von Isabel Bonifert-Manig
Fast zwei Jahre lang befassten sich 3- bis 6-jährige Kinder in meiner Kita-Gruppe mit der Tageszeitung, dem Bonner >General-Anzeiger<, der darüber berichtete, wie auch der WDR.
Das Zeitungs-Projekt begann so:
Eines Tages kam Gregor, 4 Jahre alt (Name geändert) auf mich zu und fragte:
„Warum weiß meine Mutter eigentlich immer genau, was ich anziehen soll?“
Meine Antwort: „Sie weiß eben, wie das Wetter wird, vielleicht aus dem Radio oder Fernsehen.“
Mir wurde klar, Gregor wollte auch gern im Voraus wissen, wie das Wetter wird, damit er seine Kleidung selbst wettergerecht auswählen kann.
„Radio und Fernsehen haben wir hier nicht im Kinderhaus, aber ich kann mal die Zeitung mitbringen.“ Später im Projekt wurde die Zeitung, der Bonner >General-Anzeiger<, für die Kita abonniert.
…kurz gefasst…
Die Autorin beschreibt, wie sie ihre Kindergartengruppe an das Medium Zeitung herangeführt hat. Es wird deutlich, dass viele und insbesondere hoch begabte Kinder von ständiger und intensiver Beschäftigung mit einer guten lokalen Tageszeitung profitieren können. Die Kinder entnehmen der Zeitung Inhalte, denken darüber nach, tauschen sich darüber aus und gestalten eine eigene Zeitung in Form eines Tagebuchs. Nebenbei üben sie sich im Werkzeuggebrauch des Lesens und Schreibens.
So haben wir uns also zunächst, anknüpfend an Gregors Interesse, mit der Wettervorhersage in der Zeitung befasst. Symbole in den Wetterkarten wurden gelesen;
sprachliche Differenzierungen wurden entdeckt, zum Beispiel:
es regnet, es nieselt, es schneit, es gießt.
Oder: „Heute wird es 9 Grad Celsius. Es ist dunkel und nur ein bisschen hell. Es ist bewölkt.“
Oder: „Bei uns soll es regnen; aber um 8 Uhr 10 ist noch nichts zu sehen.“
Oder: „Es hat sehr geregnet, ich habe eine Regenjacke, die ist dicht.“ – „Bei uns ist Wasser ins Auto gelaufen, das Dach ist undicht.“
Die Kinder stellten immer wieder mühelos Zusammenhänge zum eigenen Leben her.
Die Wettervorhersage in der Zeitung wurde von den Kindern täglich überprüft. Sie sahen sich das Wetter durchs Fenster an oder gingen aufs Außenspielgelände. Und dann kamen sie auch schon mal zurück und riefen:
„Falsches Wetter! Die haben sich vertan. Nur Wolken!“
Später gab es auch zu anderen Inhalten kritische Anmerkungen, zum Beispiel:
„Leider steht nicht in der Zeitung, was für ein Geweih das ist.“
(Julian, 5;2 Jahre)
Die Kinder lasen aus der Wettervorhersage immer mehr heraus, zum Beispiel merkten sie, dass auf der Europakarte in Italien fast immer das Sonnensymbol zu sehen war, was wieder zu weiteren Gesprächen und Diskussionen führte. Auch guckten die Kinder, welches Wetter einzelne Kinder grade in ihrer Urlaubsregion hatten.
Für mich als Erzieherin war es von Anfang an faszinierend zu sehen,
- wie viel so junge Kinder auf Dauer mit einer Zeitung für Erwachsene anfangen können,
- wie die Kinder immer wieder den Zusammenhang zwischen den Infos aus der Zeitung und ihrem täglichen Leben herstellen,
- wie sie sich die Zeitung nach und nach >erobern<.
Ich sah gute Möglichkeiten, alle Kinder an das Medium Zeitung und darüber an viele verschiedene Themen heranzuführen. Das funktioniert allerdings wohl nur, wenn man selbst an Zeitung interessiert ist.
