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Kommentar: Potenzialentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung

von Hanna Vock
Juli 2013

 

„Potenzialentfaltung“ und „Persönlichkeitsbildung“ sind Schlagworte, die in der schulpolitischen Diskussion zur Zeit ganz weit vorne stehen.

Es gibt anscheinend Schul- und Bildungspolitiker sowie auch praktische Pädagogen, die diese Begriffe und was damit gemeint ist, gerade erst entdecken.

Auch wird jetzt gerne gefragt, wie viel persönliche Beziehung zwischen Kind und Pädagogen im Lernprozess enthalten sein muss, damit er gelingt.

Wie kann das alles sein?

Ist es nicht selbstverständlich – und jedem engagierten und talentierten Pädagogen von vornherein klar – dass man nicht von „ganz weit weg“ oder gar „von oben herab“ einem Kind bei seiner Entwicklung wirksam helfen kann?

Es müsste doch längst selbstverständlich sein, dass es bei Bildung letztlich immer um Potenzialentfaltung und Persönlichkeitsbildung geht. Die Persönlichkeitsbildung schließt auch ein, dem Kind oder Jugendlichen abzuverlangen, Verantwortung für sich selbst und – im Rahmen seiner Möglichkeiten – für andere Menschen zu übernehmen. Und es gehört auch zum Bildungsprozess, ihnen abzuverlangen, Verantwortung für das Gelingen von alltäglichen Aufgaben und herausfordernden Projekten zu übernehmen. Hier gehen die beiden Bildungsziele Potenzialentfaltung und Persönlichkeitsbildung ineinander über.
Das alles müssen wir den Kindern aber nicht nur abverlangen, sondern auch ermöglichen.

In vielen Kindergärten, die ich kennenlernen durfte, geschieht und gelingt auch genau das – die Verbindung von Potenzialentfaltung und Persönlichkeitsbildung. Bitte lesen Sie als einen von vielen Belegen dafür den neuen Beitrag „Schmetterlings-AG„.

Viele Berichte in diesem Handbuch zeigen: Erst als die Beziehung zwischen Pädagogin und Kind sich entwickelte (und auch eine Beziehung mit echtem geistigem Austausch wurde) haben die Kinder ihr wirkliches Potenzial gezeigt und sich bei der Weiterentwicklung helfen lassen.

Wäre es, gesamtgesellschaftlich betrachtet, nicht ein guter Weg, genau die Menschen für pädagogische Berufe (und vielleicht sogar für die Besetzung von Posten in der Bildungspolitik?!) zu interessieren, die diese Voraussetzungen mitbringen? Die dies alles – weil sie pädagogische Begabung besitzen – eh schon tief verinnerlicht haben und selbstverständlich finden? Die ihre Ausbildung in jungen Jahren schon mit dem festen Willen antreten, genau dieses – Potenzialentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung – für Kinder und Jugendliche zu verwirklichen? Die auch über die nötige pädagogische Begabung verfügen, es in der Praxis umzusetzen?

Es ist so unglaublich mühsam und oft gar nicht von Erfolg gekrönt, pädagogisch unbegabten und un-inspirierten Lehrern und Erzieherinnen diese Grundsätze und die geeignete Methodik „beizubringen“ – oder wie eine Kollegin es einmal formulierte: „beizubiegen“.

Für mich lauten die beiden Hauptfragen der Bildungspolitik angesichts der viel beklagten Misere deshalb:

1. Wie können die pädagogischen Berufe und Berufsstätten so attraktiv gestaltet werden, dass es einen großen Ansturm auf sie gibt? Oder ist das unserem reichen Land einfach doch zu teuer?

2. Wie können aus den dann vielen Bewerberinnen und Bewerbern in einem sorgfältigen Prozess die heraus gefunden werden, die die größte Begabung und die größte Motivation zum Gestalten von gelingender Bildung und Erziehung haben?

Schauspielschulen, Journalistenschulen und Ausbildungsstätten bei den großen Sendern, Musikakademien und viele andere – sie machen sich die Mühe: Sie prüfen hart und weisen viele Anwärter ab, aber für die Qualität der Arbeit ist es von Nutzen.

Warum ist das bei den pädagogischen Berufen nicht so? Etwa weil Verantwortliche insgeheim immer noch glauben: Erziehen und bilden kann jeder???

Andererseits:
Wie viel Freude macht es, begabte Pädagogen aus- und weiterzubilden und ihnen bei der Arbeit zu zu sehen?!

 

Datum der Veröffentlichung: Juli 2013
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum

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Kommentar: Inklusion – aber bitte ganz schnell?!

von Alexa Kreitlow, Leiterin der Kita „Botzeknööfe“ in Kürten
Mai 2013

Bitte lesen Sie auch: Einige Informationen zu Inklusion

 

Wenn es jetzt um die schnelle Einführung von Inklusion in Kitas geht – wird da nicht ein toller faszinierender Gedanke missbraucht, um eine neue Sparpolitik durchzusetzen, – und das auf Kosten aller unserer Kinder und des Personals?

Um Inklusion verantwortungsvoll zu verwirklichen, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Inklusion kann das Ziel sein, sie ist allerdings nicht von heute auf morgen zu haben. Der Weg zur Inklusion ist lang: Eltern, Erzieher und Träger müssen überzeugt und geschult werden.

