gelungen ist, das Projekt schwungvoll zu gestalten, weil die Kinder mit ganz viel Lust und Freude daran gearbeitet haben. Besonders erfreulich war die Entwicklung von Nele, weil sie sichtlich wieder Lust und ganz viel Freude beim Lernen empfunden hat und ihre Verweigerungshaltung ablegen konnte.

Die Kinder haben ihren Eltern begeistert von dem Projekt berichtet und sie auch teilweise mit eingebunden. Die Kinder haben sich immer auf ihre Projekttreffen gefreut und Rachel hat alles Wissenswerte über die Kaninchenhaltung erfahren, so dass sie ihren Eltern als eine wissende Verhandlungspartnerin gegenüber treten kann.

Alle Kinder haben meiner Meinung nach das Projekt vorangebracht. Sie haben sich gegenseitig ergänzt und bereichert. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass einer von ihnen das Projekt unerfreulich dominiert hat. Aber Rachel hat das Gruppengeschehen und die Entwicklung des Themas maßgeblich beeinflusst – durch Vorschläge, Ideen und Handeln. Sie verhielt sich dabei durchgängig klar und fair.

Schade fand ich, dass Janniks Mutter ihren Sohn hier nicht besser unterstützen konnte.
Ärgerlich ist auch immer wieder, wenn es durch Unvorhergesehenes zu Zeitverschiebungen oder Zeitdruck kommt. Auch dass durch personelle Engpässe Außentermine verschoben oder mehrfach verändert werden müssen, wirkt sehr störend. Untätiges Warten ist bei uns zum Glück nicht vorgekommen, aber ich halte diesen Punkt für einen, der ein ganzes Projekt zerstören und jede Motivation nehmen kann. Auch ein erzwungener Abbruch kam nicht vor; es ist für mich aber durchaus vorstellbar, dass Alltagssituationen einen Abbruch auslösen können.

Rachel hat viel gelernt

Rachel hat im Projekt eine Führungsrolle übernommen und sie hat das, wie ich denke, gut gemacht. So hat sie, zum Beispiel, den anderen Kindern gezeigt, dass man durch die Kontaktaufnahme zu anderen „Experten“ seine Interessen weiter verfolgen kann und das oft auch zum Erfolg führt.

Auch als sie Jannik zur Ordnung gerufen hat („Wir hatten eine klare Ansage“), hat Rachel Führungsfähigkeit gezeigt. Ich meine, dass auch sie Selbstvertrauen spüren und erfahren konnte, dass sie mutig ist, dass sie eine Terminplanerin sein kann und „ihr Projekt“ voranbringt. Das erweiterte Fachwissen wird ihr bei den Verhandlungen mit den Eltern von Nutzen sein.

Rachels Führungsrolle wurde durch die anderen Kinder, die durchaus auch über ein hohes geistiges Potenzial verfügen, sehr gut angenommen und nie in Frage gestellt. Das Projekt lief über drei Wochen; zum ersten Mal hatte Rachel über so lange Zeit eine Führungsposition inne – und sie agierte dabei absolut souverän. Zum Beispiel organisierte sie Materialien und traf Absprachen und wirkte dabei sehr sicher.
Während des ganzen Projektes erschien sie mir sehr zufrieden und stolz. Sie konnte erfahren, dass ihre Wissbegierde auch andere motiviert und nicht negativ interpretiert wird. Sie konnte auch erkennen, dass ihr starkes Denken und Handeln maßgeblich zum Erfolg des Projektes beigetragen hat. So sagte sie, zum Beispiel, in der Abschlussrunde:

„Ich hatte immer wieder neue Ideen, wie wir weitermachen können!“

Auch ihr Gefühl, dass es „ihr Projekt“ ist, ist weiter vertieft worden. Ihre Annahme der Führungsrolle hat das für mich gezeigt. Sie übernahm ja auch gleich Verantwortung, als sich Störungen in das Projekt einschleichen wollten.

Wichtig finde ich auch, dass sie nicht warten musste; denn die anderen Kinder, die sie sich für die Kleingruppe ausgesucht hatte, konnten mit ihrem Tempo ziemlich gut mithalten.

Die anderen Kinder haben auch viel gelernt!

Aber auch die anderen Kinder fühlen sich durch die Teilnahme am Projekt herausgehoben, weil sie der Meinung sind, sie machen etwas ganz Besonderes. Und ich finde es schön, dass sie es so empfinden und dass sie innerhalb des Projektes ein großes Gemeinschaftsgefühl entwickelt haben.