Aus der Beschäftigung mit dem Wetter ergab sich bald ein verstärktes Interesse der Kinder an Berichten über Naturkatastrophen.
Später kam der Lokalteil hinzu; die Sportnachrichten und –berichte waren von Interesse, vor allem zu Zeiten der Olympiade und der Fußball-Europameisterschaft.
Aber auch über gute Fotos fanden die Kinder Zugänge zu den Inhalten.
Was kommt ins Zeitungsbuch?
Die Kinder haben, einige Impulse von mir aufgreifend, sehr schnell eine regelrechte Redaktionsarbeit entwickelt. Das Ergebnis dieser Redaktionsarbeit ist eine täglich erscheinende Kindergartenzeitung, die allerdings die Form eines großen dicken Buches hat, eines Tagebuchs.
In dieses Zeitungs-Tagebuch kommen neben
der >Nachricht des Tages< aus der Zeitung auch
- ein selbstgemaltes >Bild des Tages<
- die >Nachricht des Tages aus der Kita<
- die >Frage des Tages<, die manchmal von Kindern aufgeworfen und die manchmal von mir als Erzieherin in den Stuhlkreis gegeben wird.
Morgens melden sich Kinder bei mir und fragen:
„Kann ich heute Zeitung machen?“
Manchmal arbeitet das Kind dann allein, oft gesellen sich noch ein oder zwei andere Kinder hinzu. Sie sind die Chefredakteure.All dies geschieht in der Freiarbeit (nach Montessori), die Kinder können mich jederzeit ansprechen.Die Chefredakteure bereiten ihren Arbeitsplatz vor, sie holen sich die Zeitung, Schere, Papier und Klebstoff sowie Körbchen, in denen die ausgeschnittenen Artikel und Fotos gesammelt werden.
Sie haben sich damit auseinander zu setzen, dass sich das Format der Tageszeitung für kleine Kinder doch eher unhandlich zeigt. Meistens werden zuerst die Reklameseiten aussortiert und weg getan.
Die Kinder wissen, wo sie die Wettervorhersage finden, und dann sehen sie sich den Rest der Zeitung an. Sie suchen nach der >Nachricht des Tages<. Dabei orientieren sie sich an den Fotos und Bildern.
Kind 1:
„Was glaubst du, ist das interessant?“
Kind 2:
„Ja, das kenne ich, das nehmen wir.“
Die Kinder überlegen und diskutieren, welche Geschichte hinter einem interessanten Foto stecken könnte. Sie kommen dabei auf viele Gedanken. Hier schalten sich oft noch andere Kinder ein.
(Junge, 5;1 Jahre)
Oft sind die Vermutungen zu den Bildern zutreffend, oder sie gehen zumindest so weit in die richtige Richtung, dass es so stehen bleiben kann. Oft ist der Sachverhalt aber aus dem Foto allein nicht zu erschließen und sie brauchen lesekundige Helfer (mich oder bereits lesende Kinder), um an notwendige zusätzliche Informationen zu gelangen. Schließlich finden sie immer heraus, um was es geht.
Die gefundenen interessanten Meldungen werden als >Nachricht des Tages< täglich in das Zeitungs-Tagebuch eingeklebt, und ich schreibe die Bemerkungen der Kinder im Wortlaut dazu.
Oft ergeben sich angeregte Gespräche.
Assoziationen entstehen, die die Kinder zu eigenen Erlebnisberichten anregen oder sie zu weiteren Themen führen. Die Kinder tragen ihr Wissen zusammen, und manchmal entsteht auch ein interessanter Meinungsstreit.
Der Lokalteil als Fundgrube
Der Lokalteil der Zeitung erweist sich als besonders beliebt. Hier erkennen die Kinder Gebäude und Plätze ihrer Stadt und der Umgebung wieder.
