Vortrag bei der 4. IHVO-Fachtagung am 5.5.07
von Elke Keuler
In den letzten Jahren hatten wir immer wieder hoch begabte Kinder in unserem Städtischen Kindergarten. Neben der Förderung dieser Kinder war und ist es uns aus der Erfahrung heraus auch wichtig, den Übergang vom Kindergarten zur Grundschule für die Kinder und deren Eltern sinnvoll zu gestalten und auch über den Kindergarten hinaus weiter zu begleiten.
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1.
Im Sinne der kognitiven und emotionalen Förderung hoch begabter Kinder ist auch eine positive Gestaltung des Überganges vom Kindergarten zur Grundschule wichtig.
Dazu ist es notwendig, dass Eltern, Kindergarten und Schule konstruktiv zusammenarbeiten. Die Sorgen, Bedenken, aber auch die Möglichkeiten in Hinblick auf die Förderung der intellektuellen, sozialen und emotionalen Fähigkeiten, müssen bedacht werden.
2.
Es gibt Faktoren, die es den Eltern unter Umständen erschweren, offen mit der Thematik Hochbegabung umzugehen und die dann zwangsläufig die Kommunikation und damit auch den Übergang zur Grundschule beeinflussen. Nicht selten haben die Eltern, schon bevor sie mit ihrem Kind im Kindergarten aufgenommen wurden, zahlreiche, oft verunsichernde Erfahrungen, in ihrem Umfeld machen müssen. Der Neid anderer Eltern oder auch entgegengebrachte Vorurteile wie z. B. „begabte Kinder sind nur ein Resultat übereifriger Eltern“ erschweren nicht nur den Umgang mit anderen Familien, sondern verunsichern auch, inwieweit sie offen diesem Thema umgehen dürfen. Möglicherweise geht die Verunsicherung so weit, dass sie aus der Angst heraus, dass das Kind isoliert wird, die Förderung des Kindes einschränken oder denken, sich dafür rechtfertigen zu müssen.
3.
Die Folgen der o. g. Vorerfahrungen können sich dann in der Form zeigen, dass die Eltern zunächst zurückhaltend in der Kontaktaufnahme mit dem pädagogischen Personal des Kindergartens sind. Von daher ist es notwendig, dass Erzieher mit dieser Thematik und den damit oftmals verbundenen Schwierigkeiten, vertraut sind. Dies ermöglicht ihnen, nicht nur sensibel auf die Kinder, sondern auch auf die Eltern zu- und eingehen zu können.
4.
Für die Gestaltung einer positiven Kommunikation aller Beteiligten ist es wichtig zu wissen, welche Fragen die Eltern beschäftigen, oder auch welche Ängste mit dem Übergang zur Schule verbunden sind. Damit die Lehrer das Kind entsprechend fördern können, ist es notwendig, dass die Eltern die Hochbegabung des Kindes in der Schule mitteilen. In dem Gespräch mit den Lehrern stellt sich dann auch heraus, welche Vorerfahrungen und Ansichten bei den Lehrern vorhanden sind. Grundsätzlich können Ängste, Bedenken und Unsicherheiten der Eltern durch gegenseitige Offenheit und durch eine gute Informationsweitergabe minimiert werden. So sollten beispielsweise, im Rahmen der Bildungsdokumentationsgespräche, die Fähigkeiten und Sensibilitäten der Kinder klar benannt und die Bedenken der Eltern in Bezug auf Überforderung nach vorzeitiger Einschulung, thematisiert und minimiert werden. Grundsätzlich kann es bei jedem Kind, also auch bei hoch begabten Kindern, zu einer Überforderung kommen. Dabei ist es wichtig herauszufinden, ob es sich um eine körperliche, geistige oder emotionale Überforderung handelt. Dementsprechend müssen dann gemeinsam mit den Eltern Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.Durch die Bildungsdokumentation, die mit Einwilligung der Eltern schriftlich niedergelegt und die den Eltern mit dem Ende der Kindergartenzeit ausgehändigt wird, haben die Eltern eine weitere Möglichkeit, die Lehrer zu informieren. Darüber hinaus kann durch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule die Klassenzusammensetzung im Hinblick auf die Kinder, die gemeinsam in eine Klasse gehen, positiv beeinflusst werden. Dadurch besteht auch für das hoch begabte Kind die Möglichkeit, mit Kindern in eine Klasse zu kommen, die ihm vertraut sind.