Bei Nele habe ich – wie bei Rachel auch – Ansätze zur Metakognition wahrgenommen: Als sie durch das Projekt erfahren konnte, dass Lernen nicht immer Druck bedeutet und allein auf Leistung ausgerichtet ist, sondern von ihr als freudiges Tun erlebt werden konnte, was sie auch ausdrückte. Somit konnte sie für sich ganz sicher ein Erfolgserlebnis aus dem Projekt ziehen.

Für Jannik war das Erfolgserlebnis dadurch etwas eingetrübt, dass er seine Hausratten nicht persönlich vorstellen durfte. Da er aber seinen Raum doch noch bekommen hat und er während des Projektes immer wieder die Möglichkeit hatte, von seinen Ratten zu berichten, war sicher auch für ihn ein Teilerfolgserlebnis möglich.

Bei Casper bin ich da etwas unsicher, er brachte innerhalb des Projektes in vielen Momenten (besonders im Umgang mit den Tieren) eine für ihn große Ruhe auf, die ich persönlich sehr beachtlich fand, aber ich konnte jetzt für ihn nicht so das AHA – Erlebnis sehen. Aber durch die Intensität des Projektes fühlte er sich offensichtlich sehr angesprochen und durch seine erhöhte Engagiertheit brauchte er sich nicht in seine motorische Unruhe zu verlieren. Das ist dann doch ein Erfolg.

Elsa hat auf Grund ihrer Erkrankung leider nicht das ganze Projekt miterlebt. Aber während ihrer Anwesenheit hatte ich den Eindruck, dass ihr diese Arbeitsweise, also selbst aktiv im Geschehen zu sein, sehr gefallen hat. Sie wirkte sehr beteiligt durch Wortbeiträge und Handlungsvorschläge.

Tobias hat sich sehr spontan und freudig eingebracht. Es fiel ihm leicht, sich in die bestehende Gruppe zu integrieren, und auch die anderen Kinder haben ihn sehr selbstverständlich in der Kleingruppe angenommen. Er konnte mit seinem vorhandenen Wissen über Kaninchen ein wenig glänzen, was ihm sichtlich gefiel. Sein beherzter (aber nicht rücksichtsloser) Umgang mit dem Tier lud die anderen Kinder ein, etwas mutiger zu sein. Ich denke, dass er diese Rolle auch als sehr angenehm empfinden konnte.

Selbstbestimmte Projektarbeit macht Spaß

Ingesamt bleibt bei mir der Eindruck, dass die Projektarbeit bei den Kindern eine viel größere Engagiertheit und Motivation hervorruft als andere Lernformen. Sie haben sich unbeschwert und fröhlich auf die Themen eingelassen und an der Weiterentwicklung sehr viel Spaß gehabt, weil es ein eigenständiges, selbst überlegtes Handeln war, das nicht von außen aufgesetzt wurde.

Die Lernatmosphäre war freudig, mitunter lebhaft, aber nie undiszipliniert. Die Kinder arbeiteten erstaunlich zielgerichtet und themenzentriert. Das war für die Kinder eine wesentliche Erfahrung, die sie in anderen Gruppenzusammensetzungen oft nicht machen können.

Ihre Erfahrungswelt erweitert sich durch die Projektarbeit um ein Vielfaches und das macht ja einfach Spaß, stellt aber auch eine Herausforderung dar, die es aus eigenem Willen heraus zu meistern gilt. Auch bietet die Projektarbeit den Kindern besonders viele Möglichkeiten, Wertschätzung ihrer Person zu erfahren.

Es gab einen schnellen Wechsel der Inhalte. Das hat Rachel und die anderen Kinder inspiriert, neue Ideen und Vorschläge zu finden, die das Projekt weiter beförderten.

Mir hat die Projektarbeit sehr viel Freude bereitet und die Engagiertheit, und Fröhlichkeit der Kinder bei der Arbeit hat mich durchaus glücklich gemacht. Diese Form der Arbeit bietet auch für die Erzieherin so viel mehr Möglichkeiten, sich den unterschiedlichen Themen zu nähern und in der Umsetzung vielfältig zu sein. Es bietet zum anderen die Chance, durch die Einbeziehung von Eltern und Umwelt die Arbeit der Einrichtung transparenter zu gestalten.

Ich halte das projekthafte Arbeiten für so geeignet, dass unsere gesamte Kita sich dieser Arbeitsweise anschließen sollte.

