von Inge Förster
Ich habe, um mir ein noch klareres Bild von Felix zu machen, die Abschnitte C bis F des Beobachtungsbogens hinzugezogen. Die Dokumentation beruht auf distanzierter, teilnehmender und provozierender Beobachtung.
Vorüberlegungen
Felix fiel bereits zu Beginn der Kindergartenzeit, mit 2;11 Jahren, durch seine Sprachgewandtheit auf. Er konnte sehr anschaulich Erlebnisse von zu Hause schildern, mit Haupt- und Nebensätzen, in zeitlich korrekter Abfolge. Seine Erzählungen beinhalteten meistens Begegnungen mit Erwachsenen, deren Verhaltensmuster und Mimik er erstaunlich gut beobachtete und interpretierte: „Mein Papa hat gestern mit Rüdiger (Name geändert) den Zaun repariert, weil die Wildschweine den Zaun um die Wiese zerstört hatten. Das hat länger gedauert, als mein Papa dachte, und war ganz schön anstrengend.“
Nach einer relativ kurzen Eingewöhnungsphase (14 Tage) löste er sich von seiner Mutter und beobachtete interessiert das Gruppengeschehen. Bereits hier zeigte sich eine von ihm gewählte Distanz zu gleichaltrigen Kindern. Besonders lebhaften und lauten Kindern ging er regelrecht aus dem Weg und suchte den Kontakt zu deutlich älteren Vorschulkindern, vor allem zu den Mädchen, und zu Erwachsenen.
An den so genannten Kreisspielen nahm er gar nicht oder nur passiv teil. Wiederholungen von Übungen langweilten ihn sehr schnell, dagegen faszinierte ihn fast alles im Bereich: Bauen, Forschen, Analysieren („Warum?“). Bereits zu dieser Zeit kannte er Buchstaben, zählte bis 20 und erkannte Zahlen bis 12. Während er im Umfeld der gesamten Gruppe oft in Tagträumereien fiel, beteiligte er sich sehr aktiv, mit lang anhaltender Konzentration, an Kleingruppenprojekten, die seinen Interessen entsprachen.
Bereits in seinem ersten Kindergartenjahr vermutete ich eine besondere Begabung im Lernvolumen und Lerntempo. Gemeinsam mit den Eltern suchte ich nach individuellen Anregungs- und Beschäftigungsformen. Daraus resultierende Projekte sind bei den Schlussfolgerungen im Abschnitt „weitere Überlegungen und Ideen“ aufgeführt.
Zum Abschnitt C: Sprachliche Intelligenz
C1 Großer Wortschatz
Felix´ (4;8) Wortschatz ist außergewöhnlich umfangreich und wird treffsicher und präzise eingesetzt: „Über die Kuhwiese fliegt eine Elster, das erkenne ich an dem schwarzweißen Gefieder…“
Es fällt ihm leicht, auf vielfältige Weise Dinge zu benennen. In seinen Schilderungen setzt er gezielt Fremdwörter oder alltagsfremde Fachbegriffe ein: „Gestern bin ich mit dem Frontlader von meinem Patenonkel mitgefahren, das hat mir viel Freude bereitet.“ / „Du hast vergessen das Licht auszuschalten, das ist Energieverschwendung…“
Neue und schwierige Begriffe werden regelrecht aufgesaugt, abgespeichert und sinngemäß auf andere Situationen übertragen: „Wasser gibt es doch in drei Aggregatzuständen. Mein Eis hat aber nur zwei, nämlich fest und gleich flüssig…“
Er versteht und verwendet abstrakte Begriffe, wie vernünftig, ordentlich oder: „Die Galaxie ist unermesslich groß, und manche Sterne sind unendlich weit entfernt von der Erde…“
Erlebte oder bei anderen wahrgenommene Emotionen beschreibt Felix oft mit originellen Sprachbildern: „Wenn…… sich ärgert, runzelt er die Stirn und stampft so laut wie ein Tyrannosaurus rex…“
Felix liest fließend Druck- und Schreibschrift mit korrekter Betonung und verändert bei wörtlichen Redewendungen seine Stimmlage – entsprechend den in der Geschichte vorkommenden Figuren. Er liest gerne anderen Kindern vor, dabei ahmt er zu Beginn die Stimmen und die Sprechweise von Bezugspersonen nach: „Wollt ihr eine Geschichte hören?“… (Stimme und Tonfall einer Kollegin), „Während ich vorlese, müsst ihr aber leise sein…“ (Stimme und Tonfall der Praktikantin).