5.
Grundsätzlich ist eine vorzeitige Einschulung immer eine Einzelfallentscheidung und von mehreren Faktoren abhängig. Eine entsprechende individuelle Förderung der Kinder im Kindergarten z. B. durch spezielle Angebote und Materialien sowie auch die Stärkung des sozial-emotionalen Bereiches kann die Entscheidung, ob ein Kind vorzeitig eingeschult werden soll, vereinfachen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich die Beteiligten (Kind, Eltern, Erzieher und Lehrer) im Hinblick auf den Einschulungszeitpunkt nicht sicher sind.
Es gibt Gründe, die es trotz optimaler Förderung im Kindergarten sinnvoll machen, ein hoch begabtes Kind früher einzuschulen, z.B. wenn alle mit ihm befreundeten Kinder ebenfalls in die Schule gehen und in Zukunft für das Kind keine adäquaten Spielpartner im Kindergarten zur Verfügung stehen.
Im Sinne und in der Verantwortung gemeinschaftlicher Förderung der Kinder ist es grundsätzlich immer wichtig, dass sich Schulen und Kindergärten gegenseitig darüber informieren, wie die pädagogisch-inhaltliche Arbeit aussieht. Optimal wäre natürlich, wenn Arbeitsmaterialien des Kindergartens und der Schule aufeinander abgestimmt und in Teilbereichen gleich sind oder auch aufeinander aufbauen.
Auch im Hinblick auf die Beratung der Eltern ist es für Erzieher hilfreich zu wissen, auf welche Weise die Lehrer arbeiten und wie sich der Unterricht in der Schule gestaltet.
6.
Problematisch wird es, wenn für die Beurteilung der Schulreife ausschließlich die Kriterien des Schulfähigkeitsprofils zu Grunde gelegt und dabei nicht die Auswirkungen auf die Gesamtentwicklung bedacht werden.
7.
Für die Entscheidungsfindung pro oder contra „Vorzeitiger Einschulung“ ist es ausschlaggebend, ob und in wieweit das Kind durch die hier aufgeführten Stolpersteine in seiner Gesamtentwicklung beeinträchtigt ist. Im Gegenzug muss natürlich auch immer überlegt werden, ob das Kind nicht mehr „leidet“, wenn es noch ein Jahr im Kindergarten verbleibt. Fraglich ist, ob ein hoch begabtes Kind, welches aufgrund einiger fehlender personalen oder sozialen Kompetenzen nicht vorzeitig eingeschult wird, ein Jahr später über genau diese Fähigkeiten verfügt. Inwieweit diese Stolpersteine auf die hoch begabten Kinder zutreffen, hängt davon ab, welche Erfahrungen das Kind bereits gemacht hat und ob es in seinem Erziehungsfeld Personen gibt, die es emotional und unterstützend begleiten.
Grundsätzlich sollten Erzieher, mit dem Wissen um diese Stolpersteine, schon vorausschauend an diesen Kompetenzen mit den Kindern pädagogisch arbeiten. Günstigerweise sollte dies dann später in der Schule weiter fortgesetzt werden.
8.
Für hoch begabte Kinder kann es manchmal problematisch sein, sich auf neue Situationen einzulassen, besonders dann, wenn sie nicht ab- oder einschätzen können, was sie erwartet:
-Welche Lehrerin/welchen Lehrer bekomme ich? Optimal wäre natürlich, wenn das Kind dann die Möglichkeit hätte, bei der Lehrerin/dem Lehrer, der dann auch später Klassenlehrer wäre, zu hospitieren.
- Welche Kinder gehen mit mir in eine Klasse?
- Welche Regeln oder Strukturen finde ich vor, zum Beispiel was geschieht in der Pause?
- Werde ich den Erwartungen der Lehrer gerecht?