Ich möchte in unserer neuen Konzeption das projekthafte Arbeiten favorisieren und durch die Auflösung von festen Zeitstrukturen mehr Freiraum für Initiative, Neues ausprobieren und eigenständiges Lernen ermöglichen.

Auch die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen spielt hier eine wesentliche Rolle. Ich meine, wir sollten alte Handlungsmuster kritisch überprüfen und vielleicht ganz andere Wege finden, die Kinder intensiver und direkter in die Lernprozesse einzubinden. Ich möchte den Kindern mehr Möglichkeiten geben, ihre natürliche Neugierde zu befriedigen und ihre Unbeschwertheit nutzen, sich auch mit außergewöhnlichen Themen auseinanderzusetzen.

Ich halte das Zeitproblem und die personelle Besetzung für das größte Hindernis, das projekthafte Arbeiten in der Einrichtung umzusetzen.
(Siehe auch: Rahmenbedingungen verbessern!)

Dies gilt es gemeinsam zu lösen, um auch bei den Kolleginnen ein Umdenken, Mitdenken und Mitwollen zu erreichen.

Ist es undemokratisch, ein Kind in seiner Führungsrolle zu unterstützen?

Nachdem ich mein Projekt in der Seminargruppe (im IHVO-Zertifikatskurs) vorgestellt hatte, begann eine lebhafte Diskussion über diese Frage. Ist es richtig oder pädagogisch bedenklich, wenn ich das Kind darin bestärke?

Ich denke, das ist nicht pauschal zu beantworten. Für mein Projekt mit Rachel finde ich es richtig.

Wir haben immer Kinder in der Kita, die danach streben, in der einen oder anderen  Situation oder auch generell „Bestimmer“ oder „Anführer“ zu sein. Hier ist es immer wichtig, genau zu beobachten und einzuschätzen, ob

    • das Kind andere Kinder unterdrückt,
    • es selbst viel Positives ins Geschehen einbringt,
    • den anderen Kindern genügend Raum und Gelegenheit zur Entfaltung bleibt,
    • die Aktivitäten des Kindes gemeinschaftsdienlich und spielfördernd sind,
    • das Kind die guten Ideen der anderen Kinder respektieren und annehmen kann.

Rachel ist in meinen Augen auch im sozialen Bereich besonders begabt und sie missbraucht ihre Fähigkeiten nicht zum Nachteil der anderen Kinder.

Wenn Kinder das tun, muss man sie stoppen und die anderen Kinder ermutigen, sich zu behaupten.

Aber auch ein so „anständiges“ Kind wie Rachel braucht Ermutigung und Anleitung, eine solche Rolle gut auszufüllen.

Wenn Projektarbeit mit Kleingruppenarbeit kombiniert wird, können wir auch sehr effektiv den sozialen Lernprozess besonders begabter Kinder fördern – auch wenn sie die Führungsrolle nicht auf Anhieb positiv gestalten.

Denn der Umgang mit einer Führungsposition ist auch ein Lernprozess, der bei hoch begabten Kindern schon früh einsetzen kann (und sollte).

Demokratie muss man lernen!

Das sind die Möglichkeiten, die ich hier sehe:

    • Die Reaktionen der anderen Kinder auf ein sehr bestimmendes Verhalten zu beobachten und den Kindern bewusst zu machen, indem man mit ihnen darüber spricht, was ihnen daran gefällt und was nicht.
    • Dem Kind helfen, die Gefühle und Befindlichkeiten der anderen Kinder besser wahrzunehmen.
    • Das Finden von Kompromissen anzuleiten.
    • Dem Kind – auch im Zwiegespräch, in der Auswertung – deutlich machen, ob seine Ideen und sein Verhalten aktuell förderlich oder eher hinderlich sind.
    • Keine Sonderrechte zulassen, die sich nicht logisch aus dem „Arbeitsprozess“ ergeben.

 

Datum der Veröffentlichung: Mai 2017
Copyright © Hanna Vock

Kind sucht Kind! Kontaktbörse für Familien

von Hanna Vock

 

Immer wieder erzähle ich Eltern, dass hoch begabte und besonders begabte Kinder andere ähnliche Kinder brauchen. Dass sie aufblühen, wenn sie ein anderes Kind kennen lernen, mit dem sie sich wirklich geistig austauschen und auf demselben Niveau spielen können.

Aber woher nehmen?

Deshalb hier der Versuch, es Familien leichter zu machen, andere hoch begabte oder besonders begabte Kinder zu finden. Sie sind ja recht selten – und die Sympathie und die örtliche Nähe müssen auch stimmen, um eine echte Kinderfreundschaft zu begründen!