Felix´ Faszination an Büchern, Texten, Beschriftungen führen aber auch zu gefährlichen Situationen im Straßenverkehr. Zum Beispiel rannte Felix bei einem Ausflug plötzlich auf die Straße: „Ich wollte wissen, was hinten auf dem Bus steht…“, oder er rannte einem Radfahrer hinterher, um den Spruch auf dessen T-Shirt zu lesen.
C2 Schneller Fremdsprachenerwerb
Das Kennenlernen der Fremdsprache Englisch ist ein fester Bestandteil unserer Konzeption. Im Kinderbüro ist für die Kinder, jederzeit zugänglich, eine englische Spielecke mit entsprechender Literatur und Material eingerichtet. Durch Projekteinheiten in Kleingruppen werden die Kinder spielerisch an englische Begriffe aus dem Umfeld heran geführt.
Eine Praktikantin hatte dies zum Thema und führte Übungen mit Naturmaterialien durch. Dabei konnte ich folgende Situation beobachten:
Auf einem Tablett liegen 10 Gegenstände vom Außengelände. Die Praktikantin wiederholt die englischen Begriffe. Felix schaut zum Fenster und sagt: „Das weiß ich schon, das hast du uns bereits gestern gesagt.“ Die Praktikantin bedeckt die Materialien, benennt dann noch mal zwei der Gegenstände und fordert die Kinder in Englisch dazu auf, genau solche Gegenstände im Außengelände zu suchen und herein zu bringen.
Felix rennt los und bringt sogar vier verschiedene Teile, die auf dem Tablett vertreten sind, ebenso bei der nächsten Aufgabe. Danach verliert er die Lust am Spiel: „Das ist doch öde…“
Die Idee der Praktikantin, dass Felix ihre Rolle übernehmen könnte, greift er sofort auf, schaut kurz unter das Tuch und benennt im weiteren Verlauf korrekt ausgesprochen die Gegenstände und fordert die Kinder zu deren Suche auf: „Please search a …“ Allgemein zeigen sich auch hier wieder Felix´ hohe sprachliche Fähigkeiten: Sprachgefühl, Merkfähigkeit, Lerntempo, usw. Er speichert sofort ab und zeigt auch keine Ermüdungserscheinungen bei einer höheren Anzahl neuer Begriffe. Im Gegenteil, Wiederholungen – notwendig für und eingefordert von den anderen Kindern – führen bei Felix zu Desinteresse.
Felix „erforscht“ deutsche und englische Wörter nach Klangähnlichkeiten und gleichem Sinn: „rot und red fängt mit R an…“, „Haus und house hören sich fast gleich an…“
Er stellt sich auch die Frage: „Warum schreiben die Engländer die Wörter nicht so wie sie gesprochen werden? Das wäre doch viel einfacher…“
Mein Versuch Felix dazu zu motivieren, mit unserem englisch und französisch (Muttersprache) sprechenden Kind das „englische Memory“ zu spielen, scheitert mit dem Kommentar von Felix: „….. soll die deutschen Wörter lernen, damit er uns besser versteht, und er wohnt doch jetzt in Deutschland.“
C3 Gute Ausdrucksfähigkeit
Felix setzt seine Wortwahl präzise ein, differenziert durch Ober- und Unterbegriffe und vertieft seine Schilderungen treffsicher mit Adjektiven: „Die schwarze, große Amsel verscheucht den kleineren Spatz…“
Er formuliert grammatikalisch richtig, er spricht druckreife Sätze inklusive perfekter Vergangenheitsformen und Konjunktiven.
