von Anke Cadoni
In dieser letzten Praxisaufgabe (im IHVO-Zertifikatskurs) soll ich ein Projekt in einer Kleingruppe durchführen, das an den Interessen und Spiel- und Lernbedürfnissen von Jonas anknüpft und ihm echte Herausforderungen bietet.
Da ich nach den Sommerferien den Kindergarten wechseln werde, finde ich es für Jonas und für mich ganz wichtig, unsere gemeinsame Arbeit richtig gut abzuschließen und Jonas von meiner Seite aus noch mal eine besondere Herausforderung zu geben.
Mehr zu Jonas lesen Sie hier:
Jonas faltet doch Papierflieger
Jonas (5;3) macht noch ein Bilderbuch und schöpft Papier.
Da Jonas ein riesiger Fußballfan ist und in diesem Sommer eine Weltmeisterschaft (in Südafrika) stattfindet, ist es für mich relativ einfach, ein entsprechendes Projektthema zu finden.
Zunächst einmal beobachte ich Jonas wieder gründlich, um genau festzustellen, wo seine Interessen und Bedürfnisse liegen.
Seitdem ich Jonas kenne, ist er schon fußballbegeistert. Er spielt auch schon über ein Jahr in der Bambini-Mannschaft Fußball. Stolz erzählt mir Jonas nach dem Wochenende von einem Spiel oder einem Turnier, das sie erfolgreich gemeistert haben. Manchmal bringt er auch eine Urkunde, eine Medaille oder einen Pokal mit in den Kindergarten.
Jonas sucht sich auch oft mich als Spielpartner zum Fußballspielen aus. Manchmal kommt er extra nachmittags zurück in den Kindergarten, um mit mir im Außengelände, in der Turnhalle oder auf dem anliegenden Bolzplatz Fußball zu spielen. Denn Jonas weiß genau, dass ich nachmittags mehr Zeit für ihn habe.
…kurz gefasst…
Der besonders begabte Jonas (5;5) arbeitet gern in kognitiv anspruchsvollen Projekten. Die Autorin nutzt die bevorstehende Fußball-WM und Jonas‘ Fußballbegeisterung sowie sein Interesse am Schreiben dazu, ein Fußball-Zeitungsprojekt zu starten.
Dieses Projekt ist gut eingebettet in die Gesamtgruppe und kommt vielen Kindern zugute. Jonas kann wichtige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen hoch motivierten Kindern machen, was für seine soziale Entwicklung wichtig ist.
Hier verbinden sich anspruchsvolle kognitive Förderung und soziale Förderung.
Als Jonas längst fußballinteressiert war und gerne Fußball spielte, gab es kaum andere Kinder, die dies mit ihm teilten. Erst vor etwa einem halben Jahr fingen auch andere Kinder an, sich für Fußball zu interessieren. Jonas spielt nun häufiger mit Mick und Paul im Flur Fußball.
Leider geht das häufig nicht lange gut, da die Kinder es nicht so wie Jonas gewohnt sind, nach richtigen Fußballregeln zu spielen. Oft kommt es dann zu Streitereien und das Spiel ist schnell beendet.
Kurz vor der Fußball-WM wird das Thema Fußball bei uns im Kindergarten immer größer. Viele Kinder sammeln die REWE-Fußballkarten und tauschen sie im Kindergarten aus. Mittlerweile spielt auch Paul in der Bambini-Mannschaft und somit gehen Paul und Jonas jetzt regelmäßig zusammen zum Training. Das führt dazu, dass die Beiden auch im Kindergarten schöner und ausdauernder miteinander spielen.
Kurz vor der WM bricht im Kindergarten ein regelrechtes Fußballfieber aus. Ich glaube, es gibt zumindest bei uns in der Gruppe kaum ein Kind, das nicht fußballinteressiert ist, Jeder auf seine eigene Art und Weise.
Zusammen mit den Kindern entstauben wir den eingestaubten Kicker, den wir vor ein paar Jahren geschenkt bekommen haben, und machen ihn wieder spielfertig.
Sofort stürzen sich alle Kinder auf diesen Kicker, Jonas natürlich mitten drin. So funktioniert das natürlich nicht. Alle schimpfen und es kommt kein richtiges Spiel zustande.
Wir setzen uns erstmal in einen Kreis und führen eine Kinderkonferenz durch. Die Kinder erarbeiten sich Regeln und überlegen, wie man die „Situation Kicker“ am besten löst. Jonas macht den Vorschlag, eine Sanduhr einzusetzen, um den Kindern den Spielerwechsel zu verdeutlichen.
Außerdem legen wir fest, dass der Kicker nicht im Außengelände bleibt, sondern in unserem Gruppennebenraum stehen soll und dass ihn alle Kinder nutzen dürfen, auch die Kinder der anderen Gruppe. Hiermit sind alle Kinder einverstanden.
Schon am nächsten Tag merke ich, welche Dynamik das Thema Fußball entwickelt. Unser Nebenraum wird so allmählich zum Fußball-Fanraum. Es ist schön mit anzusehen, wie sozial die Kinder miteinander umgehen. Zu keinem Zeitpunkt gibt es Gedränge um den Kicker, die Kinder regeln es richtig gut untereinander.