„Da waren wir ja, das haben wir gesehen und jetzt ist es in der Zeitung.“
Das muss also wichtig sein und ich kann mitreden.
Es kam auch öfter vor, dass wir beschlossen, zu einem interessanten Ereignis hin zu gehen, das in der Zeitung angekündigt worden war.
Beispiel: 8. 4. 08 Raumschiff-Transport auf dem Rhein. Eltern suchten im Internet heraus, wann es in unserer Nähe vorbei kommt.
Und das passierte: Wir waren rechtzeitig am Rhein, um zu sehen, wie der Space Shuttle (die russische Raumfähre >Buran<) auf einem Schiff vorbei gefahren wurde.
In der Kita-Zeitung stand dann:
Sven: „Das war sooo lang“, rennt von einem Ende des Hauses zum anderen, „wir haben gesehen, wo das Feuer rauskommt, und den Namen konnte man lesen, glaub ich jedenfalls.“
Selma: „Da war ein LKW, ein grüner, da lag das drauf, der bringt das ins Museum.“
Anna: „Das Schiff fuhr ganz langsam, weil es ein schweres Gepäck hatte.“
Sven: „Das fährt ja auch den Rhein hoch! (>Woher weißt du das?<) Ich kenn doch den Weg!“
Wenn an einem Tag mehrere interessante Fotos und Meldungen entdeckt werden, was häufig vorkommt, können die Kinder ihre Fundsache im Stuhlkreis vorstellen und begründen, warum sie gerade dies ausgewählt haben. Früher kam immer nur eine Nachricht des Tages ins Buch, später ging ich dazu über, bei guter Begründung auch mehrere Nachrichten einzukleben.
Der jeweilige Chefredakteur kümmert sich darum, dass ein >Bild des Tages< gemalt oder ausgesucht wird. Das Bild des Tages wird immer von einem Kind frei gestaltet. Es entstehen ganz unterschiedliche, fantastische Dinge. Oft diskutieren wir über das >Bild des Tages< dann in der Gruppe. Einmal ging es zum Beispiel um ein Bild mit Kasper und Räuber.
Jan (4;0 Jahre) meinte dazu:
„Der Kasper ist stärker als der Räuber. Warum haut der den Räuber tot? Ich sage es dir: Ich weiß es nicht.“
Um herauszufinden, was die >Nachricht des Tages aus der Kita< sein kann, reflektieren die Kinder ihre Erlebnisse in der Kita und erspüren deren Nachrichtenwert. Es ist klar, dass auch in der Kita Berichtenswertes passiert. Zum Beispiel: „Tom geht heute alleine nach Hause.“
Auch die >Frage des Tages< kann sich aus der Zeitungslektüre ergeben:
Der Redakteur Rufus schrieb darunter:
„Diese Frau ist 100 Jahre alt. Die hat ein komisches Gesicht.“
Aus der Betrachtung des Bild„es ergab sich für Franco die Frage: „Tut alt werden weh?“ Sie wurde zur >Frage des Tages<, und ein Junge fand folgende Antwort:
Aber ich weiß es nicht. Ich war ja noch nicht alt. Wie ist das bei dir, Isabel?“
„Isabel, wir haben die auch zuhause!“
Oder:
„Zuhause habe ich auch ein bisschen was Schönes gesehen in der Zeitung, aber das Wetter habe ich nicht gefunden.“
Ein Ergebnis dieses Hinüberflutens in die Familien ist, dass Kinder auch zuhause ihren Wissensdurst aus der Zeitung stillen und mit ihren Eltern darüber diskutieren können. Eltern haben mir ganz erstaunt erzählt, dass die Kinder auf einmal mitreden und interessiert sind – und dass sie als Eltern nie darauf gekommen wären, ihr kleines Kind mit der Tageszeitung in Verbindung zu bringen.