Die Kontaktbörse soll Eltern dabei unterstützen, Freunde für ihre Kinder zu suchen.

Bitte beachten Sie auch den Handbuch-Beitrag
Spielgefährten und Freunde hoch begabter Kinder.

Eltern können mit Hilfe dieser Seite ihr Kind anonymisiert vorstellen, in der Hoffnung, dass sich gute Kontakte ergeben. Die Angaben erscheinen nicht im Internet, sondern nur auf einer internen Liste, die Eltern per E-Mail-Anhang zugesandt wird, die ebenfalls ihr Kind in der Kontaktbörse angemeldet haben.

Wenn Sie auch interessiert sind, ihr Kind anonym vorzustellen, können Sie sich per E-Mail an mich wenden: hannavock@ihvo.de

Wenn Sie ein Kind in der zugesandten Liste gefunden haben, das eventuell zu Ihrem Kind passen könnte, schicken Sie bitte ebenfalls eine E-Mail mit Angabe der Chiffre-Nummer. Ich würde Ihnen dann die Mail-Adresse der Familie zusenden.
Die Kontaktaufnahme und Kontaktgestaltung liegt dann in Ihren Händen.

Und hier ein Beispiel für eine Mail zur Anmeldung:

Mädchen, geb. im Sommer 2010.
Postleitzahl: PLZ …..
Interessen zurzeit:
Schwierige Spiele (Uno, Mühle…), Radfahren, Zahlen und Rechnen, viele bunte Bilder malen, Telefonieren, Schwimmkurs.

Besonderes:
Sie traut sich bisher noch nicht, ohne Mama oder Papa bei anderen Kindern zuhause zu spielen.

Sie besucht einen Kindergarten (bzw. eine Grundschule, Klasse ?).
Einverständnis:
Ich bin damit einverstanden, dass die Angaben, die ich in dieser Mail zu meinem Kind gemacht habe, bis auf Widerruf und anonym in eine Liste aufgenommen werden.

Diese Liste wird, falls neue Einträge eingegangen sind, per E-Mail-Anhang an diejenigen Familien verschickt, die ihr Kind eingetragen haben.

Ort, Datum, Name eines Erziehungsberechtigten

 

Es ist von Vorteil, wenn viele Kinder angemeldet werden, damit sich deutschlandweit eine rege Kontaktbörse für Familien entwickeln kann.

Wenn Sie unsicher sind, lesen Sie: Um welche Kinder geht es?
Allerdings soll sich diese Kontaktbörse nicht auf Kindergartenkinder beschränken, sondern Kinder bis 12 Jahre einbeziehen.

Hanna Vock
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kind sucht kind“ Infozettel zum Verteilen / Aushängen

Pressetext „kind sucht kind“

 

Theaterspiel mit hoch begabten Kindern

von Hanna Vock

 

Bitte lesen Sie auch: Theaterspiel im Kindergarten.

Theaterspiel ist – sofern die Kinder sich dafür begeistern lassen – für eine ganzheitliche und dabei stark kognitiv ausgerichtete Förderung hoch begabter Kinder bestens geeignet, insbesondere für Kinder ab 5 Jahren. Auch jüngere Kinder können in eine Theaterspielgruppe integriert werden, wenn die Arbeit von den älteren Kindern gut getragen wird.

Theaterspiel ist zu unterscheiden vom spontanen oder angeleiteten Rollenspiel. Der entscheidende Unterschied ist: Theaterspiel umfasst mehr Bereiche, die vom Kind gleichzeitig beachtet und kognitiv integriert werden müssen, und deshalb ist es schwieriger. Kreative Anteile im engeren Sinne, also das freie Formulieren und das Ausdenken des Stückes und der einzelnen Rollen, treten zunächst in den Hintergrund. Sobald die Kinder dann einige Techniken erlernt haben, kann sich ihre Kreativität im Spiel umso besser entfalten.

Wie das Theaterspiel methodisch angelegt wird, richtet sich danach, wieviel Erfahrung und Übung die Erzieherin selbst und die teilnehmenden Kinder mit Theaterspiel haben. Die folgenden Anregungen sind für Alle gedacht, die noch nicht viel Erfahrung haben.

Es gibt natürlich auch andere gute Wege hin zum Theaterspiel mit Kindern. Hier möchte ich meine Erfahrungen anbieten.

Dabei geht es um:

1. die Zielvorstellung: Was sollen die Kinder lernen können?

2. die Auswahl der Geschichte, die gespielt werden soll.