Durch die Möglichkeit der Kinder, in der Schule hospitieren zu können, besteht die Chance, viele dieser Fragen und Unsicherheiten beantworten und klären zu können.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Erzieher die Sorgen und Ängste der Kinder und die oft unausgesprochenen Fragen wahrnehmen und sensibel thematisieren.
9.
Eine konstruktive Kooperation zwischen Kindergärten und Schulen ist nicht nur bildungspolitisch gefordert, sondern auch im Hinblick auf die ganzheitliche und kontinuierliche Förderung aller Kinder notwendig. Für sensible, ängstliche Kinder, aber auch für Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf aufgrund besonders hoher Begabung, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule sinnvoll.
10.
Für alle Kinder, besonders aber auch für hoch begabte Kinder, gibt es Faktoren und Voraussetzungen, die eine optimale Förderung der Kinder in der Schule positiv beeinflussen.Lehrer und Erzieher sollten gemeinsam planen, wie sie organisatorisch und auch inhaltlich den Übergang hoch begabter Kinder vom Kindergarten zur Grundschule gestalten können.
Bezüglich der Hospitation der Kinder in der Schule, könnte z. B. gemeinsam mit allen Beteiligten, Eltern, Lehrern, Erziehern, überlegt werden, wie lange und wie viele Stunden das Kind in der Schule bleibt. Bei diesen Überlegungen ist es wichtig, dass sie individuell auf das Kind abgestimmt sind und das Kind ebenfalls mit in die Entscheidung einbezogen wird. Wichtig ist natürlich auch, das Kind während der Hospitationszeit „zu begleiten“ und als Ansprechpartner für Fragen und Ängste anwesend zu sein.
Die Möglichkeit der Hospitation in der Schule ist auch für die Kinder eine Chance, bei denen eine vorzeitige Einschulung angedacht ist. Nach der Hospitationszeit sollten sich alle Beteiligten zusammenfinden, um eine Entscheidung zu treffen. Dabei sollten sich alle offen dazu äußern können und das Ergebnis sollte nicht schon von vornherein feststehen. Schulkonzepte, die offene Unterrichtsformen beinhalten, kommen gerade auch hoch begabten Kindern mit ihren besonderen Fähigkeiten und auch manchmal eigenwilligen Lernstrategien zugute. Unterrichtsformen, die individuelles Lernen ermöglichen, sind z. B. das Stationenlernen oder auch die Projektarbeit. Der Vorteil dieser Methoden liegt u.a. darin, dass die Kinder, entsprechend ihrem individuellen Arbeitstempo, lernen können. Darüber hinaus bietet die inhaltliche Differenzierung (nicht jeder erhält das gleiche Material), die Chance, über verschiedene Fähigkeiten/ Sinne, zu lernen und auch den individuellen Lernstrategien der Kinder entgegen zu kommen.
11.
Viele der hoch begabten Kinder benötigen keine therapeutische Beratung oder Unterstützung. Ist ein Kind aber in Therapie, macht es unter Umständen Sinn, die Sichtweise des Therapeuten, zum Beispiel bei vorzeitiger Einschulung, mit einzubeziehen.
Grundsätzlich ist es wichtig, Kindergarten und Schule nicht isoliert zu betrachten. Mit der Einwilligung der Eltern, dass Erzieher und Lehrer sich austauschen dürfen, können wertvolle Hinweise für alle Beteiligten, zugunsten des Kindes, weitergegeben werden.
Im Sinne aller Kinder, auch der hoch begabten Kinder, ist eine enge Vernetzung aller Institutionen mehr als notwendig. Mein persönliches Anliegen ist es, eine Info-Broschüre zu erstellen, in der Kindergärten, Schulen, diagnostische und therapeutische Einrichtungen, wie auch Institutionen aufgeführt sind, die hb Kinder, Jugendliche und Erwachsene fördern und beraten. Eine solche Broschüre ermöglicht auch den Eltern dieser Kinder, Ansprechpartner zu finden.
Wer also Adressen und Infos zu Einrichtungen im Köln-Bonner- Raum hat, kann mir diese gerne unter folgender Mail-Adresse mitteilen: ekeuler@web.de. Ich freue mich über jede Information!
Datum der Veröffentlichung 5.5.07