Wie verwirklicht sich in diesem Projekt, das sich zum Dauerbrenner entwickelte, (Hoch-) Begabtenförderung?
Es gibt keine Grenze nach oben, was die kognitiven Herausforderungen angeht. So bewegen sich sehr begabte 4- und 5-jährige Kinder mit Leichtigkeit und Gründlichkeit vom Wetter über Wetterkatastrophen über den Klimawandel zu der Frage: Was ist mit unserer Welt los? Warum passiert das?
Beispiel eines Jungen, 4 Jahre:
Als >Nachricht des Tages< wählte er ein Foto mit ölverklebten Vögeln aus, das zu einem Artikel über eine Tankerhavarie mit anschließender Ölpest gehörte. Dazu sagte er:
„Das war gefährlich, und das war nicht fair vom Schifffahrer, dem Kapitän. Der sollte aufpassen auf sein Schiff und auf seine Gegend. Auf die Vögel und auf die Meertiere. Der ist mit seinem Schiff da so langgeschrappt, und dann ist das Öl ausgelaufen.“
Es gab dann ein von Eltern in der Kita durchgeführtes Projekt zu Klimaschutz und Umweltverschmutzung – da erzählten die Kinder sofort, was sie in der Zeitung gesehen hatten und stellten dazu die Verbindung her.
Die Arbeit mit der Zeitung gab viele Anstöße zu weiteren, vertiefenden Gesprächen, wo Sachverhalte weiter geklärt wurden, und für kleine Projekte zu den aufgeworfenen Themen.
Im Folgenden lesen Sie eine Auswahl aus den vielen >Nachrichten des Tages<, die in der Kita-Zeitung dokumentiert sind:
Marcus:
„Autos sind mir sehr wichtig. Das soll jedes Kind erkennen. Das ist ein Mercedes. Den finde ich gut. Wir haben auch einen Mercedes. Unser Auto sieht aber anders aus. Der Stern bei uns ist auf einem Stab, nicht so drauf geklebt.“
Ina:
„Die sind irgendwie gestolpert. Die sind hingefallen.“
Sven:
„Das ist ein Fußballspiel. Der eine hat solche dicken Handschuhe, das muss der Torwart sein.“
Johannes, 4;5 Jahre:
„Die Polizei muss sehr schnell sein und darum brauchen die das. Um Räuber zu fangen, zum Unfall zu fahren, ein Protokoll zu geben oder was zu sperren, wenn es brennt.“
Ben, 4;2 Jahre:
„Eine Riesenwelle kommt auf den Mann zu, er guckt komisch!
Es ist gefährlich, wenn so eine Welle kommt, dann ersinkt man.“
Ben, 4;2 Jahre:
„Der Jäger hält Ausschau. Er will Rehe erschießen und Wildschweine, Hasen, Füchse und Wölfe.
Wieso eigentlich?“
Justin, 4;10 Jahre:
„Die Olympiade ist zu Ende. Endlich hat der jetzt frei!“
Hendrik, 5;7 Jahre:
„Sterne interessieren mich. Ich gucke da abends immer rein und dann sehe ich Mond und Sterne und träume von Planeten. Das ist gut, oder?“
Ava, 5;9 Jahre:
„Das sind Indianer. Gucken die bedrückt? Könnte da Krieg sein?“
Manchmal kommt Wissen zutage, das die Kinder schon von zuhause mitbringen und in der Kita, angeregt durch die Zeitungsarbeit, noch einmal formulieren. Manchmal erhalten sie erst von mir die notwendigen Basisinformationen. Oder ein bereits lesendes Kind wird zu Hilfe geholt, um Informationen aus dem Artikel zu ziehen.