3. die Zusammensetzung der Kindergruppe.

4. die Frage: Aufführung Ja oder Nein?

5. organisatorische Hinweise und

6. methodische Hinweise.

Außerdem finden Sie unter Punkt 2 „Regiebücher“ zu drei Theaterstücken, mit denen Sie arbeiten können und die Sie für Ihre Bedingungen anpassen und nach Ihren Ideen abändern können.

Zu 1.
Die Zielvorstellung: Was sollen die Kinder dabei lernen können?

Anfangs spielte Theater in meinem Kindergarten nur eine Randrolle. Es war nicht ständiger Bestandteil der Methodik. Ich empfand es damals als mühsam und manchmal auch frustrierend, mit den Kindern ein Theaterspiel zu entwickeln. Das änderte sich erst, als dieselben kognitiv und/oder schauspielerisch besonders begabten Kinder zum zweiten und dritten Mal in kurzer Folge intensiv Theater spielten. Es zeigte sich, dass wir uns eingearbeitet hatten, dass die Mühen des Anfangs überwunden waren. (Ähnliches passierte später, als Tanz ein ständiger Bestandteil meiner Methodik wurde.)

Ich möchte also dafür plädieren, nicht nur “mal“ Theater zu spielen, sondern die dafür wichtigen Fähigkeiten mit den Kindern beständig zu entwickeln. Dann entsteht mit der Zeit der Effekt, dass neu hinzukommende Kinder, auch wenn sie nicht so begabt sind wie die „Initiatoren“,  sich vieles von den erfahreneren Kindern abgucken können.

Das erleichtert Ihnen die Arbeit, und führt zu weniger Leerlauf und Frustration

– und dann macht es bald allen Beteiligten richtig Spaß! Und die Kinder lernen sehr viel dabei.

Für günstig halte ich, wenn im Team eine hierfür besonders begeisterte und talentierte Kollegin die Sache in die Hand nimmt und die Unterstützung des Teams erhält.

Meine Ziele für das Theaterspiel waren:

1. für alle Kinder:

– Sie sammeln Basiserfahrungen mit dem aktiven Theaterspiel. Worauf kommt es an, wenn man Theater spielen will? (Siehe weiter unten: methodische Tipps.)

– Sie probieren die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten (Sprache, Mimik, Gestik) bewusst aus, werden dabei angeleitet und erfahren eine Spiegelung durch die Zuschauer.

– Sie erfahren, dass für den Erfolg kooperatives und diszipliniertes Verhalten notwendig ist, und üben es.

– Sie erleben es, in einem Gesamtkunstwerk eine eigene Rolle zu übernehmen und so zum Gelingen des Ganzen beizutragen.

– Sie erleben das Entstehen eines komplexen Gesamtkunstwerks.

2. Zusätzliche Ziele für die intellektuell hoch begabten und/oder für Schauspiel besonders begabten Kinder:

– Sie erleben die Entfaltung ihrer Begabung “nach oben offen“. Das heißt, die Erzieherin achtet sorgfältig darauf, welche Fähigkeiten die hoch begabten Kinder zeigen und spornt sie an, an ihre (Leistungs-) Grenzen zu gehen.

– Die Kinder behalten den Überblick über das entstehende Gesamtkunstwerk in allen seinen Phasen.

– Sie übernehmen Hauptrollen, die hohe Anforderungen an die Vorstellungskraft, an die Ausdauer und an das Gedächtnis stellen.

– Sie gehen den eigenen Möglichkeiten entsprechend zu Sprechrollen über. Das heißt, die Erzählerrolle wird immer stärker dadurch entlastet, dass das Kind auch die sprachlichen Anteile der Rolle vom Erzähler übernimmt (siehe methodische Tipps).

– Sie üben sich in Sonderrollen, zum Beispiel übernehmen sie die Aufgaben der Souffleuse, der Requisitenmeisterin oder auch des Erzählers (vielleicht zunächst nur in einer Szene).

– Sie üben mehrere Rollen vollständig, so dass sie jederzeit für ein anderes Kind einspringen können.

– Sie erweisen sich als Vorreiter, wenn es darum geht, eine Szene ganz neu zu probieren.

– Sie machen kreative Vorschläge für die Gestaltung des Stückes (Kritik, Abänderungsvorschläge, zusätzliche Ideen).

– Sie stellen gedankliche Verbindungen zu professionellen Theateraufführungen her.