Das Thema Fußball lässt auch eine neue Gruppenkonstellation entstehen, die es in der Form vorher noch nicht gab: Viele Kinder der anderen Gruppe besuchen jetzt unseren Fußballraum und zeigen sich sehr interessiert.
Jonas beginnt – schon während der Testspiele – tolle Fußballbilder zu malen. Er malt sehr detailgetreu. Mick eifert ihm bald nach. Es entstehen wunderbare Werke.
Eins der Bilder wird für die Monate Juni/Juli unser Kalendertitelblatt. Diese beiden Monate werden zwei echte Fußball-WM Monate. Jonas Fußballbilder werden immer komplexer und er will von mir wissen, wie die Namen der Fußballspieler geschrieben werden.
Die Projektidee
Da sich immer mehr Kinder Jonas‘ künstlerischen Ideen anschließen und ich mittlerweile viele tolle Werke gesammelt habe, kommt mir die Idee, diese Werke in einer Zeitung zu präsentieren. In einer ruhigen Minute berichte ich Jonas von meiner Idee.
Ich erkläre es ihm folgendermaßen: „Jonas, ich habe in letzter Zeit beobachtet, wie sehr dich das Thema Fußball interessiert und dass du auch schon sehr viel zu diesem Thema weißt. Es sind in den letzten Tagen schon richtig tolle Werke von dir und deinen Freunden entstanden. Ich fände es viel zu schade, wenn diese einfach wieder in euren Schubladen verschwinden. Wie wäre es, wenn wir eine Fußballzeitung erstellen würden, in der diese tollen Bilder und anderes einen Platz finden würden?“
Jonas finder diese Idee richtig gut, denn mittlerweile genießt er es – das ist mein Eindruck – mit mir gemeinsam Projekte durchzuführen.
Doch jetzt muss ich Jonas noch klar machen, dass diesmal nicht nur wir alleine an der Zeitung arbeiten werden. Dies erkläre ich ihm so: „Du kennst doch bestimmt eine Tageszeitung oder eine Fußballzeitschrift und weißt auch, wie viele Seiten so eine Zeitung hat. Bevor eine Zeitung, so wie du sie kennst, in Druck gehen kann, haben viele Leute recherchiert (Informationen gesammelt), Texte verfasst, Fotos geschossen und vieles mehr. Dies bedeutet also, dass eine Zeitung eine Gemeinschaftsarbeit ist und nur so eine aufwändige Zeitung zu Stande kommen kann!“
Zu meinem Erstaunen sieht er es sofort ein und sagt: „Mick hat doch auch ganz schön viel Ahnung und malt tolle Bilder, der könnte mir doch helfen.“ Da stimme ich natürlich sofort zu. Dann berichte ich Jonas noch von einem Jungen, den Jonas auch kennt: Corvin aus der anderen Gruppe.
Corvin ist mir schon öfter aufgefallen, doch jetzt während der akuten Beobachtungszeit zum Thema Fußball noch mal verstärkt. Er verfügt wie Jonas ebenfalls über ein großes Wissen, insbesondere zum Thema Fußball. Am Frühstücktisch berichtete er mir einmal von einem Fußballspiel. Ich war erstaunt, was er alles wusste und wie toll er sich ausdrücken konnte.
Hinzu kommt, dass mir seine Erzieherin Frau F., berichtet hat, was er zuletzt in einer Kinderkonferenz äußerte. Es ging um die Vorarbeit zu einem Projekt. Frau F. stellte die Frage, wer denn wüsste, was ein Projekt ist. Hierzu meldete sich Corvin und berichtete: „Ein Projekt ist die Ausarbeitung zu einem bestimmten Thema. Ich nehme jetzt mal das Thema Fußball. In einem Projekt macht man dann ganz viel zu diesem Thema, wie zum Beispiel in ein Stadion fahren, auf einem Fußballplatz Fußball spielen, Trikots selber herstellen, ein Turnier veranstalten, ein Fußballfest feiern, Bücher zum Thema Fußball in der Bücherei ausleihen, usw.“
Man konnte heraushören, wie sehr sich Corvin ein Fußballprojekt wünschte.
Jonas ist auch mit Corvins Mitarbeit am Projekt einverstanden, darüber freue ich mich, doch gleichzeitig weiß ich, dass es nicht immer einfach werden wird.
Anmerkung der Kursleitung:
Es ist interessant, dass Jonas bei beiden Kindern prompt einwilligt; vermutlich steckt dahinter, dass er sie für qualifiziert genug hält.
Jonas übernimmt es, Mick und Corvin zu fragen, ob sie Lust haben mit ihm zusammen eine Fußballzeitung zu erstellen.
Beide bekommen große Augen und sagen sofort zu. Jil steht gerade in der Nähe, als Jonas Mick fragt. Nun will sie natürlich auch gerne mitmachen und fragt Jonas, ob dies in Ordnung wäre. Da Jonas sehr sozial ist, kann er hier wohl nicht nein sagen; und er weiß auch, dass Mick und Jil momentan viel zusammen machen.
Somit starten wir nun mit vier Kindern in das Projekt, was mir eigentlich schon ein wenig viel ist, aus den Vorerfahrungen mit Jonas. Ich werde einfach mal schauen, wie es sich entwickelt.
