von Astrid Thönnes

 

Agneta (Name geändert) (5;7) kann alle Buchstaben schreiben und daraus Wörter bilden, aber sie mag nicht hören, dass sie Schreiben kann. Sie möchte, dass darüber überhaupt nicht geredet wird.

Ich merke, dass Agneta sich sofort sehr unwohl fühlt, wenn Schreibenkönnen zum Thema wird. Sie schreibt auf den Wunsch von Kindern auch einzelne Wörter auf deren Bilder, solange keiner großes Aufheben davon macht.

Dann passiert es, dass eine neue Kollegin Agnetas gemaltes Bild nimmt und ganz fassungslos und laut sprechend durch die Gruppe zu mir kommt:

„Mein Gott, hast du das gesehen, Agneta kann schreiben!“

Das wirkt sich verheerend auf Agneta aus. Es braucht einige Gespräche, um Agneta wieder zu beruhigen. Die Kollegin entschuldigt sich bei ihr.

Agneta sucht das Gespräch mit mir und sagt:

„Siehst du, es gibt Leute, die reagieren blöd.“

Ich erwidere, dass ich es aber schade finde, dass sie die ganze Zeit im Kindergarten nicht ausgiebig schreiben und rechnen kann, obwohl sie es so gern macht. Und dass ich es nicht schlimm finde, wenn andere Menschen manchmal etwas seltsam reagieren. Ich denke dann:

<Sollen sie doch!>

Dies findet Agneta witzig, und sie zeigt sich getröstet.

Von da an gestehen wir Agneta selbstverständlich schwierige Dinge zu, zum Beispiel ein sehr schwieriges Puzzle. Auch hilft sie beim Ausrechnen unserer Monatsstatistik. Die Selbstverständlichkeit ist es, die Agneta das Leben leichter macht. Sie hat eben weit entwickelte Fähigkeiten, die allen nutzen, und zeigt sie jetzt auch. Hat die Erzieherin keine Zeit, liest eben Agneta vor. Schön für alle Beteiligten.

Datum der Veröffentlichung 8.12.09