In unseren Gesprächskreisen fällt es ihm schwer, abzuwarten und anderen Kindern zuzuhören. Sucht ein Kind nach Worten, erfasst er intuitiv, was das Kind sagen möchte und vervollständigt dessen Satz oder verdeutlicht den Inhalt durch Anmerkungen: „… meint, dass er keine Lust zum Turnen hat, weil er noch nicht so gut auf einem Bein hüpfen kann…“
Felix verblüfft durch Humor und Originalität in seinen Kommentaren. Ein Junge erzählt Felix, dass er den ganzen Kindergarten zu seinem Geburtstag einladen möchte. Darauf erwidert Felix: „Du kannst den Kindergarten nicht einladen, das ist ein Gebäude….“
Nach einem Museumsbesuch malt die Gruppe Bilder mit Schiffen, die Ware an Bord haben. Auf Felix´ Gemälde entsteht ein Schiff mit verschieden großen Kisten. Er erklärt auf die Nachfrage, welche Waren sein Schiff geladen hat: „Das weiß ich nicht so genau, die Waren sind ja alle in den Kisten drin…“ Ähnlich kommentiert er bei einer weiteren Malaktion die Aufforderung meiner Kollegin, zu den Marienkäfern noch ein Blatt zu zeichnen, mit den Worten: „Die krabbeln doch schon auf einem großen Blatt herum…“
Felix unterscheidet bereits bei Satzbeginn zwischen erwachsenen Gesprächspartnern und Kindern. Er berücksichtigt offenbar ein von ihm vorausgesetztes oder ein fehlendes Wissen. Sätze, die an Erwachsene gerichtet sind, beginnt er oft mit: „Du weißt doch…“ während gegenüber Kindern viele Sätze mit: „Das ist…“ / „das funktioniert so…“ anfangen. In seiner Ausdrucksfähigkeit passt er sich vielfach dem Sprach- und Verständnisvermögen des Spielpartners an. Beispiel: Ein Kind rennt mit einem langen Stock und stolpert. Felix: „Du musst auch auf die Wurzeln am Boden schauen und besser aufpassen…“ und zu meiner Kollegin äußert er: „Das hätte ganz schön ins Auge gehen können…“
Felix´ Hobby ist das Lesen, das er sich selbst beigebracht hat. Nachdem er über einen längeren Zeitraum intensiv in einem Tierlexikon gelesen hat, sind jetzt „Lurchi“-Hefte und Bücher zum Thema Fußball aktuell.
Er übernimmt gerne ganz oder teilweise das Vorlesen in unserer so genannten ruhigen Spielzeit (die vom Mittagessen an etwa 1 Stunde dauert).
Mit seinem Lesevolumen und -tempo vergrößern sich sein Allgemeinwissen und der Anspruch auf „Input“ enorm. Fehlender Ansporn führt bei Felix zu innerer Unruhe, Angespanntheit und dem Drang nach Bewegung.
Felix liebt es, so genannte „verkehrte“ Wörter oder Sätze zu konstruieren und zu interpretieren: „Die Blasenseife kann doch nicht fliegen“ (Seifenblase) oder Phantasiewörter zu bilden: „rapilapi, quatschimodo…“ oder Nonsensgedichte aufzusagen: „ene dene dube dene dube dene dalia ebe babe bembio bio bio buff…“
Zum Abschnitt D: Mathematisch – logische Intelligenz
D1 Quantitative Aussagen sowie quantitatives Denken
Felix zeigt in seinem Spielverhalten im Kita-Alltag und bei Projekten seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, mathematische Gesetzmäßigkeiten zu begreifen und logisch zu analysieren. Er erkennt Muster und unterscheidet zwischen ähnlichen und gleichen Gegenständen. Das Dreieck wird dem Viereck zugeordnet und der Kreis der ovalen Form. Die Zeit und deren Wirkung wird realistisch gesehen und in Planungen folgerichtig bedacht: „Ich kann meine Mama gar nicht heiraten; wenn ich groß und ein Mann bin, ist sie doch schon eine alte Oma.“
In einer Spielsituation vereinbaren fünf Kinder, sich um Mitternacht zu einer langen Nachtwanderung zu treffen. Als Felix abgeholt wird, erzählt er es seiner Mutter, die ihn aber darauf hinweist, dass er am nächsten Tag bereits um 8 Uhr mit seiner Oma verabredet ist. Felix überlegt kurz und meint: „Wenn ich nur bis 1 Uhr mitgehe, kann ich noch sechs Stunden schlafen, das ist genug Zeit. Ich stehe dann um sieben auf und frühstücke noch, bis Oma kommt.“
Felix kann bereits gedanklich Menge und Gewicht zuordnen und Konsequenzen daraus ziehen: „Ich trage die Tüte mit den Nudeln, die sind leichter als die zehn Äpfel…“ oder: „So ein Braunbär wiegt bestimmt… (überlegt) 160 Kilo…“
Während einer Busfahrt verblüfft Felix mit seinem schnellen ganzheitlichen Erfassen und Zuordnen von Mengen: „Sechs Menschen sind an der letzten Haltestelle stehen geblieben und nicht eingestiegen…“
Erlebnisse und Eindrücke werden von Felix häufig in der zeitlich korrekten Reihenfolge und mit exakten Mengenangaben geschildert, zum Beispiel wird von einem Museumsbesuch mit Größenzuordnung und Form der Skulpturen erzählt: „Die Skulpturen im Ludwig–Forum sind dreimal so groß, wie die im Suermondt Museum…“ oder „…der Wilhelm Kalf malt nur Gegenstände, außer auf einem kleineren Bild, da waren auch zwei Menschen gemalt…“
D2 Vorliebe für ordnende und zählende Tätigkeiten
Felix beherrscht die Zahlenreihe bis Hundert und kann bereits zweistellige Zahlen lesen. Bei Übungen zum Verständnis von grundlegenden mathematischen Konzepten mit den Vorschulkindern benötigt er Aufgaben mit höherem Schwierigkeitsgrad. Wir erarbeiten zur Zeit Mengen- und Größenverhältnisse mit Gegenständen aus der Natur. Die Vorschulkinder erhalten die Aufgabe, 10 Eicheln an fünf Plätzen so zu verstecken, dass überall gleich viele Eicheln sind. Für Felix wäre das zu einfach: Er erhält 20 Eicheln und wird aufgefordert, sie auf vier Plätze zu verteilen.
Spielmaterial wird von ihm nach Form, Farbe oder Größe sortiert, in Reih und Glied aufgestellt und gezählt. Bei Verkaufsspielen übernimmt er meistens die Rolle des Verkäufers und addiert oder subtrahiert kleinere Beträge im Kopf: „…das kostet zusammen 12 €…“ der „Kunde“ gibt einen 10 €-Schein (Spielgeld) „…da fehlen noch 2 €…“
Felix´ Interesse an Zahlen nimmt stark zu, und er fordert immer höhere Schwierigkeitsstufen ein, zum Beispiel das Addieren von Längenmaßen oder Gewichteinheiten. Er stellt sich auch die Frage: „Wie oft passt unsere Kirche in den Dom von Aachen?“ Diese Frage konnte bis dato noch nicht beantwortet werden.
D3 Gutes Abstraktionsvermögen – räumliches Denken
Felix zeigt keinerlei Interesse an Puzzles, erkennt aber sicher zueinander passende Formen: „Der Karton ist zu klein für die vielen Bücher…“ (Ich war dabei die Bücher einer Buchausstellung einzupacken).
Beim Frühstück: „Der ganze Apfel war zu groß für meine Dose, da habe ich mich für die Erdbeeren entschieden…“
Er begreift sehr schnell Naturgesetzmäßigkeiten und findet weiterführende Erklärungen: „Auf einer Wolke kann der Mensch nicht fliegen, also werden eben Flugzeuge gebaut, die sind stabil, und man kann nicht durchfallen…“
Auf Gemälden erkennt Felix sofort die Perspektive und beschreibt den Abstand des Malers zu seinem Motiv, zum Beispiel: „Der Maler schaut nach unten…“ oder „…der See ist weit entfernt…“.
Begriffe wie oben, unten, über, links, rechts, usw. werden von Felix sinngemäß benutzt und veranschaulichen sein räumliches Denken. Logische Zusammenhänge beeinflussen auch sein Spielverhalten: Beim Bau einer Sandburg plant er vorab, indem er vorgestellte Burggröße und Platzangebot vergleicht und holt sich das dafür nötige Handwerkszeug: Schaufel, Bagger, Sieb, Eimer mit Wasser gefüllt, usw.
Er sucht sich auch im Vorfeld die verschiedenen Legosteine zusammen, die er zum Bau einer Mondrakete benötigt.
Zum Abschnitt E: Inter- und intrapersonale Intelligenz
E1 Besonders gute Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit
Felix nimmt sein Umfeld sehr aufmerksam und detailliert wahr. Er bemerkt sofort kleinere Veränderungen in der Kita: „…Du hast deinen Schreibtisch aufgeräumt…“, in der Natur: „… in der Kräuterschlange ist eine neue Pflanze, wann hast du sie eingepflanzt?“, an Menschen: „… hat eine neue Jeans an…“ usw.
Er reflektiert gerne das Spielverhalten und erörtert dazu führende Motive. Die eigenen Gefühle und Stimmungen sowie die der anderen Menschen werden schnell erfasst und konkretisiert:“….will nicht mehr mitspielen, weil er keinen Spaß daran hat, immer die Katze zu sein. Er möchte lieber den Vater spielen und über die anderen bestimmen…“
Eigene Bedürfnisse äußert er klar und nachvollziehbar für die anderen Kinder: „Ich höre jetzt auf und gehe ins Traumland, hier ist es mir zu laut“. Zur Darstellung seiner eigenen Befindlichkeit oder der von anderen Kindern setzt er gezielt Körpersprache ein: Mimik und Gestik. Möchte er sich von einem besonders anhänglichen Kind absetzen, äußert er sein Bedürfnis zum Beispiel durch einen grimmigen Gesichtsausdruck, zieht die Augenbrauen nach unten oder verdreht die Augen. Reicht das nicht aus, erhebt er seine Stimme, wird lauter und benutzt kurze prägnante Sätze: „Lass das…, ich will meine Ruhe…, geh weg…“ usw.
Sensibel nimmt er auch Bedürfnisse und oft unbewusste nonverbale Reaktionen bei anderen wahr, sein Verhalten darauf variiert je nach Situation oder Kind. Bei jüngeren Kindern leistet er meistens Hilfestellung und versucht mit ihnen gemeinsam Konflikt-Lösungsmöglichkeiten oder Alternativen zu finden. Bei älteren Kindern wartet er erst ab, bis er um neue, andere Ideen, Anregungen, usw. gebeten wird.
Glaubt Felix eine Situation zu überblicken, erwartet er auch, dass seine Urteilskraft anerkannt wird. Stößt er dabei, vor allem bei erwachsenen Personen, auf Widerstand, reagiert er mit körperlichem Kräftemessen, klettert an der Person hoch oder verteilt leichte Hiebe, mit dem Kommentar: „Ich habe doch nur Spaß gemacht…“
E2 Hohe Fähigkeit zur sozialen Anpassung
Felix ist laut Aussage seiner Mutter ein Chamäleon; es gibt mindestens zehn verschiedene Felixe: bei den Omas, im Kindergarten, im Zoo, beim Spiel mit seinem Vater, usw.
Felix verhält sich sehr partnerschaftlich, er akzeptiert inzwischen seine eigenen und die Stärken und Grenzen der anderen Kinder: „Der …. kann besonders gut Fußball spielen und ich kann schnell denken und mir viele Dinge merken…“ Die beiden Kinder unterstützen sich gegenseitig: Felix beantwortet Fragen, liest vor und … übt mit ihm Fußball spielen.
Zeigt Felix Interesse an einem Spiel, zum Beispiel an einem Rollenspiel, passt er sich der Gruppe an, übernimmt die bis dahin fehlende Rolle, setzt sie aber mit eigenen kreativen Ideen um: „Ich spiel die Katze, die eine Kuh sein möchte und nur Gras frisst“. Er entwickelt Spielinhalte mit differenzierten Rollen. Nachmittags kann er, konzentriert auf die kleinere Gruppe, lange und intensiv mit anderen Kindern spielen. In der verhältnismäßig großen Gruppe am Vormittag wird er oft abgelenkt oder zieht sich zurück und sucht die Ruhe in Nebenräumen.
E3 Führungskompetenz
Felix organisiert und plant gerne für andere mit, übernimmt so genannte Assistenzaufgaben: schreibt Erinnerungszettel für mich, recherchiert im Vorfeld zu einem Thema in Büchern oder im Internet. Gruppenaufgaben werden strukturiert geplant und teilweise angeleitet.
Beispiel:
Die Vorschulkinder, die alle Buchstaben benennen können, erhielten die Aufgabe, Zettel mit Buchstaben zu finden, die mit Felix´ Hilfe auf einer Route durchs Dorf verteilt worden waren.
Es gab Buchstaben in roter Schrift (E, G, L, O, V) und Buchstaben in grüner Schrift (E, N, S, T). Als die Gruppe auf dem Weg durchs Dorf nach den Zetteln suchte, passte Felix sein Verhalten intuitiv den Schwierigkeitsgraden an. Während der Suche verhielt er sich passiv, gab nur leichte Hinweise: „Ihr seid gerade an einem Zettel vorbeigelaufen…“, stürzte sich aber am Ende mit Eifer auf mögliche Wortbildungen.
Er setzte zuerst die roten Buchstaben zum Wort „Vogel“ zusammen, dann die grünen zum Wort „Nest“. Nach lautem Vorsprechen kam er auf das zusammengesetzte Wort „Vogelnest“.
Bei einigen jüngeren Kindern übernimmt er Verantwortung, passt auf sie auf, motiviert sie zu einem Spiel oder erklärt ihnen die Regeln. Felix gibt aber sehr schnell auf, wenn das Kind ihn nicht versteht. Kinder, die Verhaltensweisen zeigen, die er nicht einordnen kann, beachtet er nicht oder geht ihnen aus dem Weg.
E4 Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn – hohe Sensibilität
Felix hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Harmonie. Während er relativ unempfindlich auf kleine körperliche Verletzungen reagiert, können ihn verbale Angriffe von anderen Kindern komplett aus der Bahn werfen. Über Ungerechtigkeiten und nicht nachvollziehbare Kritik grübelt er oft tagelang und versucht in zahlreichen Diskussionen seinen Frust darüber zu verarbeiten. Er unterscheidet klar zwischen Personen- und Verhaltenskritik: „Ich bin doch nicht faul, ich kann nur nicht so schnell rennen und den Ball fangen…“
Ausnahmeregelungen für einzelne Kinder müssen genau erklärt werden, um von ihm nicht als ungerecht empfunden zu werden.
Zum Abschnitt F: Naturalistische Inteligenz
F1 Informationstiefe und Informationsbreite
Felix verfügt inzwischen über eine große Bandbreite an Wissen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Planeten, Tiere aus der Urzeit, berühmte Persönlichkeiten, Technik und Natur. Seine Informationsquellen sind Bücher, interessante Gespräche, Internet, Beobachtungen, Fernseh- und Radiosendungen oder „im Vorbeigehen Aufgeschnapptes“: „…die Oma erzählte dem Nachbarn, dass man im Alter kleiner wird…“
Informationen werden von Felix rasch verarbeitet und im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Er ist in der Lage, sie jederzeit wieder abzurufen: „Weißt du nicht mehr, dass der Leonardo Da Vinci nicht nur Maler, sondern auch ein Arzt war…“
F2 Großes Wissen über naturkundliche Themen
Naturphänomene werden grundsätzlich erforscht, hinterfragt und deren Berechtigung mit erstaunlichen Gedankengängen erläutert: „Menschen und Tiere müssen irgendwann sterben, denn sonst wäre kein Platz mehr auf der Erde…“ Felix verbindet zum Beispiel auch folgerichtig Artenzugehörigkeit und Nahrungsaufnahme: „Der Walhai ist kein Raubtier, der ernährt sich von Plankton…“
Felix gibt auch gerne sein Wissen zum Besten und erklärt die einzelnen Entwicklungsschritte von der Eizelle, mit ungefährer Größenangabe, bis zum Erwachsenen, einschließlich dessen Tod. Kann ich eine Frage von ihm nicht beantworten, schaut Felix im Kinderlexikon nach und findet auch meistens die gewünschten Informationen.
F3 Großes Wissen über und Interesse an physikalischen, technischen und chemischen Abläufen
Felix beschäftigt sich mit Hingabe in unserer Experimentierecke und verändert kreativ und selbstständig Versuchsreihen. Zum Beispiel ersetzt er Wasser als Grundlage durch Öl, um zu erforschen, ob die Gegenstände mit der gleichen Geschwindigkeit sinken. Er hat eine ungefähre Vorstellung von Materialdichte in Beziehung zum Gewicht. Er versteht bereits physikalische Zusammenhänge: „Es ist doch logisch, dass Luft nach oben ausweicht, sie ist doch leichter als Wasser.“ Er stellt sich auch die Frage: „Warum brauchen verschiedene Materialien unterschiedlich lange, bis sie verwesen?“ oder „Warum verändern sich manche Gegenstände kaum?“ „Wie sieht Plastik in tausend Jahren aus?“ usw.
Schlussfolgerungen aus meinen Beobachtungen
Die Resultate aus meiner intensiven Beobachtung untermauern den „Verdacht“, dass Felix hoch begabt ist. Viele Situationen enthalten mehrere Möglichkeiten der Zuordnung zu den einzelnen Items.
Inzwischen wurde Felix getestet mit dem Ergebnis einer eindeutigen Hochbegabung.
Beides, meine detaillierten Beobachtungen und die Testergebnisse, konnten auch meine zuerst noch skeptischen Mitarbeiter von Felix´ besonderen Fähigkeiten überzeugen und bilden die Grundlage für zukünftige Beratung der Eltern und für kommende Gespräche mit der Schulrektorin.
Datum der Veröffentlichung: 10.9.09
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