Über Jonas
Jonas ist jetzt 5;5 Jahre alt. Fußball schon seit längerem ein großes Thema bei ihm. Er spielt selber sehr gerne Fußball und ist Fan vom FC Bayern München. Die Fußballregeln beherrscht er schon sehr gut und deshalb will er auch gerne nach diesen Fußballregeln spielen, doch im Kindergarten können das nur sehr wenige Kinder, deshalb bevorzugt Jonas häufiger das Fußballspielen mit mir.
Da es jetzt kurz vor der WM sehr viele fußballbegeisterte Kinder gibt, schlage ich Jonas immer wieder vor, dass er mit den anderen Kindern spielen soll, er könnte ihnen doch auch so manche wichtige Regel erklären. Dies probiert er auch immer wieder, doch meistens endet es leider im Streit.
Da Jonas nicht nur im Bildungsbereich Bewegung Interesse an Fußball zeigt, sondern das Interesse auch in andere Bildungsbereiche überschwappt, habe ich mir überlegt, mit Jonas ein Fußball-Projekt zu gestalten. Gerade in den Bereichen Bildnerisches Gestalten und Sprache und Schrift zeigt er wieder tolle Werke, richtig viel Ausdauer und hohe Konzentration.
Jonas zeigt in den letzten Monaten großes Interesse an Buchstaben und am eigenen Schreiben. Er will wissen, wie Fußballausdrücke und Fußballernamen geschrieben werden.
Deshalb soll das Projekt Fußballzeitung ein Teil des Fußballprojektes sein, was zur Zeit für die Gesamtgruppe stattfindet.
Jonas überlasse ich ganz bewusst die Auswahl der Kinder für diese Aktion. Aus Erfahrung weiß ich mittlerweile, dass Jonas ganz gut abschätzen kann, mit wem er intensiv arbeiten kann. Außerdem fällt ihm die Gruppenarbeit nach wie vor nicht ganz so leicht, am liebsten arbeitet er immer noch mit mir alleine. Doch in dieser letzten Arbeit mit ihm ist mir eine Gemeinschaftsarbeit sehr wichtig, da er auch in diesem Bereich positive Erfahrungen sammeln soll.
Ziele für Jonas
– Er entfaltet frei seine kreative Persönlichkeit.
– Er probiert Neues aus, sammelt Erfahrungen.
– Er erlebt befriedigenden Austausch mit anderen Kindern.
– Er lernt, sich Anderen besser mitzuteilen, aber auch gleichzeitig ein offenes Ohr für die Ideen und Beiträge der Anderen zu haben.
– Er kann in der Kleingruppenarbeit erleben, dass es Kinder mit ähnlichen
Bedürfnissen, Begabungen und Interessen gibt. Dies soll er lernen, für sich als Chance zu nutzen.
– Er soll – wie auch alle anderen teilnehmenden Kinder – gute Einwirkungsmöglichkeiten auf das Ergebnis des Projektes haben.
– Er hilft dabei, die Ergebnisse der WM kindgerecht in Form einer Zeitung festzuhalten und einzelne Themen zur WM, entsprechend seinem Anspruch, zu vertiefen und verinnerlichen.
Es geht los! Wir sammeln Ideen.
Kurz vor dem WM-Start treffen wir uns zum ersten Mal in unserem WM-Fanraum (das ist der Raum neben dem Gruppenraum).
Hier steht jetzt der Kicker, Deutschlandfahnen schmücken den Raum. Etliche Fußballbücher, die ich in der Bücherei ausgeliehen habe, liegen zum Stöbern bereit.
Nun sitzen Jil (6;4), Mick (5;11), Corvin (6;3) und (als Jüngster) Jonas (5;5) zusammen an einem Tisch. Zur Ansicht und besseren Vorstellung habe ich ihnen ein paar unterschiedliche Kinderfußballzeitschriften und eine Tageszeitung mitgebracht.
Zunächst einmal haben sie die Gelegenheit, sich diese Zeitschriften in Ruhe anzuschauen. Das finden alle total klasse. Sie erkennen Fußballspieler wieder und nennen ihre Namen. Corvin erkennt die Noten der Nationalhymne und erzählt uns stolz, dass er die Hymne auswendig kann.
Ich frage ihn spontan, ob er Lust hat, sie uns vorzusingen. Das macht er sofort. Die anderen Kinder sind sofort ruhig. Sie finden Corvins Gesang richtig gut und wollen, dass Corvin die Hymne noch mal vorsingt, damit sie sie auch lernen können. Besonders Jonas ist ganz erpicht darauf. Ich glaube, er ist schon ein wenig neidisch auf Corvin.
Anmerkung der Kursleitung:
Vielleicht hat er sich auch einfach nur gewundert, dass er von einem anderen Kind so was Tolles lernen konnte?
Nach diesem Auftritt überlegen wir dann gemeinsam, was denn eine richtige WM- Fußballzeitschrift alles enthalten muss. Corvin sagt, dass die Nationalhymne nicht fehlen dürfe. Jonas meint, dass der WM-Pokal abgebildet sein müsse. Jil erwähnt das Deutschlandmaskottchen „Paule“, das kennen sie alle von den REWE-Sammelkarten. Mick ist es wichtig, den Spielplan in die Zeitung zu setzten, damit alle wissen, wann welches Spiel ist und wer gegen wen spielt.