– Sie erleben, dass ihr hoher Anspruch, was das Ergebnis betrifft, Ernst genommen und unterstützt wird. (Siehe das Beispiel von Marja und den Kasperpuppen im Beitrag Spielgefährten und Freunde hoch begabter Kinder.)

Zu 2.
Die Auswahl der Geschichte, die gespielt werden soll.

Jede spannende und/oder lustige Geschichte ist geeignet. Grundlage können Bilderbücher, Märchen oder selbst ausgedachte Geschichten sein. Die Geschichten dürfen auch geändert werden. Geschichten abzuändern, ist eine wichtige frühe Erfahrung gerade für hoch begabte Kinder, bei der ihre Fähigkeiten und Neigungen zu divergentem und unkonventionellem Denken berücksichtigt und weiter entwickelt werden.

(Siehe auch: Divergentes Denken.)

Gut ist, wenn sich die Geschichte leicht und sinnvoll in einzelne Szenen aufteilen lässt.

Für einen ersten Theaterspiel-Versuch sollte die Geschichte kurz sein, damit die Kinder zunächst Übersicht und Orientierung gewinnen können, was Theater ausmacht (siehe methodische Hinweise).

Die Vorarbeit der Erzieherin sollte sein, ein Regiebuch zu entwerfen, das sich im Verlaufe des Spiels dann noch ändern und verbessern wird, weil Ideen der Kinder einfließen und weil beim Erspielen der Szenen immer deutlicher wird, was die Kinder gut umsetzen können und was bei den Zuschauern gut ankommt.

Hier finden Sie Beispiele zu solchen Regiebüchern:

„Rotkäppchen“ (für einen Einstieg ins Theaterspielen besonders geeignet).

„Hänsel und Gretel“ (anspruchsvoller, hoch begabte Kinder finden hier mehr Möglichkeiten und Herausforderungen).

„Das Märchen von der Prinzessin, die fast allen zu schlau war“ (Es stellt deutlich höhere Anforderungen an die Ausdauer der Kinder und es braucht wesentlich mehr Zeit, bis es erspielt ist. Es sollten hierbei auch besonders begabte Grundschulkinder mitmachen.)

Zu 3.
Die Zusammensetzung der Kindergruppe

Wenn die Kinder noch keine kontinuierliche Erfahrung im Theaterspiel haben, ist es günstig, mit einer kleinen Gruppe von 4 bis 5 Kindern anzufangen. (Siehe auch: Förderung in Kleingruppen – Möglichkeiten und Vorteile.)

Wenn Sie gruppenübergreifend oder offen arbeiten, empfiehlt es sich, gemeinsam mit dem Team Kinder zu entdecken, auf die wenigstens eines der folgenden Merkmale zutrifft:

– erwiesene oder vermutete hohe intellektuelle Begabung,

– besonderes Interesse und Talent zum Schauspielern,

– außergewöhnlich gute sprachliche Fähigkeiten,

– Freude am Darstellen (auch der eigenen Person) und am Präsentieren.

Sympathie unter den beteiligten Kindern macht das ganze erfreulicher.

Später wird es möglich sein, andere Kinder einzubeziehen. Zunächst sollte man diese Kriterien Ernst nehmen, damit die Kinder nicht schnell die Lust verlieren, weil es (wieder mal) nicht in ihrem Tempo oder mit ihrem qualitativen Anspruch vorwärts geht.

Die ersten „Schauspieler“ des Kindergartens sollten absolut Freiwillige sein. Schließlich müssen sie ja für die Nachkommenden erst mal eine Spur und ein Beispiel schaffen, an dem sich die Anderen dann orientieren können. Also bitte kein Kind dazunehmen, für das es „mal wichtig wäre, dass es mal aus sich rauskommt / sich was zutraut“. Möglicherweise fühlt dieses Kind sich später von sich aus angezogen von dem interessanten Treiben rund ums Theaterspiel.

Freiwilligkeit sollte aber auch im weiteren Verlauf einen sehr hohen Stellenwert haben. Denn wir sind ja noch im Kindergarten…

Zu 4.
Aufführung Ja oder Nein?

Diese Frage sollte in den Anfängen verneint werden. Um zunächst bei allen Beteiligten unbeschwerte Begeisterung fürs Theaterspiel aufkommen zu lassen, sollte kein Druck und erst recht kein Termindruck aufgebaut werden.

Wenn es dann doch auf Wunsch der Kinder am Ende zu einer oder mehreren Aufführungen kommt, umso besser. Aber nicht grad noch schnell vor der Nikolausfeier oder dem Sommerfest, sondern zu einem eigenen passenden Termin (zum Beispiel eine Aufführung für alle Kindergartenkinder oder bei einem Großelternnachmittag – Großeltern sind erfahrungsgemäß besonders wohlwollende und aufmerksame Zuschauer.)

Hat sich das Theaterspiel im Kindergarten erst mal etabliert, wird es schon Aufführungen geben.

Zu 5.
Organisatorische Hinweise

Es ist für alle Beteiligten motivierend und Spaß bringend, wenn das Theaterspiel an dem festgelegten Probentermin stattfinden kann und nicht etwa kurzfristig verschoben wird oder ausfallen muss. Auch Unterbrechungen und Störungen sollten unbedingt vermieden werden.

Daher ist es sinnvoll, wenn sich die Erzieherin, die am Theaterspiel beteiligt ist, sich für die Probenzeit aus dem restlichen Tagesgeschehen herausnehmen kann (also keine Telefonate, keine Tür-und Angelgespräche mit Eltern, kein Tee holen oder eben noch das Frühstück zubereiten).

Auch die Kinder sollen sich ganz auf das Theaterspiel einlassen können. Das heißt, dass die Zeiten so geplant werden, dass die Kinder nicht für parallele Aktionen aus dem Spiel geholt oder von den Eltern abgeholt werden.

Zu 6.
Methodische Hinweise.

Hier möchte ich Ihnen meine eigenen Erfahrungen schildern, als Angebot, wie es funktionieren kann. Auch andere Wege sind möglich. Da Theaterspiel, so wie ich es hier darstelle, ein Projekt ist, weise ich auch auf den Artikel Förderung in Projekten hin.

6.1
Fangen Sie an zu spielen, sobald die Kinder die Geschichte kennen und verstanden haben.

Halten Sie sich nicht mit Kulissenbau
und Kostümbastelei auf.

Das kann nebenbei wachsen. Oder es wird von einer „Requisitengruppe“ übernommen, die aus Kindern besteht, die sehr gerne werken und gestalten, jedoch nicht Theater spielen möchten.

Zu Beginn reicht es, die verschiedenen Orte auf der Bühne (zum Beispiel das Hexenhaus) anzudeuten, etwa mit einem bestimmten Tuch auf dem Boden. Wichtiger ist die Beschaffung der für die Spielhandlung nötigen Requisiten und eines Vorhangs.

6.2
Legen Sie gleich zu Anfang fest, wo die Bühne und wo der Zuschauerraum sein soll. Wenn Sie einen Turnraum haben, könnten Sie überlegen, ob dort an der Wand zwei stabile Haken angebracht werden können, an denen Sie immer wieder schnell eine Leine oder ein Drahtseil befestigen können. Diagonallösungen, die eine große Ecke als Bühnenraum abtrennen, haben sich bewährt.

6.3
Der Vorhang ist wichtig als räumlich und zeitlich strukturiendes Element:

– Hier die Schauspieler – da die Zuschauer.

– Jetzt wird gespielt – jetzt ist Pause bzw. jetzt werden Dinge besprochen.

Der Vorhangstoff sollte nicht zu schwer sein, damit die Leine nicht durchhängt (mit Decken oder vorhandenen Stoffen ausprobieren). Er sollte aber auch nicht so leicht sein, dass ihn das leiseste Lüftchen in Bewegung bringt. Ob Sie zum Aufhängen Schlaufen oder einen Schlauchtunnel nähen (lassen), durch den die Leine gezogen werden kann, ist im Grunde egal.

Es macht auch Spaß, den Fundus über Jahre immer weiter zu verschönern. Am Anfang kann man improvisieren.

6.4
Verteilen Sie die Rollen nicht am Anfang. Alle Kinder sollten im Laufe des Projekts alle Rollen ausprobieren können, wenn sie es möchten. Günstig für dieses Vorgehen ist, wenn Sie die Kostüme so weit und locker planen, dass sie allen Kindern passen oder zumindest mit wenigen Handgriffen angepasst werden können. Also kein Prinzessinnenkleid mit schmal gearbeiteter Taille.

1. Regel: Auf der Bühne sind die Schauspieler, die im Moment gerade dran sind. Alle anderen sind derweil Zuschauer und halten sich im Zuschauerraum auf.

Auch die Zuschauer haben eine große Bedeutung:
Sie dürfen, wenn die Szene vorbei ist, klatschen, kritisieren und Vorschläge machen – und es danach selber ausprobieren. So ist Theaterspiel auch ein gutes Lernfeld für Kritik und Selbstkritik.