Eines Tages fragte ich Ava (6;1 Jahre): „Möchtest du heute die Zeitung machen?“ und sie sagte:
„Ach so, du meinst wegen Obama?“
Wir unterhielten uns dann darüber, wer Obama ist, und sie sagte:
„Das ist der Präsident von Amerika, so wie die Frau Merkel bei uns.“
Dann schaltete sich Marvin (5;9 Jahre) ein:
„Das ist total interessant, weißt du. Früher, da waren nämlich die Schwarzen die Sklaven, die durften nicht bestimmen. Jetzt, zum ersten Mal, darf ein Sklave bestimmen. Und das find ich so richtig gut, dass der jetzt der Bestimmer ist.“
Manche Kinder nutzen den Zugang und die Beschäftigung mit der Zeitung dazu, sich ein Expertenwissen aufzubauen, zum Beispiel zur Olympiade.
Es wird auch philosophisch
Zur >Frage des Tages< finden Kinder oft überraschend prägnante Antworten:
Frage des Tages: Was ist Glück?
Antworten von Kindern:
Jan, 5;0 Jahre:
„Glück ist, wenn man einfach fröhlich ist.“
Sandro, 6;1 Jahre:
„Glück ist, wenn man ein Herz um den Hals trägt, was man essen kann.“
Marie, 5;10 Jahre:
„Glück ist, wenn man eine Freundin hat.“
Sven:
„Glück ist, wenn man Mama und Papa hat, weil sonst ist man ganz arm.“
Hieran schließen sich oft noch längere Diskussionen an, oder Kinder malen spontan Bilder zu ihren Gedanken.
Und hier finden Sie eine Auswahl aus den vielen >Fragen des Tages<, die in der Kita-Zeitung dokumentiert sind:
Frage des Tages: „Was hast du schon repariert?“
Antwort eines 6-jährigen Jungen:
„Ich habe mal das Stromspiel repariert. Da ging der Propeller nicht, und ich habe dann gemerkt, dass ich das Kabel festziehen musste. Und dann ging es wieder.“
Antwort eines 4;5-jährigen Jungen:
„Also, meine kleine Schwester weint ganz oft, dann gebe ich ihr was Süßes ab. Dann habe ich sie wieder repariert.“
Frage des Tages:
„Was ist verzweifelt sein?“
Antwort eines 4;11-jährigen Jungen:
„Wenn man irgendwas bauen will und es klappt nicht, dann ist man ein bisschen verzweifelt. Das ist anders als traurig, fast so wie verblüfft.“
Frage des Tages: „Woher kommen die Gedanken?“
Johannes (5;9)
„Im Kopf. Im Kopf sind die Gedanken, weil da das Gehirn ist. Im Gehirn ist der einzige Raum, wo man Gedanken speichern kann.“
Frage des Tages: „Woran merkt man es, wenn man jemanden ganz doll lieb hat?“
Jan:
„Wenn ich dem ins Gesicht schaue und dann guck ich da hinterher. Dann fühl ich mich wohl. Dann mag ich zu dem gehen, aber meistens trau ich mich ja nicht.“
Hans:
„Ich will dann Blumen schenken.“
Frederik:
„Dann gribbelt es im Bauch.“
Frage des Tages: „Warum feiert man, wenn man Geburtstag hat?“
Michael:
„Weil man Geschenke bekommt.“
Tom:
„Weil man älter wird, und dann wird man größer.“
Hans:
„Man denkt an ein schönes Leben.“
Gemeinsam erarbeitet:
„Weil man froh ist, dass es den Menschen gibt, der Geburtstag hat.“
Johannes:
„Da hätt ich noch eine schwierige Frage: Wenn das Kind geboren ist, dann ist es null Jahre. Beim nächsten Mal 1 Jahr. Aber woran merken die Eltern, dass das Kind älter, größer wird?“
Sven:
„Es wächst und es kann dann schon was. Zum Beispiel der Ivo kann sich jetzt hochstützen, wenn er auf dem Bauch liegt.“
Frage des Tages: „Wissen wir wirklich alles?“
Jan, 5;7:
„Nein, wir wissen zum Beispiel nicht, welche Märchen echt waren. Das weiß nur der, der sie geschrieben hat.“
Hendrik, 4;9:
„Die Menschen sind klug, aber alles wissen wir nicht.“
Viktor:
„Nein, bin erst drei Jahre.“
Frage des Tages: „Kann man aufhören zu denken?“
Jan:
„Nein, aber bei Yoga muss man.“
Johannes:
„Ist nicht zu stoppen.“
Frage des Tages: „Was soll aus dir mal werden?“
Adam, 4;6:
„Ich glaube, ein Astronaut. Dann kann ich in den Weltraum fliegen. Das hab ich im Lexikon gesehen. Das will ich alles in echt sehen. Ich nehme dann Armin mit.“
Marvin:
„Feuerwehrmann. Löschen, retten, bergen, schützen. Zuerst muss man mit Holzfiguren üben. Bergen heißt, die gehen auf einen Berg und retten da Leute. Schützen vor Waldbränden, zum Beispiel Bäume absägen, damit die Häuser nicht in Gefahr sind. Feuerwehrmänner tragen Spezialanzüge gegen Säure.“
Frage des Tages: „Wie sind die Sterne entstanden?“
Jan, 5;10:
„Ich glaub durch die große Staubwolke, oder die Sonne ist mal wieder explodiert und ein paar Stücke sind abgeflogen und versteinert.“Hans:
„Oder aus Leuchtpulver.“
Tom:
„Ich glaub, der Gott hat die erfunden. Der hat doch alles erfunden.“
Jan:
„Naja, aber eigentlich hat er nur die Staubwolke gemacht, und dann kam das andere.“
Frage des Tages: „Wo endet die Unendlichkeit?“
Johannes:
„Nie!“
„Unendlich ist…?“
Jan:
„Das Weltall. Die 8.“
Fredrik:
„Unendlich sind die Zahlen.“
Tom:
„Das Alphabet ist endlich.“
Jan:
„Das Leben endet.“
Ava und Hans:
„Die Seele lebt unendlich weiter.“
Frage des Tages: „Warum feiert man nur einmal im Jahr Geburtstag?“
Sven:
„Weil wenn zwei am gleichen Tag feiern, weiß man gar nicht, wo man hingehen soll.“
Johannes:
„Weil man sonst sofort alt werden würde!“
Ava:
„Sonst stirbt man so schnell.“
Im Projekt waren über die Dauer von zwei Jahren Mädchen und Jungen beteiligt, auch wenn hier im Beitrag überwiegend Äußerungen von Jungen dokumentiert sind. Das liegt vermutlich daran, dass in meiner Gruppe zu dieser Zeit zufällig einige sehr begabte Jungen waren, die von dieser Arbeitsweise mit der Zeitung ganz besonders angetan waren.
Es stellte sich im Laufe des Projekts auch heraus, dass zwar alle Kinder der Gruppe aktiv einbezogen waren, dass es aber doch einige besonders begabte Kinder waren, die immer wieder die Aufgabe des Chefredakteurs ansteuerten und in Diskussionen gerieten. Sie zeigten sich besonders stark und kontinuierlich interessiert.
Um die Potenziale der Kinder zu wecken, musste ich im Rahmen dieses Projektes nicht viel tun, mal einen Gedanken einstreuen oder dezent fragen:
„Was macht ihr mit dieser Geschichte, mit diesem Bild, wie erklärt ihr euch das?“
Und schon denken und sprechen sie los.
Dieses Projekt inspirierte eine weitere IHVO-Teilnehmerin Jahre später dazu, sich ebenfalls mit Kindern mit dem Medium Zeitung zu befassen, leider mit schlechteren Arbeitsbedingungen, aber doch wertvoll für die beteiligten Kinder:
Isabelle (5;2) reichen die Informationen aus der Zeitung nicht.
Datum der Veröffentlichung 1.9.09
Copyright © Isabel Bonifert-Manig, siehe Impressum.