Die Kinder sprudeln nur so von weiteren Ideen, zum Beispiel:
- Bilder und Fotos zur WM,
- die Fußballspieler,
- Flaggen,
- Vuvuzela,
- Infos zum WM-Land Südafrika.
Abgesehen von der Zeitung möchten sie:
- selber Fußballspielen,
- Pokal und Medaillen selber machen,
- ein Turnier durchführen,
- Deutschlandfahnen herstellen,
- rote und gelbe Karten basteln und eine Pfeife besorgen.
Jonas hat noch den Wunsch, einen Fußballplan im Fanraum aufzuhängen, wo er dann immer die Spiel-Ergebnisse eintragen kann.
Mit all diesen tollen Ideen in der Tasche beenden wir das erste Treffen. Ich lobe die Kinder dafür, dass sie fast eine Stunde lang sehr aufmerksam gewesen sind, tolle Ideen gesammelt und sich untereinander gut verstanden haben. Wir verabreden uns dann für den nächsten Tag am gleichen Ort.
2. Tag
Am nächsten Tag haben schon viele andere Kinder „den Braten gerochen“ und wollen nun auch an der Zeitung mitarbeiten.
Es ist genau das eingetroffen, was mit Jonas erfahrungsgemäß zu Schwierigkeiten führt:
Wenn es zu viele Kinder werden, verschließt sich Jonas und hat keine Freude mehr an der Arbeit,
weil er zu wenig Aufmerksamkeit bekommt und das Arbeits- und Lerntempo für ihn zu gering wird.
Also erkläre ich den Kindern, dass an einer Zeitung nicht so viele Kinder gleichzeitig in einem Raum arbeiten können, ich mich aber bemühen werde, noch weitere Treffen zu planen, so dass auch diese Kinder zum Zuge kommen.
Da heute Mick nicht da ist, erlaube ich Jan teilzunehmen; er hat schon den ganzen Morgen darum gebeten.
Anmerkung der Kursleitung:
Wie hättest Du Dich entschieden, wenn der Zeitrahmen deutlich enger gewesen wäre? Hättest Du es geschafft, den Kindern zu erklären, dass sie dieses Mal nicht dran sind, aber dann ein anderes Mal?
Hier zeigt sich, finde ich, die Notwendigkeit, Strukturen zu ändern:
Viel mehr Kleingruppenarbeit, damit alle Kinder in den Genuss (!) kommen und dadurch auch lernen können, aktuelle Zurückweisung gelassen hinzunehmen. Da Du selbst am Ende schreibst, dass es eine sehr schöne Zeit war, nehme ich an, dass Du selber auch diese Idee entwickelt hast.
Ich bin (wie Du ja auch andeutest) der Meinung, dass Projekte, die hoch begabte Kinder fördern sollen, nicht durch zu viele verschiedene Köche verwässert werden dürfen.
Und so verläuft das 2. Treffen:
Jonas schneidet seinen Spielplan aus einer Zeitung aus, klebt ihn auf feste Pappe und hängt ihn im Fan-Zimmer auf, damit er ab Freitag, den 11. Juni, dort alle Ergebnisse eintragen kann.
Anschließend beginnen wir damit, alle deutschen Nationalspieler in die Zeitung zu kleben. Ich fragte in die Runde: „Weiß denn jemand von euch, wie viele deutsche Spieler mit zur WM gefahren sind?“
Corvin antwortet sofort: „Mit Jogi Löw 24!“
Ich weiß es selber gar nicht so genau und muss nachzählen, doch Corvin hat tatsächlich Recht. Ich merke, dass Jonas etwas verärgert ist und er jetzt auch endlich mal was Tolles und Wissenswertes erzählen will. Jonas: „Und sieben Spieler sind vom FC Bayern München und nur einer vom 1. FC Köln!“
Anmerkung der Kursleitung:
Vielleicht ist er gar nicht so sehr nur verärgert, sondern vielleicht fühlt er sich herausgefordert und angespornt. – Bist Du sicher, dass es für ihn eine als unangenehm erlebte, negative Emotion war?
Unter Jungs ist das ja ein „normales“ Geschehen: sich gegenseitig übertrumpfen wollen – endlich hat Jonas mal die Gelegenheit dazu – aber von uns Frauen wird das schnell als unangenehm empfunden. Meine Anmerkungen sind hier natürlich nur Vermutungen…
„Kennst du denn auch die Namen der Spieler?“ „Ja klar!“ Und er beginnt aufzuzählen. Doch Corvin kann auch nicht still bleiben und ruft einige Namen rein. Da wird Jonas ziemlich sauer, und die ersten kleinen Auseinandersetzungen zwischen Jonas und Corvin beginnen.
Ich greife ein, lasse Jonas die Frage alleine beantworten und vertröstete Corvin, dass er nachher zusammen mit den anderen Kindern die restlichen Spieler benennen darf.
An dieser Stelle merke ich, dass Jonas es schlecht vertragen kann, wenn ihm einer „das Wasser reichen“ kann oder sogar etwas mehr weiß.
Dies habe ich hier und da schon mal beobachtet, deshalb finde ich es auch jetzt so wichtig, dass Jonas in einer Gruppe arbeitet, denn genau mit solchen Situationen muss er auch lernen klar zu kommen.
Anmerkung der Kursleitung:
Oder anders gesagt: Nur wenn er das öfter und oft genug erleben kann, wird er lernen können, damit umzugehen.
3. Tag
Nach dem ersten Deutschlandspiel treffen wir uns wieder.
Jonas durfte dieses Spiel sogar zu Hause im Fernsehen schauen, obwohl es erst abends kam. Er kann genau berichten, wer die Tore geschossen hat, wer eine rote oder eine gelbe Karte bekommen hat und wie es zu den Toren kam.
Von Corvin erfahre ich, dass er das Spiel nicht ganz schauen durfte, sein Vater es aber für ihn aufgenommen hat.
Jonas möchte am liebsten immer schreiben oder passende Bilder zu den Ergebnissen malen. Schneiden und Kleben machen ihm nicht so viel Spaß, es gehört aber leider auch zu unserer Zeitungsarbeit.
Weil die Nachfrage nach der Teilnahme an der Zeitungsarbeit immer größer wird, habe ich noch eine zweite Arbeitsgruppe gegründet. Hiermit sind auch die anderen Kinder einverstanden, denn sie merken schnell, dass so eine Zeitung ganz schön viel Arbeit ist und dass ein bisschen Unterstützung gar nicht schlecht ist.
Tim (5;10) und Jan (6;4) freuen sich darüber, sie nehmen ab sofort sehr regelmäßig an den Treffen der zweiten Gruppe teil. Die übrigen zwei Plätze werden immer von unterschiedlichen Kindern belegt, je nach Lust und Tagesform.
Schön ist es auch, die Freispielentwicklung der teilnehmenden Kinder zu beobachten. Täglich spielen Corvin, Mick, Jonas, Jan und andere Kinder draußen Fußball. Sie bitten mich jedes Mal, mit Kreide ein richtiges Fußballfeld aufzumalen. Ein Fußballtor haben wir gespendet bekommen und das andere bauen die Kinder aus Hölzern zusammen. Jil, Tim und andere Kinder bauen für jedes Spiel eine Tribüne und eine Imbissbude auf, an der man Getränke und kleine Gerichte kaufen kann.
In unserer Gruppe haben wir bereits Deutschlandfahnen gebastelt, womit einige Kinder die Fußballjungen anfeuern. Vor Spielbeginn stehen die Vier immer Arm in Arm in der Reihe und singen gemeinsam die Nationalhymne. Mittlerweile sind alle Vier recht textsicher.
Leider kommt es während des Spiels häufig zu Auseinandersetzungen zwischen Corvin und Jonas. Meistens behauptet einer der Beiden etwas und der andere ist aber ganz anderer Meinung. Es beginnt meistens mit verbaler Auseinandersetzung, dann wird es immer lauter, bis sie dann am Ende manchmal auch handgreiflich werden und das Spiel beendet werden muss.
Dies ist auch mit ein Grund dafür, dass ich später die zwei Arbeitsgruppen auch schon mal anders zusammengestellt habe, denn nach so einer Auseinandersetzung ist die Zusammenarbeit in einer Gruppe nicht gut möglich. Ich habe dann Tim anstelle von Corvin in die Gruppe genommen. Tim ist auch hoch engagiert. Er bringt später sogar Zeitungen von zu Hause mit oder hat bereits zu Hause wichtige Beiträge ausgeschnitten.
Weitere Treffen
Nun treffen wir uns zweimal die Woche. Nach einem Deutschlandspiel sprechen wir über das Spiel und tragen alle Ergebnisse der letzten Spiele in die Zeitung ein. Die Aufgaben werden gerecht verteilt, sodass jeder mal schreiben, schneiden, kleben oder malen kann.
Zu Beginn der Treffen frage ich, wer etwas zu berichten hat und wer welche Aufgabe gerne übernehmen möchte. Oftmals einigen sich die Kinder untereinander schon ganz gut.
Sind die Ergebnisse der Spiele festgehalten, arbeiten wir an allgemeinen Informationen zur WM. Jonas will zum Beispiel den Pokal malen und Jil die Fußballspieler, wie sie die Nationalhymne singen. Mick malt Spielszenen, wo zum Beispiel ein Spieler ein Tor schießt.
Bei einem Treffen setzen wir uns mit dem Land Südafrika auseinander. Hier ist mir auch noch mal wichtig, die Ursprungsgruppe zu nehmen, was bedeutet, dass Corvin und Jonas wieder aufeinander treffen. Es ist auch nicht so, dass sie sich im Alltag aus dem Weg gehen, im Gegenteil, sie suchen sich immer wieder zum Fußballspielen.
Auch heute ist es für Beide in Ordnung miteinander zu arbeiten. Zum Thema Südfrika ist es auch unproblematisch, weil sie dazu Beide nicht so viel wissen.
Eigentlich alle Kinder äußern, dass Südfrika ein armes Land ist, dort viele Kinder hungern müssen und dort Elefanten und Löwen leben. Ich erkläre den Kindern, dass dies eine Seite von Südafrika sei, die während der WM von viel Positivem überdeckt wird. Es sei aber gut, Beides zu kennen.
Ich erzähle ihne, dass in Südafrika sogar Pinguine leben, das wusste ich vor meiner eigenen Recherche auch noch nicht. Die Kinder sind erstaunt. Dann frage ich sie nach den „Big Five“. „Welche Tiere könnten die „Fünf Großen“ sein?“
Jonas meinte: „Der Elefant, der Löwe und die Giraffe!“ Elefant und Löwe sind richtig, aber dann sind es noch der Leopard, das Nashorn und der Büffel. Sie sind auch auf den südafrikanischen Geldscheinen zu sehen.
Jonas: „Aber die Giraffe ist doch viel größer!“ „Das stimmt, aber ich glaube, dass die Big Five alle stärker sind als die Giraffe und sie deshalb nicht dazu gehört.“
Tim gefällt die südafrikanische Fahne sehr gut, er malt sie immer wieder nach.
Dieses Treffen mit dem Thema Südafrika verläuft sehr angenehm, keiner muss sich profilieren. Sie sind hierbei Alle Lernende und gehen gemeinsam auf Entdeckungsreise. Ich glaube, dies ist für alle Beteiligten sehr interessant und informativ.
Ein ganz besonderes Thema ist die Vuvuzela. Alle Kinder wissen natürlich mittlerweile, dass dies ein afrikanisches Blasinstrument ist, was sich wie ein Schwarm Bienen anhört, der hinter einem her ist. Ich bringe eine Vuvuzela mit in den Kindergarten, und die Kinder können ausprobieren, ob sie einen Ton heraus bekommen. Jonas ist ganz stolz, denn er bekommt einen lauteren Ton heraus als ich.
Je öfter die Deutschen gewinnen, desto spannender wird die Situation. Alle Kinder hoffen nun, dass wir auch Weltmeister werden. Die Zeitung wird immer voller, interessanter und schöner.
Jonas fragt:
„Wer bekommt eigentlich die Zeitung,
wenn sie fertig ist?“
Darüber habe ich mir Gedanken gemacht und mir ist da eine Idee gekommen. Ich will damit umgehen wie mit einem Wanderpokal, damit kennt Jonas sich gut aus, da er öfter einen gewonnen hat.
„Jeder von euch darf die Zeitung dann für eine Woche mal mit nach Hause nehmen und den Eltern, Geschwistern und Freunden zeigen, und am Ende bleibt die Zeitung dann im Kindergarten. Ist das okay für euch?“ Damit sind sie alle einverstanden.
Zu diesem Zeitpunkt ist mir allerdings noch nicht klar, dass unsere Zeitung noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Zum einen sind die Kinder mit so einer riesigen Begeisterung bei der Sache. Sie bringen immer mehr Infomaterial von zu Hause mit. Jil bringt zum Beispiel eine ganze Fußballzeitung mit, die sich ihr Vater gekauft hat und nach dem Durchlesen ihr überlassen hat.
Zum anderen kommen mein Abschied aus der Kita, das Schlaffest der Vorschulkinder und die Sommerferien mit großen Schritten auf uns zu – und hierzu sind natürlich auch noch viele Dinge zu regeln und zu organisieren.
Außerdem hatte ich Jonas eine Sache noch ganz fest versprochen, nämlich ein Kickerturnier durchzuführen. Daran hat mich Jonas auch schon mehrmals erinnert, somit muss ich dies auf jeden Fall noch schaffen.
Ich organisiere es dann noch in der letzten Woche vor den Ferien. Von einer Bekannten habe ich drei unterschiedlich große Fußballpokale geschenkt bekommen. Als ich sie den Kindern zeige, sind sie begeistert. Jonas: „Schaut mal, die können wir gewinnen, wie bei einem richtigen Turnier. Der größte Pokal ist für den ersten Sieger, der mittlere für den zweiten Sieger und der kleinste für den dritten Sieger.“
Ich lasse immer zwei gegen zwei spielen. Jonas sucht sich Mick als Partner aus.
Die Durchführung des Turniers ist nicht ganz so einfach. Es wollen recht viele Kinder mitmachen, was das Turnier stark verlängert. Einige Kinder haben nachher nicht mehr so die Geduld. Doch im Nachhinein bin ich froh, dass ich es noch durchgezogen habe, da ich gemerkt habe, wie gut es Jonas getan hat. Er musste die gesamte Zeit mit einem Partner zusammen spielen und dies auch noch vor einem recht großen Publikum. Er musste lernen, die Fehler seines Partners zu akzeptieren und auch einige Gegentore verkraften. Ebenso hat er schöne Gemeinschaftserlebnisse erfahren. Er ist mit seinem Partner auf den zweiten Platz gekommen und ist stolz und zufrieden. Sogar den Erstplatzierten konnte er den Sieg gut gönnen.
Anmerkung der Kursleitung:
Das Gönnen-Können wächst bei vielen sehr begabten Kindern mit der Menge der schönen (Lern-) Erlebnisse, was man hier mal wieder sehen kann.
Unsere Zeitung wird auf den letzten Drücker fertig, genau einen Tag vor meiner Abschiedsfeier. Klar ist, dass die Zeitung nun nicht mehr wie ein Wanderpokal rund gehen kann. Das hat Jonas schon von selber gemerkt. Jonas: „Frau Cadoni, die Ferien fangen doch schon nächste Woche an, dann können wir ja gar nicht mehr die Zeitung mit nach Hause nehmen. Aber ich möchte sie so gerne Mama noch zeigen!“
„Da hast du Recht, Jonas, das ist jetzt echt dumm gelaufen, aber ich hab mir auch schon Gedanken darüber gemacht und da ist mir die Idee gekommen, die Zeitung morgen zu meinem Abschied im Flur groß zu präsentieren. Es werden nämlich viele Eltern zum Abschied kommen und dann wird auch noch genügend Raum und Zeit für die Zeitungspräsentation bleiben, dafür werde ich sorgen, denn dieses ist mir zum Abschluss noch sehr, sehr wichtig.“
Am Tag meines Abschieds bereite ich früh morgens mit den ersten Kindern den Zeitungsstand vor. Wir stellen einen großen Tisch in den Flur, bekleben ihn mit Deutschlandfahnen und anderen selbst gebastelten Fahnen, um auf die Zeitung aufmerksam zu machen.
Während der Zeitungserarbeitung und des gesamten Projektes habe ich einige Fotos geschossen. Jetzt kleben wir sie auf eine große Säule und stellen sie neben den Zeitungstisch. Auf diese Art und Weise können die Eltern wahrnehmen, was ihre Kinder in den letzten Wochen hier im Kindergarten geleistet haben.
Schon während der Bringphase wird der Tisch von vielen Eltern mit ihren Kindern besucht. Tim und Corvin zeigen ihren Eltern stolz die Zeitung und erklären, was sie selber gestaltet haben.
Später, während meiner Abschiedsrede, erwähne ich die ausgestellte Zeitung und lade die Eltern ein, sich dafür bitte Zeit zu nehmen und sich die eine oder andere von ihrem Kind gestaltete Seite anzuschauen. Die Eltern fangen laut an zu klatschen! Ich sage nur: „Kinder das ist euer Applaus, ihr habt mit dieser Zeitung Großes geleistet!“
Zum Ende der Verabschiedung kommt Jonas‘ Mutter noch mal zu mir und bedankt sich für mein Engagement und den Einsatz für Jonas: „Sie haben Jonas und viele andere Kinder auf einen guten Weg gebracht!“
Jonas‘ Mutter war während der gesamten Zeit, die ich nun mit Jonas zusammenarbeite, immer etwas zurückhaltend und manchmal auch skeptisch, so vermutete ich. Nun merke ich, dass sie meine Arbeit mit Jonas doch zu würdigen weiß.
Ich hoffe jetzt nur, dass meine Nachfolgerin Jonas und seine Belange nicht ganz aus den Augen verliert, dies wäre sehr, sehr schade. Ich habe ihr Jonas ans Herz gelegt, mehr kann ich dann zunächst einmal nicht tun. Mit den Eltern werde ich auf jeden Fall weiterhin in Kontakt bleiben.
Reflexion
Alle beteiligten Kinder hatten auf jeden Fall einen guten Einblick in die Medienarbeit und haben selbst erfahren können, wie viel Arbeit die Herstellung einer Zeitung macht.
Jonas hat das Schreiben der Buchstaben, Wörter, Sätze und Zahlen richtig viel Spaß gemacht, am liebsten hätte er dies ausschließlich gemacht. Doch hier konnte er erleben, dass er sich nicht immer nur das Schönste und für ihn Interessanteste aussuchen kann, sondern er auch Dinge tun muss, die ihm nicht so viel Spaß machen. So ist der Ernst des Lebens!
Jonas konnte viele Erfahrungen zu gemeinsamer Arbeit sammeln, positive wie negative. Mir war von Beginn an klar, dass die Zusammenarbeit mit Corvin nicht so leicht werden wird, trotzdem war mir die Erfahrung für Jonas sehr wichtig. Denn er hatte es bis dato in unserem Kindergarten fast noch nie erlebt, dass ihm einer das Wasser reichen kann. Corvin aber hat ebenso wie Jonas ein sehr breites Wissen, eine gute Merkfähigkeit und kann sich richtig gut ausdrücken.
In Situationen, in denen sie gegeneinander handgreiflich wurden, hatte ich auch ein paar Mal das Gefühl, dass das Projekt „Zeitung“ jetzt gelaufen sei. Doch das Interesse und das Engagement jedes einzelnen, hat es am Leben erhalten.
Anmerkung der Kursleitung:
Die Faszination war also unterm Strich immer deutlich größer als der Frust, das ist entscheidend.
Ans Aufgeben hat, glaube ich,
kein Kind zu irgendeinem Zeitpunkt gedacht.
Gut war, dass ich durch das große Interesse der Kinder die Gruppen schon mal unterschiedlich zusammensetzen konnte. So konnte ich je nach Interessenlage und Schwierigkeitsgrad variieren.
In manchen Situationen konnte ich auch mehr in die Tiefe gehen. Hierbei fällt mir noch eine Situation ein, die ich in der Durchführung noch gar nicht beschrieben habe, aber doch für wichtig halte:
Bei einem Treffen sprachen wir darüber, dass es unterschiedliche Fußbälle gibt und immer einen ganz besonderen WM-Ball. Jonas wollte dann wissen, wie so ein Ball hergestellt wird. Ich konnte ihm nur so vage erklären, dass die Bälle früher aus sechseckigen Lederstücken zusammengenäht wurden. Wie jedoch die modernen Bälle hergestellt werden, da war ich überfragt.
Spontan sind wir dann an den Computer gegangen und haben im Internet gesurft. Tatsächlich haben wir einen ganz tollen Videobeitrag über die Herstellung des WM-Balls gefunden. Wir holten die interessierten Kinder zusammen und ließen den Film ein paar Mal durchlaufen. Alle Kinder waren fasziniert und auch ich konnte noch einiges lernen.
Richtig gut fand ich auch, dass Jonas und Corvin sich trotz ihrer Rivalität immer wieder zum Spielen suchten und auf ein Neues das Zusammenspiel probierten.
Es gab nachher Situationen, da hatte ich das Gefühl, es ging nicht mit aber auch nicht ohne einander. Darunter litt manchmal die Freundschaft zwischen Mick und Jonas. Das hat Jonas wohl auch wahrgenommen – er ist eigentlich immer sehr darauf bedacht, dass es allen Kindern gut geht und besonders seinen Freunden. Ich glaube, deshalb hat Jonas auch Mick als Partner beim Kickerturnier gewählt.
Wenn ich mit Jonas alleine gearbeitet hätte, wäre ich wahrscheinlich inhaltlich noch mehr in die Tiefe gegangen. Doch bei diesem Projekt stand für mich das soziale Miteinander mehr im Vordergrund und ich denke, dies ist mir in Ansätzten auch ganz gut gelungen.
Anmerkung der Kursleitung:
Ich denke, ein hoch begabtes Kind braucht im Idealfall mal dies und mal das, also Beides.
Was Jonas oder auch Corvin speziell eingefordert haben, habe ich auch versucht irgendwie ins Projekt einzubeziehen. Hierzu zählen zum Beispiel das Kickerturnier oder die Einrichtung des Fußballplatzes auf dem Außengelände. Natürlich konnte ich ihre Wünsche nicht immer zu hundert Prozent erfüllen, doch wann kann man das schon. Auch hier müssen die Kinder lernen, dass es Grenzen gibt, sowohl zeitlich als auch materiell und finanziell. So konnten wir zum Beispiel leider nicht in ein großes Stadion fahren.
Anmerkung der Kursleitung:
Auch hierbei können begabte Kinder sehr viel Verständnis zeigen, solange ihre Grundstimmung in Ordnung ist (und also keine Dauerfrustration herrscht).
Im Großen und Ganzen, denke ich, waren die Kinder mit dem Ablauf und den Angeboten sehr zu frieden. Ich habe versucht, mich immer flexibel auf die Kinder und ihre Interessen einzustellen, und ich glaube, das haben die Kinder auch gespürt. Es gab keine Situation, in der mal ein Kind die Mitarbeit verweigert hat. Im Gegenteil, viele fingen auch an, zu Hause schon Texte und Bilder zu sammeln.
Jonas hat immer sehr genau die Spiele verfolgt, es war auch manchmal so, dass er dann am Tag nach dem Spiel fehlte, um Schlaf nachzuholen. Er hatte aber immer alle Tore und rote oder gelben Karten in seinem Gedächtnis gespeichert. Er konnte uns genau mitteilen, wer welches Tor geschossen hat, manchmal wusste er auch noch, wie es zu diesem Tor gekommen war. Hierbei konnte ich noch mal gut feststellen, wie gut Jonas‘ Merkfähigkeit ist und wie gut und verständlich er Gespeichertes schildern kann. Diese zwei Bereiche wurden auf jeden Fall noch mal stark gefördert.
Hinzu kommen erste Ansätze des Schriftspracherwerbs. Er hat Spaß und Freude daran, Buchstaben zu Papier zu bringen. Das konnte er während der Zeitungserstellung auch oft genug für sich nutzten und einsetzen.
Ich hatte für mein Projekt relativ viel Zeit und Freiraum zur Verfügung,
das kam natürlich auch den Kindern zugute.
Die Kinder konnten immer selbst bestimmen, wie lange sie am Angebot teilnehmen und welche Aufgabe sie übernehmen wollten.
Die meisten Kinder zeigten viel Ausdauer und gute Konzentration. Am Ende einer Einheit haben wir oft noch Kicker gespielt, was den Kindern auch immer sehr viel Freude bereitet und oft auch als Motivationsschub gedient hat. Es gab auch Angebote, bei denen saß am Ende nur noch Jonas neben mir. Oft war er noch fleißig am Schreiben oder hatte noch die ein oder andere Frage, die ihn sehr interessierte.
Insgesamt hatte dieses Projekt eine große Auswirkung auf die Gruppe, was natürlich durch die laufende WM verstärkt wurde. Plötzlich interessierte sich jeder für Fußball und wollte auf irgendeine Art und Weise seinen Beitrag hierzu leisten. Auch die Mädchen überlegten sich, wie sie mitwirken konnten, so wurde zum Beispiel eine Imbissbude für die Halbzeit errichtet oder Fahnen zum Anfeuern gebastelt und vieles mehr. Es kamen auch immer mehr Kinder, die sich an der Fußballzeitung beteiligen wollten, was ich auch versucht habe zu ermöglichen.
Es war eine richtig schöne Zeit. Man merkte auch, dass die Kinder untereinander viel sozialer und hilfsbereiter miteinander umgingen. Auch gruppenübergreifend hatte dies zuvor nur selten so gut funktioniert wie in diesem Projekt.
Datum der Veröffentlichung: Januar 2017
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