von Hanna Vock

 

Vorbemerkung:

Das Märchen „Hänsel und Gretel“ ist für viele Kinder faszinierend, da die Helden der Geschichte Kinder sind, die zusammenhalten und sich erfolgreich gegen das Böse behaupten.

Um es mit Kindergartenkindern zu spielen, habe ich das Märchen verändert:

Die grausamen Anteile wurden aus dem Märchen heraus genommen, und zwar sowohl die Absicht der Hexe, Hänsel fett zu füttern und zu braten, als auch das Verbrennen der Hexe zum Schluß.
Diese Teile sind nicht wesentlich für die Geschichte und können problemlos durch Gemeinheiten ersetzt werden, die den Kindern näher und weniger grausam sind…

Ich finde, es ist noch einmal ein Unterschied, ob Kinder das Märchen in der eigentlichen (grausamen) Form hören oder lesen – oder ob sie es immer und immer wieder spielen.
Mehr dazu, wie das Theaterspiel mit diesem Märchen erstmalig entwickelte, siehe in: Theaterspiel im Kindergarten.

Den Kindern zu erklären, warum die Veränderungen vorgenommen wurden, und dies mit ihnen zu diskutieren, ist wichtig und ist auch eine gute Gelegenheit kognitiver Förderung.

Dieses Märchenspiel habe ich mehrfach mit Kindergarten- und Grundschulkindern erarbeitet, darunter auch mit hoch begabten Kindern.

Interessant war für mich, dass hoch begabte Kinder im Vor- und Grundschulalter die Struktur und die Details des Theaterstücks deutlich schneller begriffen und speicherten als andere Kinder. Sie waren auch öfter daran interessiert, die Inhalte zu diskutieren.

Bei ähnlicher Anfangslust blieben sie wesentlich ausdauernder bei der Sache und zeigten einen hohen Anspruch an die Stimmigkeit aller Einzelheiten. Bei Unaufmerksamkeit Einzelner reagierten sie leicht unduldsam und ärgerlich.

Die Hauptrollen übernahmen die hoch begabten Kinder, die auch schauspielerisches Talent bewiesen. Die Kinder, die die Nebenrollen spielten, mussten nicht annähernd so ausdauernd und konzentriert agieren, trugen aber ebenfalls wesentlich zum Gelingen des Spiels bei und hatten auch entsprechende Erfolgserlebnisse.

Achtung:
Es kann passieren, dass keines der Kinder die böse Hexe spielen will. In diesen Fällen musste eine Kollegin diese Rolle übernehmen.

Die Geschichte wurde Bild für Bild erarbeitet, manche Kinder probierten mehrere Rollen nacheinander aus und manche Rollen waren doppelt und dreifach besetzt.

Das folgende „Drehbuch“ entwickelte ich während der Arbeit mit den Kindern, eine Kollegin übernahm die Rolle der Erzählerin. Ich führte die Regie, konnte diese Aufgabe aber zunehmend an hoch begabte Kinder abgeben, die durch organisatorisches Talent auffielen.

Zur Methodik siehe auch: Theaterspiel im Kindergarten und
Theaterspiel mit hoch begabten Kindern.

Hänsel und Gretel

Rollen:

Erzählerin
Stiefmutter
Vater
Hänsel
Gretel
Hexe

Eichhörnchen
Mond
mehrere Vögelchen
Uhu
Sonne
Angsthase
schwarze Katze
Schneeflocken

Kulissen / Requisiten:

1. Bild:

Wald-Kulisse, Bäume im Raum
Tisch, 4 Stühle, Kanne mit Wasser, 4 Gläser
Kieselsteine auf dem Boden,
Bettstellen für Hänsel und Gretel

2. Bild:

Haustür

3. Bild

Schlüssel und Brot

4. Bild

genauso

5. Bild

Hexenhaus: Fensterscheibe aus Transparentpapier
zwei echte Lebkuchen / Kekse für Hänsel und Gretel
Licht aus dem Hexenhaus (Taschenlampe)

6. Bild

Käfig
Tisch + Töpfe, Zaubertopf mit Deckel, Bürste
„Scheinwerfer“ (z.B. starke Stehlampen)
Musikinstrumente Trommel und Becken

Kostüme:

Uhu: Schnabel + Flügel
Mond: gelbe Kleidung und Pappkreise vorn und hinten
Vögel: einfarbige Kleidung + Flügel + Schnabel
Angsthase: braune Fellkleidung + Ohren
Sonne: helle Kleidung + zwei Pappkreise mit Strahlen
Schneeflocken: weiße Kleidung und Wattekränze

Erzähler

Regie

1.Bild

Es lebten einmal vor langer Zeit ein Junge und ein Mädchen. Das Mädchen hieß Gretel, und der Junge hieß Hänsel. Sie wohnten mit ihrem Vater und der bösen Stiefmutter in einer Hütte am Waldesrand.

Die Stiefmutter hatte die Kinder gar nicht lieb, und der Vater war ohne Mut.

Sie waren sehr arm, oft hatten sie nicht genug zu essen und mussten hungrig bleiben.

Heute können sie sich wieder nicht satt essen, der Bauch tut ihnen weh. Die Stiefmutter schickt die Kinder ins Bett.

Alle vier sitzen vor der Höhle an einem Tisch, auf dem nur eine Kanne mit Wasser und 4 Gläser stehen.

Die Kinder gucken traurig. Die Stiefmutter gießt Wasser in die Gläser.

Sie trinken ein bisschen Wasser und werden hungrig ins Bett geschickt.

Gretel schläft ein, Hänsel hört, wie die Eltern reden. Er hockt sich an die Tür, um alles besser mitzukriegen.

Der Vater sagt: „Unsere armen Kinder haben so schlimmen Hunger.“

Und die böse Stiefmutter antwortet:

„Es ist nichts mehr zu essen im Haus, alles ist aufgebraucht. Das wenige, was wir noch kaufen können, reicht nur für mich und für dich, aber nicht noch für die Kinder. Morgen bringen wir sie in den Wald und lassen sie allein.“

Der Vater erschrickt und jammert: „Oje oje oje oje“.

Die Kinder wälzen sich eine Weile im Bett herum, und Gretel schläft ein.

Hänsel setzt sich langsam auf und lauscht heimlich.

Die Stiefmutter guckt die ganze Zeit böse.

Hänsel horcht angespannt und macht ein erschrockenes Gesicht.

VORHANG

2.Bild:

Hänsel ist ganz erschrocken, über das, was er gehört hat. Was kann er tun? Er hat Angst, dass er und Gretel aus dem Wald nicht mehr nach Hause finden.

Plötzlich hat er eine Idee:

Er wartet, bis die Eltern schlafen gehen. Dann schleicht er sich ganz leise und heimlich aus der Hütte und sammelt draussen Kieselsteine.

Sein Freund, das Eichhörnchen, hilft ihm dabei.

Mit vollbepackten Hosentaschen schlüpft er wieder in sein Bett.

Alle Personen sind noch auf denselben Positionen.

Die Haustür hängt an Schnüren von der Decke herunter.

Die Eltern gehen schlafen.

Der Mond steht am Himmel.
Es ist dunkel.

Am nächsten Morgen geht der Mond unter, und die Sonne geht auf. Die Eltern gehen mit Hänsel und Gretel in den Wald. Die Stiefmutter sagt den Kindern, dass sie Holz fürs Feuer holen müssen.

Hänsel geht als letzter und lässt heimlich seine Kieselsteine fallen.

Mitten im Wald machen sie Rast. Die böse Stiefmutter sagt: „Ihr bleibt jetzt hier.“ Hänsel und Gretel setzen sich hin, und der Vater und die böse Stiefmutter gehen weg.

Es wird langsam dunkel, die Sonne geht unter.

Gretel bekommt Angst. „Wo bleiben unsere Eltern?“

Hänsel beruhigt seine Schwester: „Wir finden auch allein wieder nach Hause. Ich habe Kieselsteine auf den Weg gestreut. Wir warten, bis der Mond aufgeht. Im Mondschein werden wir die Kieselsteine blinken sehen.“

Und so kommt es auch. Der Mond geht auf, und die Kieselsteine zeigen ihnen den Weg. Unheimlich ist es doch im finstern Wald, darum stimmen beide ein Lied an und finden endlich nach Hause.

Scheinwerfer dimmen!

 

 

 

Lied:

1. Im Walde von Toulouse, da wohnt ein Räuberpack.

2. Es waren ihrer Fünfe, verborgen im Gebüsch.

3. Mein Herr, bleibt bitte stehen, wo habt Ihr Euer Geld?

4. Im selben Augenblicke, da kam die Polizei.

5. Im Walde von Toulouse gibt´s keine Räuber mehr.

VORHANG

3. Bild

Die böse Stiefmutter ist wütend und jagt die Kinder sofort ins Bett.

Zum Vater sagt sie: „Morgen bringen wir die Kinder noch tiefer in den Wald hinein. Nochmal finden sie den Weg bestimmt nicht mehr zurück. Dafür werde ich sorgen.“

Sie schließt die Tür fest zu und versteckt den Schlüssel.

Diesmal hat Gretel alles gehört. Sie will auch heimlich Kieselsteine sammeln, aber sie kann nicht aus dem Haus.

Da fällt ihr ein, dass die böse Stiefmutter noch ein Stück Brot für sich versteckt hat. Das holt sich Gretel, steckt es in ihre Tasche und schleicht ins Bett zurück.

Schlüssel

Brot

VORHANG

4. Bild

Die Sonne geht auf.

Der Vater weckt die Kinder, und sie machen sich auf den Weg.

Gretel geht als Letzte hinterher und zerkrümelt das Brot. Sie denkt: „Die Brotkrumen werden uns den Weg nach Hause zeigen.“

Die Eltern lassen die Kinder im tiefen Wald allein.

Ein paar Vögelchen , die auch hungrig sind, kommen angeflattert und picken alle Brotkrumen auf.

Als die Eltern gar nicht wiederkommen, bekommt Hänsel Angst und weint. Gretel tröstet ihn: „Wir werden den Weg nach Hause finden, ich habe heimlich Brotkrumen gestreut.“

Da fasst auch Hänsel wieder Mut, und beide beginnen nach den Brotkrumen zu suchen.

Mond verschwindet, Sonne kommt.

Hänsel und Gretel werden in den Wald gebracht und lassen sich dort nieder.

VORHANG

5. Bild

O je, sie finden nichts und geraten immer tiefer in den Wald. Es wird schon wieder dunkel, und der Mond geht auf.

Ein Uhu fliegt mit unheimlichem Schrei durch den Wald.

Schließlich fängt es an zu schneien, die Schneeflocken tanzen.

Hänsel und Gretel ist es unheimlich zumute. Sie frieren und haben schrecklichen Hunger.

 

 

 

Ein kleiner Angsthase kommt herbeigehoppelt und will die Kinder aufhalten.

 

Die Kinder sehen aber in der Ferne ein Licht blinken. Dort wollen sie hin.

Sie gehen vorsichtig näher und finden ein wunderbares Häuschen.

Sie staunen und können kaum glauben, was sie sehen:

Das Häuschen ist über und über mit Lebkuchen behangen und die Fensterscheiben sind aus Zucker.

Sie fangen an zu knabbern und zu futtern.

Plötzlich springt eine schwarze Katze vom Dach.

Die Kinder weichen zurück, aber der Hunger treibt sie wieder zum Haus, sie essen weiter.

Dann ertönt aus dem Haus eine seltsame Stimme…

Die Kinder antworten:…

Sie knabbern weiter, plötzlich öffnet sich die Tür, und eine Hexe tritt heraus und lockt die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.

Sonne weg.

Hexenhaus

Hexe im Hexenhaus

Alle Kinder singen

1. Schneeflöckchen, Weißröckchen“,
wann kommst du geschneit?
Du wohnst in den Wolken,
dein Weg ist so weit.

2. Komm setz dich ans Fenster,
du lieblicher Stern,
malst Blumen und Blätter,
wir haben dich gern.

3. Schneeflöckchen, Weißröckchen,
komm zu uns ins Tal,
dann baun wir den Schneemann
und werfen den Ball.

Die Schneeflocken setzen sich in den Hintergrund.

Der Hase ruft:
„Geht nicht weiter, geht nicht weiter!“

Hexe macht im Haus Licht an.

 

 

 

 

Hexe: „Knusper, knusper…“

Kinder: „Der Wind…“

„Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“

VORHANG

6. Bild

Als die Sonne wieder aufgeht, ist Hänsel im Käfig gefangen. Die Hexe ist zu den Kindern sehr böse. Gretel muss den ganzen Tag putzen, schrubben und die Hexe bedienen.

Gretel macht sich an die Arbeit. Die Hexe wird müde und legt sich schlafen. Gretel schleicht sich zu Hänsel und erzählt ihm von den Töpfen.

Ob sie den verbotenen Topf doch mal anfassen soll? Vielleicht hat der Topf Zauberkräfte und hilft die Hexe zu besiegen.

Die schwarze Katze sieht Gretel bei Hänsel stehen und weckt die Hexe.

Gretel putzt weiter. Die Hexe krault die Katze und passt nicht auf.

Gretel schaut sich vorsichtig um, greift nach dem verbotenen Topf. Sie hebt den Deckel und sieht hinein.

Die Hexe verschwindet mit einem fürchterlichen Geheul und ist für immer verschwunden.

Gretel befreit ihren Bruder, sie tanzen vor Freude und beschließen, im Hexenhaus zu wohnen.

Sie laden alle ihre Freunde ein und feiern ein Fest.

Tisch mit Töpfen und Bürste.

Matte und großes lila Tuch für die Hexe.

Hexe wütet herum.

„Du schlechtes Mädchen, putz diesen Topf, dass er blinkt – aber diesen Topf nicht! Wehe, du fasst diesen Topf auch nur einmal an!

Murmelt zur Seite: „Wenn das Mädchen diesen Topf anfasst, dann bin ich verloren! Dann darf ich nicht mehr im Menschenreich bleiben!““

Die Hexe schnarcht.

Die Hexe humpelt zum Käfig und zerrt Gretel von ihrem Bruder weg und zetert:

„Du undankbares Ding, putz endlich die Töpfe“!“

Blitz-Effekt, Lärm von Trommel + Becken

Die Hexe zittert und ächzt, nimmt das lila Tuch auf, schwingt es vor sich, so dass sie für die Zuschauer verborgen ist und verschwindet unter lautem Geheul von der Bühne.

Alle Kinder laufen auf die Bühne. Sie fassen sich an den Händen und tanzen im Kreis und singen / rufen:

„Juchhu, die Hexe ist weg! Die Hexe ist weg!“

Alle lassen die Hände los und stellen sich mit Gesicht zum Publikum und singen:
„Hänsel und Gretel“

SCHLUSSVORHANG

Lied
Hänsel und Gretel

1.
Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald.
Es war so finster und auch so bitter kalt.
Sie kamen an ein Häuschen von Pfefferkuchen fein,
Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein?

2.
Huhu, da schaut eine alte Hexe raus.
Sie lockt die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.
Sie stellte sich gar freundlich. O Kinder, welche Not!
Sie ist so böse, die Kinder leiden Not.

3.
Doch als dann Gretel zum Topfe schaut hinein,
gibt es viel Donner und auch viel hellen Schein.
Die Hexe ist verschwunden, die Kinder ziehn ins Haus.
Nun ist das Märchen von Hans und Gretel aus.

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2017
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum.

 

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