Alle Kindernamen wurden verändert.
Beispiel von Arno Zucknick, Berlin
An einem Morgen nahm ich ein Steckbrett in die Hand, bei dem die Löcher wie die Punkte auf einem Halma-Brett angeordnet waren. Ich setzte mich also an einen Tisch und fing an, eine Halma-Grundstellung aufzubauen.
Jerome (4;5) bemerkte das und fragte, was ich da tue. Ich erklärte, dass das ein Spiel sei, das man Halma nennt, und fragte, ob er es mal versuchen wolle. Er sagte ja und ich erklärte ihm die Regeln. Er verstand die Regeln sofort – auch das Prinzip des „Leiterbauens“, das einem ermöglicht, durch Überspringen in einem Zug größere Distanzen zurückzulegen – und wir konnten direkt ins Spiel einsteigen. In der ersten Partie musste ich ihn noch manchmal auf Möglichkeiten zum Überspringen aufmerksam machen und die Partie ging an mich.
Schon die zweite Partie jedoch ging an ihn – ohne dass ich ihn habe gewinnen lassen! Dabei ließ er sich durch das allgemeine Tohuwabohu im Gruppenraum kein bisschen ablenken und spielte sogar noch eine dritte Partie.
Ich wollte es genauer wissen und bot einem anderen sehr wachen gleichaltrigen Mädchen aus der Gruppe an, eine Partie mit mir zu spielen. Es stellte sich heraus, dass es die Regeln des Spiels nicht annähernd so gut erfassen konnte. So brach es die erste Partie von sich aus ab, weil es das Spiel nach eigener Aussage nicht verstand. Dies hat mir noch einmal sehr deutlich den Unterschied in der Auffassungsgabe von Jerome gegenüber den anderen Kindern der Gruppe gezeigt.
Datum der Veröffentlichung: 13.10.09
Beispiel von Heike Brandt, Remscheid
Auf meine Frage, ob er gerne ein Spiel mit mir spielen wolle, zeigte sich Marvin (3;10) begeistert. Er entschied sich für das Spiel mit den weißen und schwarzen Steinen (Damespiel), das ich am Vortag mit einem Hortkind gespielt hatte. Marvin hatte das Spiel vorher nicht gekannt. Beim Aufbau der Steine auf dem Spielbrett konnte er die zweite Spielhälfte allein aufbauen, nachdem ich die erste Hälfte mit ihm gemeinsam aufgebaut hatte. Ich erklärte ihm anhand von Spielsituationen die Spielregeln. Während des Spiels hielt er größtenteils die Spielrichtung ein.
Auf Überspringmöglichkeiten wies ich ihn nur indirekt hin, er entdeckte sie im Spiel selbstständig und führte sie aus. Jedes Mal wenn er „Beute“ gemacht hatte, bestimmte er die Anzahl der erbeuteten Steine und die Anzahl der Steine, die mir verblieben waren. Dabei zählte er über die 10 hinaus.
Im weiteren Verlauf des Spiels klatschte er jedes Mal freudig in die Hände, wenn ein Stein übersprungen wurde, auch wenn es sein eigener war. Es war ihm in diesen Momenten nicht so wichtig zu gewinnen; wichtiger war ihm, dass er die Strategie des Überspringens immer wieder ausüben konnte. So trafen wir zeitweilig sogar die Absprache, dass er für beide Seiten spielte.
Er bemerkte auch, wenn die gegnerische Dame einen seiner Steine „aus der Ferne“ bedrohte, und setzte dann seinen Stein: „Jetzt kann der Turm (die Dame) kommen; so ist mein Stein aus der Gefahrenzone.“
Am gleichen Tisch spielten zwei andere Kinder mit Dominosteinen. Marvin zeigte während unseres Spiels sein Interesse an diesem anderen Spiel. Er sagte: „Das kenn ich noch nicht. Zeigt ihr mir das?“
Auch dies zeigte seine Lernleichtigkeit: Er konnte, während er das Damespiel erlernte, noch gleichzeitig erfassen, dass die anderen Kinder ebenfalls etwas für ihn Interessantes machten.
Datum der Veröffentlichung: 30.10.08
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