Dies können wir nur erreichen, wenn die Regel-Kindergärten personell und räumlich ausreichend ausgestattet sind. Ich gehe davon aus, dass es schon bei der Frage ausreichender personeller und räumlicher Ausstattung unterschiedliche Meinungen gibt. Natürlich soll alles auch kostenneutral geschehen. Es scheint ja genug Geld da zu sein, denn die gut funktionierenden, aber auch teuren Integrativen Einrichtungen sollen Auslaufmodelle werden. Dieses Geld soll dann in die Regeleinrichtungen fließen.

Was mich in der Diskussion stört ist die Tatsache, alle Kinder mit Förderbedarf über einen Kamm zu scheren. Die jeweiligen Fälle sind dabei ganz individuell verschieden und erfordern auch individuelle Förderung. Nicht jeder Kindergarten kann für jedes Kind das Beste sein und nicht jede Erzieherin ist auch gleichzeitig Heilpädagogin.

Viele Kindertageseinrichtungen fühlen sich den ungewöhnlichen Bedürfnissen und Problemen der Kinder weder fachlich, zeitlich, noch räumlich gewachsen. Das verwundert wiederum nicht, wurde uns Erzieherinnen doch über viele Jahre hinweg weisgemacht, wir wären ungeeignet ausgebildet, um die Kinder mit besonderen Bedürfnissen adäquat zu fördern. Und nun soll das plötzlich anders sein, nur weil es zur „political correctness“ gehört, dass sich Kinder mit Behinderung gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung bilden sollen?

Aber wer traut sich, das öffentlich zu sagen? Wer möchte sich denn auch damit outen, dass er nicht auf der „richtigen“ Seite der Moral steht? Wir wollen doch Alle keine Kinder ausgrenzen.

Aber es muss auch leistbar sein, und es sollte wirklich das Beste für die Kinder sein. Wie immer ist es eine Frage des Geldes! Denn mit zusätzlichen Räumen und mehr Personal würden wir sehr gerne dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung Teil unserer Gemeinschaft sein können und dass ihre Behinderung dabei keine Rolle spielt.

Eins ist sicher, auch wir „Botzeknööfe“ werden uns auf den Weg machen, die Forderung nach Inklusion zu erfüllen, aber wir wollen es gut machen. Wir werden es langsam angehen und uns fortbilden und – im Gegensatz zur Politik – zuerst einmal ein Konzept entwerfen.

Wir wollen nicht, dass sich Kinder mit besonderen Bedürfnissen einfach an unsere bestehenden Rahmenbedingungen anpassen müssen. Und wir wissen schon heute, dass das Zusammenleben mit Kindern mit verschiedensten Behinderungen eine völlig neue Konzeption braucht.

Aber all das schaffen wir natürlich nicht bis August 2013, wie es die Politik gerne hätte.

 

Bitte lesen Sie auch: Einige Informationen zu Inklusion
Datum der Veröffentlichung: Mai 2013
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Kommentar:
Hoch begabte Kinder in Waldorfschulen?

von Hanna Vock
Januar 2013

 

Oft werde ich von Eltern und auch von Kolleginnen gefragt, welche Grundschulform ich für hoch begabte Kinder empfehlen könnte. Manchmal kann ich eine Schule ganz konkret empfehlen, weil ich sie kenne und einschätzen kann, wie dort gearbeitet wird.

Meistens ist das aber nicht der Fall – und dann geht es den Eltern um die Schulform. Meine Antwort geht dahin, dass ich die Schulform für zweitrangig halte. Es ist wichtiger, vor Ort heraus zu finden,

  • wie die Schulleitung zu Hochbegabung eingestellt ist,
  • welche Erfahrungen es an der Schule mit der Förderung hoch begabter Kinder gibt,
  • und vor allem, wie die aufnehmende Lehrerin sich dazu stellt, ein (vermutlich) hoch begabtes Kind in ihrer Klasse zu unterrichten.

Dies alles kann man nur in offenen Gesprächen erfahren, zu denen ich dringend vor der Einschulung rate.

Nur von einer Schulform rate ich grundsätzlich ab: von der Waldorfschule.

Mag sie für manche Kinder eine geeignete Schulform sein, wenn die Eltern sich mit den ideologischen, unwissenschaftlichen und damit auch unpädagogischen Grundlagen der Waldorfschulpädagogik arrangieren können.

Für hoch begabte Kinder ist diese Schulform schädlich, da sie zum Beispiel abstraktes Denken von Kindern unter 7 Jahren ablehnt und nicht selten, wie mir des öfteren berichtet wurde, zu verhindern sucht. Es wurde in diesen Fällen den Kindern gesagt, dass sie davon krank werden könnten, und auch die Eltern wurden in diesem Sinne verunsichert.

Grade hoch begabte Kinder haben aber das Bedürfnis und das Potenzial, schon sehr früh logisch, systematisch und abstrakt zu denken, was nicht nur zu akzeptieren, sondern auch positiv zu bestätigen und zu fördern ist.

 

Bitte lesen Sie zur Waldorfschule den informativen Artikel
aus der Süddeutschen Zeitung vom 28. 1. 2013.

Es ist sicher auch nicht verkehrt, die im Artikel erwähnte Petition online zu unterschreiben.

 

Datum der Veröffentlichung: Januar 2013
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum