Vortrag bei der 4. IHVO-Fachtagung am 5.5.07
von Susanne Höfl
Seit über zwanzig Jahren arbeite ich als Erzieherin. Wie bin ich vor vier Jahren dazu gekommen, mit Kindern regelmäßig zu experimentieren?
2003 bis 2005 habe ich den 1. Kölner Weiterbildungskurs zur Fachkraft für HB-Förderung in der Tageseinrichtung für Kinder absolviert. Dies war der Pilotkurs für die heutigen IHVO-Zertifikatskurse.
In diesem Kurs gab es einen naturwissenschaftlichen Workshop mit dem Thema: „Wasser, Fett und Seife“. Den fand ich sehr interessant und spannend, meine „alte Liebe“ zu physikalischen und chemischen Vorgängen wurde so wieder geweckt, und mir fiel ein, dass ich 10 Jahre zuvor schon mal eine Fortbildung bei Frau Professor Dr. Gisela Lück besucht hatte.
…kurz gefasst…
Keine Zauberei sondern: Chemie untersucht, aus welchen Bausteinen Dinge bestehen und wie sich diese Bausteine verbinden können. Physik erforscht die Gesetze, nach denen alles im Kosmos funktioniert.
„Ein normaler Erwachsener denkt nicht über die Probleme von Raum und Zeit nach, weil dies Fragen sind, die er sich schon als Kind gestellt hat.“
Einstein
Kinder experimentieren gerne, besonders interessierte Kinder können sich ihren Begabungen entsprechend weiterentwickeln. Experimente eignen sich hervorragend zur Hochbegabtenförderung, da wir Erziehenden genau beobachten können, auf welche Arten ein Kind zu denken vermag und welches Wissen bereits vorhanden ist.
Alle Versuche sollten logisch aufeinander aufgebaut sein oder demselben physikalischen Funktionsprinzip unterliegen. Mit einfachen, alltagstauglichen Mitteln anfangen, sämtliche Experimente zunächst selbst durchführen und dann mit speziellen Mitteln und Geräten fortfahren – das macht nicht nur den Kindern große Freude.
Faszination und Neugier waren wieder da. Davon sollten auch die Kinder und Erwachsenen in meiner Kindertageseinrichtung profitieren. So entstanden meine ersten Experimente-AGs für Kindergartenkinder im Jahr 2003.
Um die Arbeit pädagogisch und wissenschaftlich zu fundieren, sichtete ich zunächst viel Literatur und gründete mein eigenes kleines Netzwerk von Ansprechpartnern für Physik und Chemie. Eine von mir kommentierte Literaturliste zu Büchern, die sich mit Experimenten für Kinder befassen, finden Sie hier: Kommentierte Literaturliste zu naturwissenschaftlichen Experimenten mit Kindern
Warum Experimente an der „unbelebten Natur“?
Ganz klar: weil der unbelebten Natur im Kindergarten meistens leider kaum Beachtung geschenkt wird.
Biologie, also „Vom Samen zur Pflanze“, oder „Was macht der Regenwurm in der Erde?“, sind Themen, die wir im Elementarbereich kennen. Fast jedes Kind erfährt darüber das Eine oder Andere während seiner Kindergartenzeit.
Physik und Chemie aber werden häufig im Kindergartenalltag nicht besonders beachtet und betrachtet. Das liegt möglicherweise an den negativen Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit, die leider verstärkt Mädchen – also auch das spätere pädagogische Personal – machen mussten. Dies bestätigen immer wieder Teilnehmerinnen von Workshops oder Fortbildungen.
Ich hatte Glück. Während meiner Schulzeit konnte ich auf gute Lehrer bauen, die einen tollen Physik- und Chemieunterricht gestaltet haben, mit vielen Versuchen, die wir selbst durchführen konnten!
Das Begreifen der unbelebten Natur ist wichtig, um Abläufe in der belebten Natur überhaupt erst verstehen zu können. Chemische Prozesse finden unentwegt statt. Natürlich stehen sie auch im engen Zusammenhang zu biologischen Abläufen. Der Focus soll hier aber auf die chemischen Prozesse gelenkt werden. Chemische Prozesse begreifen heißt hier konkret: zum Beispiel das Phänomen verstehen, dass Zucker sich im Tee auflöst, aber nicht verschwindet. Wenn man zu dieser Löslichkeit der Stoffe mit den Kindern experimentiert, können sie viel eher „begreifen“, wie die Löslichkeit der Stoffe mit unserer Nahrungsaufnahme zusammenhängt
Das fand ich wiederum persönlich ungemein spannend: Was zum Beispiel die Löslichkeit der Vitamine in unserem Körper bewirkt, und welche enorme Rolle das Wasser in unserem Körper spielt!
Auch physikalische Phänomene begegnen uns überall im Alltag – allein dass ich mit Hilfe der Erdanziehungskraft hier stehen kann, aber auch dass hier Strom fließt und die Geräte betreibt, all diese wunderbaren Dinge, die uns hier umgeben, sind gerade für jüngere Kinder interessant.
Sie haben noch einen Zugang zu dieser Schönheit, die physikalische Phänomene besitzen; Kinder begreifen sie, erleben sie noch viel intensiver – wenn sie zum Beispiel Laufen lernen, wenn Kugeln rollen, wenn sie mit Bauklötzen konstruieren, wenn sie schaukeln, wippen…
Naturwissenschaft und hoch begabte Vorschulkinder
Ja, sicherlich, viele Kinder experimentieren gerne. Manche von ihnen sind aber besonders interessiert und gucken genauer hin. Sie haben über die normale kindliche Neugier hinaus weit mehr Interesse an einem – beispielsweise – physikalischen Phänomen.Zum Beispiel hat Jan (3;7 Jahre alt- Name geändert) über Wochen die Mechanik einer Gebäckzange genau verinnerlicht. Er versuchte damit verschiedene Dinge zu ergreifen, untersuchte verschiedene Größen und Gewichte von Dingen, die es im Kindergarten gab, schaute sich die Beschaffenheit der Dinge genau an, befühlte sie, fasste sie wieder mit der Zange, drückte mal mit viel Kraft, mal mit weniger, versuchte Verlängerungen der Zange zu konstruieren…
Wenn wir uns diese wochenlange Experimentier-Arbeit des Kindes unter dem Forscher-Gesichtspunkt ansehen, kommt eine lange Liste an physikalischen Gesetzmäßigkeiten heraus, mit denen sich dieser Junge in seinem Tun mit der Gebäckzange beschäftigte.
Manche Kinder wollen die Zusammenhänge genauer betrachten, manchmal haben sie diese Vorgänge schon verstanden, ehe sie es benennen können. Sie machen sich bis ins Kleinste Gedanken und forschen „im Kopf“ abstrakt weiter.
Im Folgenden möchte ich Ihnen meine Arbeit vorstellen und Ihnen die Hintergründe erläutern.
Ein bisschen Chemie
Dazu machen wir jetzt erst mal eine kleine Erinnerungsreise, die Ihnen helfen soll, selbst sicherer zu werden:
- Alle Dinge dieser Welt bestehen aus chemischen Stoffen : Gesteine, Böden, Häuser, Brücken, Autos, Pflanzen, Tiere und Menschen. Jedes Ding und jedes Lebewesen ist aus grundlegenden chemischen Stoffen zusammengesetzt.
- Es gibt etwa 100 (im Internet habe ich kürzlich gelesen, es gäbe bereits 118) grundlegende Stoffe/ Bausteine, wir bezeichnen sie als chemische Elemente . Sie sind aufgelistet im Periodensystem, das Einige vielleicht noch aus der Schulzeit kennen.
- Jedes chemisches Element ist aus Atomen zusammengesetzt.
- Alle Atome eines chemischen Elements sind einander gleich, sie unterscheiden sich von den Atomen eines anderen Elements.
- Atome kommen einzeln nur selten vor. Normalerweise verbinden sie sich mit anderen Atomen. Dann bezeichnen wir es als Molekül .
- Zwei dieser Elemente kommen sehr häufig vor: es sind der Kohlenstoff C und der Sauerstoff O.
- Und nun wissen Sie schon, was kommt: Ein Kohlenstoff-Atom und zwei Sauerstoff-Atome ergeben zusammen ein Molekül: das CO 2.
In der ganzen Welt
- sind die grundlegenden Eigenschaften eines chemischen Stoffes immer dieselben, egal welche Form der Gegenstand annimmt: Alufolie besteht aus Aluminium, als zerknitterte Haushaltsfolie ebenso wie als Rumpf eines Flugzeuges.
Wenn wir uns außerhalb der Experimente-AGs über dieses Beispiel unterhalten, zeigen sich schon Unterschiede innerhalb einer in etwa altersgleichen Kindergruppe:
Die einen hören mir zu, weil ich ihnen eine „Geschichte“ erzähle, andere wollen ihre Kenntnisse über Alufolie preisgeben oder über Flugzeuge… oder sie sagen: „Genau, Teile der Weltraumrakete sind auch aus Aluminium, denn die ist hitzebeständig.“ Da habe ich es also mit einem Kandidaten zu tun, der an Physik besonders interessiert ist und sich schon Wissen angeeignet hat. Dieser Kandidat weiß bestimmt auch schon:
- Sehr viele chemische Stoffe können ihre Zustandsform ändern, es existieren diese drei Formen: Feststoff, Flüssigkeit, Gas. Das alltäglichste Beispiel kennen wir vom Wasser: Eis, Wasser, Wasserdampf.
Aber er will vielleicht noch mehr wissen…
- Chemische Stoffe, die das Element Kohlenstoff enthalten, gehören zur Kohlenstoffchemie, auch organische Chemie genannt.
Diese Stoffe stellen die Grundbausteine für alle Lebewesen dar.
Sie verbinden sich mit anderen Elementen, zum Beispiel mit Sauerstoff, Wasserstoff oder Stickstoff. Daraus sind die Körper aller Lebewesen aufgebaut.
- Wie Alles auf der Welt besteht unser Körper auch aus chemischen Stoffen, die miteinander reagieren ( Biochemie ). Es sind zur Hauptsache organische Stoffe wie Proteine (18%), Fette (10%), Kohlehydrate (5%). Und natürlich hauptsächlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff . Unser Körper enthält 65 % Wasser, damit sich alle Stoffe darin frei bewegen können und damit sie für unser Wohlbefinden miteinander reagieren können.
- Wir brauchen Eisen für das Blut, Natrium und Kalium für die Nerven, Kalzium für Knochen und Zähne, Phosphor für die Übertragung von Energie und so weiter.
Das Experiment
So. Und nun zur Definition „Experiment“.
Im Brockhaus steht es so: „Experiment. ( lat. ): versuchen – erproben,
methodisch-planmäßige Herbeiführung von reproduzierbaren,… Umständen, zum Zwecke wissenschaftlicher Beobachtung.“
Im Duden etwas einfacher: „lat.: Experimentum = Versuch, Probe, Erfahrung“.
Im Synonyme-Buch, – Textor, A.M. „Sag es treffender“, Rowohlt- Taschenbuch Verlag Hamburg, 7. Auflage 01.2004, – hingegen finden Sie allerhand Bezeichnungen, wie in unserem Kindergartenalltag das Experiment verstanden wird.
Es ist: Forschung, eine Erhebung, eine Untersuchung, oder sogar eine Problemlösung, ein Test, ein Wagnis, ein Risiko… von „Abenteuer“ und „eigener Anschauung“ ist dort sogar die Rede.
Diese Bezeichnungen halfen mir, zu einer größeren Klarheit der eigenen Sprache im Umgang mit Kollegen und Eltern zu kommen. Es konnten Missverstände, die bereits sprachlicher Natur waren, vermieden werden.
Ich verstehe unter einem Experiment:
Wie gehe ich nun vor, wenn ich mit Kindern experimentiere?
Hierbei sind wichtige Faktoren zu beachten, die ich bei Frau Lück gelernt habe. Sie hat uns eine logische Abfolge von Experimenten selbst durchführen lassen, zuerst zum Thema „Luft“. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel zeigen:
Wie Sie hier sehen, bestehen meine Experimentiergruppen aus maximal fünf Kindern, die aus allen Gruppen des Kindergartens kommen. Ich arbeite in meiner Kita als gruppenübergreifende Erzieherin. Daher wurden die ersten Kinder von den Gruppenleiterinnen ausgewählt. Je nach Begabung können die Kinder aber in eine andere, für sie passendere Gruppe wechseln.
Alle Gegenstände, die zur Durchführung des Experiments erforderlich sind, sind gut sichtbar auf dem Tisch aufgebaut, und zwar auf einer Unterlage, die sich farblich deutlich vom Tisch absetzt. Hier in diesem Fall ist es beschichtetes Papier, welches uns eine Druckerei gespendet hat. Somit ist eine Unterscheidung zu den für die Versuche irrelevanten Gegenständen geschaffen.
Dann lasse ich die Kinder die Gegenstände benennen. Schon bei der Benennung kann es sein, dass ein Kind den Versuchsaufbau, das Phänomen und die Deutung erkannt hat. Hierbei kommt mir meine zweijährige Zusatzausbildung zugute, in der ich gelernt habe, auf hohe Begabungen aufmerksam zu werden und sie besser zu erkennen.
Auf diesem Bild wäre es ja auch einfach, aber bei anderen Versuchen, die später folgen – wie zum Beispiel der Extraktion und Chromatographie, zwei klassischen chemischen Trennverfahren -, kann ich erkennen, wie ein Kind denkt – aber dazu später.
Nach der Benennung führe ich den Versuch durch, gegebenenfalls sprachlich begleitet. Da die meisten Versuche ein Überraschungsmoment haben, ist dann spätestens der Zeitpunkt für eine Deutung, Erklärung, für Fragen und Weiterdenken gekommen. Ich selbst musste dazu das Fragenstellen erst mal besser lernen, was immer noch nicht abgeschlossen ist.
Siehe auch: Lernen durch Fragen
Zunächst erkläre ich zu den Gesetzmäßigkeiten, die im Versuch zu erkennen sind, nichts. Ich gebe den Versuch an ein Kind weiter, und so kann jedes Kind das Experiment mindestens 1x durchführen. Dabei lernen die Kinder mit der Zeit, dass es auf exakte Ausführung ankommt.
Ich lasse die Kinder gewähren, begleite sie in der Handhabung und antworte auf direkte Fragen.
Bei ihren Ansätzen, eine Deutung zu finden, kann es sein, dass der Weg in eine andere Richtung geht, die eher als „falsch“ zu bezeichnen wäre. Dann wiederhole ich die Aussage des Kindes als Frage: „Ja? Ist die Luft verschwunden?“ – oder ich frage zum Beispiel: „Was glaubst du, wo die Luft aus dem Glas geblieben ist?“
Es ist mir aber wichtig, dass wir am Ende gemeinsam zu einer Deutung gelangen, die richtig und stimmig ist. Es ist möglich und passiert immer wieder, dass die Kinder das alleine erarbeiten und erkennen. Es kann aber auch sein, dass ich ihnen das Phänomen erkläre. Denn auf keinen Fall möchte ich, dass die Kinder nach einem Experiment eine Idee im Kopf haben, die naturwissenschaftlich falsch ist, oder dass sie das Ganze gar für Zauberei halten!
Die Zeit für eine Experimente-Einheit beträgt etwa 20 Minuten. Danach gehen die Kinder wieder in ihre Gruppen zurück. In der darauf folgenden Woche kommt das nächste Experiment an die Reihe, das auf den vorangegangenen Versuchen aufbaut. Hierbei kann es sein, dass sich dann das Erkennen von Zusammenhängen, vernetztes und systemisches Denken der Kinder im besonderen Maße zeigen.
Bei dieser Durchführung werden neben den „üblichen“ Bildungszielen (Sprache, soziales Verhalten…) wichtige Bereiche der kognitiven Entwicklung angesprochen: forschendes Denken, kausales Denken – das Erkennen von Ursachen -, das Erkennen von Zusammenhängen und das Finden von Verknüpfungen.
Kognitive Förderung
Wichtig sind auch die logischen Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Experimenten. Die besondere Beobachtungsgabe, die Beobachtungsfähigkeiten des Kindes können Anlass für das Erkennen von Problemen und für das Finden von Lösungsmöglichkeiten sein.
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kinder sich noch nach Jahren an ein Experiment erinnern konnten, wenn sie das Experiment gut verstanden haben – noch besser können sie sich erinnern, wenn sie die Erfahrung, also das Selber-Machen mit dem Wissen über die naturwissenschaftlichen Erklärungen verknüpfen können.(vgl. Lück Bergmoser+Höller-Verlag, Umweltbox) Dies kann ich aus meiner eigener Erfahrung aus der Schulzeit bestätigen!
Auch die Kinder in meinem Kindergarten waren vom Experimentieren derart begeistert, dass sie im Sommer Planschbecken-Aktionen ausgelassen haben, um im Werkraum Experimente durchzuführen! Dies hatte auch Frau Lück berichtet, womit sie bei mir zunächst auf ungläubiges Staunen traf. Aber dann konnte ich es ja selbst erfahren.
Beobachtungen, wie die Kinder mit den Experimenten umgehen
Schon nach kurzer Zeit fiel mir auf, dass es Kinder gab, die sich
1. die Abfolge eines Experimentes,
2. die Deutung des Phänomens und
3. die möglichen dahinter stehenden Gesetzmäßigkeiten sehr gut merken konnten.
Insbesondere diese Kinder wurden angeregt, eigene Vermutungen anzustellen, Analogien zu finden. Sie sprachen mich unter der restlichen Woche an und wollten hierzu meine Meinung hören, oder sie kamen mit eigenen tollen, kreativen Ergebnissen zu mir. Wogegen es die anderen Kinder einfach bei dem Experiment beließen, welches wir durchgeführt hatten. Aber auch diese „kindgemäße“ Reaktion ist eine wichtige Grundlage für eine gute, fundierte naturwissenschaftliche Basis, auf der Kinder in der Schule gerne aufbauen!
Hier ein Beispiel:
Nachdem die Kinder festgestellt haben, dass eine Kerze Luft – genauer gesagt den Sauerstoff aus der Luft – zum Brennen braucht, frage ich die Kinder: „Was glaubt ihr, unter welchem Glas geht die Kerze zuerst aus?“
Genau, die stille Anita (alle Kindernamen geändert) freut sich, dass sie mit ihrer Vermutung richtig gelegen hat, und zeigt diese bei ihr selten zu beobachtende Reaktion durch ein Lächeln.
In dieser Kindergruppe sind die Kinder von 3;11 bis 5;8 Jahren. Sie sehen Ayse – mit gelbem Pullover -, die bei den „Großen“ mitmachen kann.
Hier und auf dem nächsten Bild sehen Sie, wie sie genau beobachtet, sich schon ein „Bild“ von dem Geschehen macht und möglicherweise auch schon zu ihren eigenen Schlussfolgerungen gekommen ist. Sie schaut sehr aufmerksam bei dem zwei Jahre älteren Jungen zu und führt dann schließlich ihr eigenes Experiment durch.
Was ich noch beobachten konnte: Manchmal spricht keines der Kinder, es ist ganz still, und manchmal sprudeln die Fragen und Gedanken nur so aus ihnen heraus
Bei diesem Experiment geht es um die Ausdehnung von Luft durch Erwärmen. Ich fordere die Kinder auf, sehr leise zu sein, da es bei diesem Versuch besonders auf die akustische Wahrnehmung ankommt. Es ist sehr kalte Luft in der Flasche, die habe ich zuvor mit den Kindern aus der Kühltruhe geholt. Dann wird die Flasche in warmes Wasser gestellt, eine Münze auf den Flaschenhals gelegt und gewartet, bis sich die Luft in der Flasche erwärmt, dadurch ausdehnt und so zu einem kurzen Klappern der Münze führt.
Ayse dachte, es gäbe jetzt „Wasserdampf“ wie beim Kochen. Sie meinte, das wäre ja sehr nah und gefährlich für sie.
Erst nachdem sie fast „wie von selbst“ darauf gekommen ist, dass die Luft sich nur erwärmt und nur eine geringe Menge „heraus kommt“, kann sie mit den anderen Kindern geduldig warten.
Im Folgenden sehen Sie Fotos einer anderen Kindergruppe, zu der auch ein junges Mädchen, Lisa (3;5 Jahre alt), gehört und Jan (4;8), der zu erstaunlich komplexen Gedankengängen in der Lage ist:
Beim Versuch, das Blattgrün aus den Graspflanzen herauszulösen (Extraktion von Chlorophyll), hat Jan weitergedacht, indem er sagte “Wenn wir jetzt den ganzen Pflanzensaft aus allen Bäumen, Wiesen und Blumen rauspressen, ist alles braun (!) draußen und wir bräuchten riesige Container.“ Ich war sehr erstaunt über diese Aussage des Kindes, das offenbar schnell verstanden hat, worum es geht. Ich sollte noch mehr staunen, denn auf meine Nachfrage “Wofür denn die Container?“ gab er mir seine Antwort: „Wir müssen doch den Pflanzensaft irgendwo rein tun, sonst läuft er doch wieder in den Boden, durch die Wurzeln in die Bäume rein und es ist wieder alles grün.“
Damit ist deutlich geworden, wie sinnvoll diese Experimente-Gruppen für interessierte Kinder schon im Elementarbereich sind!
Mir ist wichtig, dass die Kinder, die mit Interesse und guter Konzentration bei der Sache sind, auch ihre besonderen Stärken und Begabungen zeigen und weiter entwickeln können.
Dabei ist mir Folgendes aufgefallen: Naturwissenschaftlich begabte und besonders interessierte Kinder
- haben ein besonderes Beobachtungsvermögen und ihre eigenen vernünftigen Deutungen – „Der Zucker ist nicht verschwunden, der hat sich versteckt.“
- verfügen über ein schnelles Erkennen von Gesetzmäßigkeiten, können schnell die Experimentabläufe durchschauen: „Aha, ich weiß schon: heute machen wir die Kerze mit viel und wenig Luft aus.“
- haben eine sehr schnelle Auffassungsgabe, Neues wird sehr schnell begriffen und kombiniert.
- haben originelle Gedankengänge, experimentieren abstrakt „im Kopf“ weiter.
- haben ein leistungsstarkes, präzises Gedächtnis. Bei einem Versuch, bei dem es um die Wasser-Aufnahmefähigkeit verschiedener Materialien ging, kam von einem Vierjährigen die Aussage: „Wir hatten bei der Watte 67 ml Wasser übrig, bei der Folie waren es nur…“
Die Experimentier-Gruppen sind nicht starr zusammengesetzt. Ich achte darauf, dass die Kinder sich ihrer Begabung entsprechend weiterentwickeln können und dass sie in ihren besonderen naturwissenschaftlichen Interessen gefördert werden.
Copyright © Susanne Höfl 2007, siehe Impressum.
Datum der Veröffentlichung 5.5.07