6.5
Konzentrieren Sie sich zunächst auf eine Szene, die immer wieder geprobt wird, in wechselnder Besetzung. Das muss nicht unbedingt die erste Szene sein. Immer nach dem Schema:

Der Vorhang ist geschlossen – der Vorhang geht auf – es wird gespielt – der Vorhang schließt sich – wir sprechen drüber.

2. Regel: Beim Proben der einzelnen Szene darf nur die Regisseurin mit Kritik oder Vorschlägen dazwischen gehen. (Hoch begabte Kinder, die auch eine Schauspiel-Begabung haben, können nach meiner Erfahrung zeitweise auch diese Rolle erfolgreich ausfüllen – und profitieren sehr davon.)

Sowohl bei diesen Interventionen der Regisseurin, die behutsam und nicht zu häufig sein sollten, wie auch vor allem vor und nach dem Spielen einer Szene kann man üben, über die Situation und die Gefühle der handelnden Personen zu reden und die entsprechenden Gefühle auszudrücken (in Haltung, Gestik, Mimik und evtl. Stimme und Sprechweise).

Das Schwierige für jüngere Kinder ist beim Theaterspiel, dass es so vielfältige Anforderungen stellt. Da ist das Verständnis der Rolle selbst, ihre Einordnung in das Gesamtstück, dann sind da die zeitlichen Abläufe, des weiteren die Mimik, die Gestik, die Bewegung im Bühnenraum, die Lautstärke, die Modulation und Anpassung der Stimme an die Erfordernisse der Spielsituation, die Zuwendung zum jeweiligen Spielpartner sowie die Reaktion auf ihn, die Wendung zum Publikum und schließlich sind da auch noch die Worte, die gesagt werden sollen.

Im spontanen Rollenspiel der Kinder geschieht dies eben spontan, im Theaterspiel mit einer festgelegten Geschichte besteht die Aufgabe aber darin, an einem Gesamt“kunst“werk mitzuwirken und sich in das Gesamtkunstwerk auch einzufügen. Nicht umsonst wird von den größten Stars gern gesagt: „Er ist ein sehr disziplinierter Schauspieler.“

Gerade dieses Schwierige macht aber das Theaterspiel gerade für hoch begabte Vor- und Grundschulkinder auch so interessant,
wenn sie denn Lust dazu haben.

6.6
Um die Schwierigkeit in Grenzen zu halten und alles außer dem gesprochenen Text erst mal üben zu können, ist es sinnvoll, die Rolle der Erzählerin einzuführen. (Siehe auch in den Regiebüchern zu „Hänsel und Gretel“ und dem „Märchen von der Prinzessin, die fast allen zu schlau war“.)

Zunächst sollte diese Rolle von einer Erzieherin übernommen werden, da es nicht nur um das Vorlesen geht, sondern auch der Spielvorgang auf der Bühne beachtet und mit dem Vorlesen zeitlich koordiniert werden muss. Später kann vielleicht auch ein sicher lesendes Kind diese Aufgabe übernehmen.

Der Einsatz einer Vorleserin oder eines Vorlesers hilft den Kindern, sich im Stück zu orientieren und mit wenig – zur Not zunächst auch ganz ohne – Sprache auszukommen. Mit zunehmender Sicherheit und Gewandtheit können die Kinder dann – je nach ihren individuellen Wünschen und Fähigkeiten – immer mehr Sprechrolle übernehmen, woran sich die Vorleserin natürlich anpassen muss.

6.7
Wenn ein Kind (noch) unbeholfen – oder unsicher oder schüchtern – ist, spielen Sie mit ihm im Dialog, übernehmen Sie (oder ein sicheres Kind) eine der Rollen. Das Kind kann sich eher in die Rolle hineinversetzen, wenn es ein sinnvoll agierendes Gegenüber hat, als wenn beide zunächst keine Idee haben, wie sie es machen können.

6.8
Bei meinen Theaterprojekten hatten die (hoch und besonders begabten) Kinder nach wenigen Proben keine Probleme, zwischen den Szenen hin und her zu springen. Es war für sie egal, ob erst die dritte, dann die fünfte und dann vielleicht die zweite Szene geprobt wurde. Sehr schnell waren sie in dem Stück „zu Hause“ und erinnerten die schusselige Regisseurin (mich) an wichtige Einzelheiten der jeweiligen Szene.

Bitte lesen Sie auch: Theaterspiel im Kindergarten,

auch wenn sich beide Beiträge in einigen Passagen überschneiden.

 

Datum der Veröffentlichung: April 2017
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum