von Hanna Vock

Dies ist die Kurzfassung einer Kindergartenkonzeption, die ich im Jahre 1999 geschrieben und mit Kolleginnen und Eltern abgestimmt habe. Der Kindergarten (Elterninitiative) betreute 20 Kinder ganztags, die Öffnungszeiten waren von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr.

Auch damals schon nahmen wir fast alle Kinder um den 3. Geburtstag herum auf, Geschwisterkinder im Einzelfall auch früher.

Kinder brauchen:

  • Seelische Sicherheit
  • Anerkennung und Bestätigung
  • Freiraum und Beständigkeit
  • Realistische Vorbilder
  • Erziehung
  • Unterstützung in ihrer Entwicklung
  • Bewegung und gesunde Ernährung
  • Freunde und eine verständnisvolle Umwelt
  • Träume und Lebensziele

Elterninitiative – was bedeutet das für uns Eltern?

Als Eltern wollen wir

  • Verantwortung für den Kindergarten übernehmen,
  • viel Information über das Geschehen im Kindergarten
      erhalten und austauschen,
  • ohne Bürokratisierung mitgestalten,
  • fruchtbare Diskussionen über pädagogische Inhalte führen,
  • vertrauensvoll mit den Erzieherinnen zusammenarbeiten.

Verhältnis Kinder – Erwachsene

Erwachsene haben, wenn sie Kindern Achtung entgegenbringen, bei ihnen eine natürliche Autorität, die sich auf Erfahrung, Können, Wissen und Verantwortlichkeit gründet. Wenn wir Erzieherinnen uns den Kindern freundlich zuwenden, erhalten wir von den Kindern viel Zuneigung. Die damit verbundene Macht dürfen Erwachsene nicht mißbrauchen.

Unsere Erziehung zielt vor allem dahin, keine Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle, sondern Selbstbewusstsein und Verantwortlichkeit bei den Kindern aufzubauen.

Es ist uns wichtig, immer die Bedürfnisse der Kinder zu achten und ihnen Selbstständigkeit und Freiheit zu geben.

Wir grenzen uns aber auch gegen unangemessene Ansprüche der Kinder ab und weisen verwöhnte Launen gelassen und bestimmt zurück.

Es gibt für uns keine Lieblinge unter den Kindern. „Pflegeleichte“ wie „schwierige“, laute wie leise, vorwitzige wie gehemmte, dicke wie dünne, mürrische wie strahlende, schnelle wie langsame, geschickte wie tolpatschige, aufbrausende wie beherrschte – alle sind sie tolle, einmalige Kinder.

An alle werden, ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand entsprechend, dieselben Anforderungen gestellt. Und alle erhalten die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung durch die Erwachsenen.

Zusammenleben

Für unser Zusammenleben in der Gruppe mit Kindern und Erwachsenen sind klare, einsehbare, gültige Regeln nötig, an die sich alle halten.

Diese Regeln sollen helfen, dass

  • die Freiheiten der Kinder dort begrenzt werden, wo es für sie zu gefährlich werden könnte,
  • alle Kinder – durchsetzungsfreudige wie schüchterne –   zu ihrem Recht kommen,
  • die Nerven der Kinder und der Erwachsenen nicht übermäßig strapaziert werden,
  • ein sinnvolles Maß an Ordnung aufrechterhalten wird.

Wir Erwachsenen übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Regeln immer mal wieder überprüft werden und dass die Kinder sie samt Begründung kennen. Alle achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden, wobei natürlich wir als Erwachsenen die Verantwortung tragen.

Freiheit

Die Kinder sollen so viel Freiheit haben wie möglich. Sie werden dazu ermutigt, ihre Meinung frei zu sagen, ihr Spiel selbst zu bestimmen und ihre Bedürfnisse klar auszudrücken. Die Teilnahme an Spielen und Angeboten ist weitestgehend freiwillig.

Die Erzieherinnen ermutigen Kinder zur Teilnahme, wenn diese sich nicht trauen. Die Erzieherinnen achten darauf, wenn einzelne Kinder bei bestimmten Angeboten gar nicht mitmachen. Wenn sie erkennen, dass die Teilnahme für die Entwicklung des Kindes oder für seine Stellung in der Gruppe oder für sein Selbstwertgefühl wichtig wäre, versuchen sie herauszufinden, warum das Kind nicht mitmachen will. Entsprechend handeln sie oder lassen das Kind weiterhin in Ruhe.

Kinder werden dazu aufgefordert, angefangene Dinge zu Ende zu führen, aber nicht dazu gezwungen oder gedrängt.

Es werden Angebote aus den verschiedensten kreativen Bereichen gemacht, damit alle Kinder Möglichkeiten finden, ihre Kreativität zu entfalten: Theater spielen, Singen, Turnen, Malen, Experimentieren, Basteln, Kochen, Bauen, Tanzen…

Wir gehen davon aus, dass die Kinder normalerweise die besten Experten für ihre Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Bewegung, Spiel, Ruhe, Wärme, frische Luft, Kontakt, Distanz) sind. Sie werden ermutigt, in diesen Bereichen früh Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

Es regnet – aber unter dichten Bäumen ist es noch gemütlich trocken

Lernen

Schwerpunkte unseres ganzheitlichen Lernkonzepts sind

  • Selbstständigkeit und ein gesundes Selbstwertgefühl,
  • Soziale Kompetenzen,
  • Emotionale Intelligenz,
  • Umgang mit Konflikten und Aggressionen,
  • Körpersprachliche und sprachliche Ausdrucksfähigkeit,
  • Basiserfahrungen in vielen Bereichen,
  • Herausforderung zum selbstständigen und lösungsorientierten Denken,
  • Naturerfahrung,
  • kritischer Umgang mit Konsumangeboten.

Wichtige methodische Säulen unserer Arbeit sind die Projektarbeit und die Kleingruppenarbeit.

Unsere Kinder kommen gut vorbereitet in die Schule.

Unser besonderes Augenmerk gilt der Betreuung und Förderung von Kindern, die besonders lern- und wissbegierig sind und deren Interessen und Konzentrationsfähigkeit über die der Gleichaltrigen hinausgehen.
Diese Kinder sollen bei uns das nötige Verständnis für ihr besonders großes Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbstständigkeit finden. Wir achten darauf, dass sie im Kindergartenalltag immer wieder Herausforderungen auf ihrem Anspruchsniveau finden und tragen so zu ihrer Zufriedenheit und zu ihrer Integration in die Gesamtgruppe bei.

Bewegung

Bewegungsfreiheit ist ein gutes Maß für die äußere und innere Freiheit, die ein Kind besitzt.

Kinder, die sich aufgrund von Verboten und Raummangel nicht genug bewegen dürfen, sind in ihrer äußeren Freiheit eingeengt. Kinder, die sich gehemmt bewegen, sind innerlich unfrei.

Beides hängt bei kleinen Kindern sehr eng miteinander zusammen.

Unser Kindergarten ist ein Bewegungskindergarten. Die Kinder sind fast den ganzen Tag in Bewegung, sie sitzen nur beim Essen und im Stuhlkreis und wenn sie sich selber beim Malen oder Spielen hinsetzen wollen.

Wir verfügen über zwei Räume (in einem ehemaligen Schulpavillon). Der Eingangsbereich, die Küche, die Sanitäranlagen, das Büro/Abstellraum sind winzig, aber unser Außengelände ist angenehm groß, naturnah und zugewachsen. Es wird sehr viel genutzt.  Die Kinder haben viele Möglichkeiten sich auszuruhen, sich zurückzuziehen, sich hinzulegen oder irgendwo hinzukuscheln.

Nach dem Toben ein Nickerchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Kinder können (außer in der Eingewöhnungszeit und beim Mittagessen und Morgenkreis) jederzeit nach draußen gehen und auf unserem abenteuerlichen Freigelände spielen. Sie sind daher viel an der frischen Luft.

Einmal in der Woche können wir die Turnhalle der benachbarten Schule benutzen. Außerdem machen wir wöchentlich einen „Fahrzeugtag“, an dem die Eltern ein Fahrrad, Dreirad, Rollschuhe o.ä. mitbringen. Damit können die Kinder dann nach Schulschluss auf dem Schulhof fahren.

Einmal im Monat laufen und spielen wir einige Stunden im Wald.

Religion

In unserem Kindergarten findet keine Religionspädagogik statt. Dadurch finden diejenigen Eltern bei uns ein passendes Angebot, die für ihre Kinder keine Religionspädagogik wünschen oder die ihre Kinder in diesen frühen Lebensjahren selber religiös erziehen wollen.

Ostern, Erntedank, Martinsfest, Advent und Weihnachten feiern wir im Kindergarten entsprechend dem Brauchtum und angefüllt mit allgemeingültigen ethischen Werten.

Religiösen und anderen weltanschaulichen Themen, die die Kinder aus den verschiedenen Familien in den Kindergarten mitbringen, wird mit Achtung und Toleranz begegnet.

Ernährung

Unsere Kinder erhalten im Kindergarten ein Frühstücks-Angebot, ein Mittagessen und eine kleine Mahlzeit am Nachmittag.

Bei all diesen Mahlzeiten werden bestimmte Grundsätze eingehalten: zuckerarm, möglichst vollwertig (Brot, Reis), fleischarm (keine Wurst, mittags nur einmal pro Woche Fleisch oder Fisch), viel Gemüse, viel Rohkost (Obst und Gemüse), viel Kartoffeln und Reis.

Auch die freiwillige, abwechselnde Essenzulieferung durch die Eltern (Nachtisch oder Salat) richtet sich nach diesen Grundsätzen. Es gibt im Kindergarten eine Rezeptsammlung für vollwertige Süßspeisen.

Kein Kind wird jemals gezwungen oder gedrängt, etwas zu essen oder aufzuessen. Auch die bewährte Probierportion wird den Kindern angeboten, aber nicht aufgedrängt.

Ganztagsbetreuung

Alle unsere Plätze sind Ganztagsplätze. Wir finden es positiv, wenn Eltern ihren Beruf ausüben oder in anderer Weise eigene Ziele verfolgen können. Wir unterstützen gerade auch Mütter darin, neben der Fürsorge für ihre Kinder auch für sich selbst zu sorgen, da zufriedene Eltern für die Kinder bessere Eltern sind.

Wir halten es für positiv, wenn Kinder einen großen Teil des Tages mit anderen Kindern zusammen in einer Gruppe leben. Wir beobachten immer wieder, dass freie Kinder häufig die Gesellschaft anderer Kinder vorziehen, wenn sie wählen können, weil die meisten Kinder nur zusammen mit anderen Kindern ihre Spielbedürfnisse wirklich ausgiebig befriedigen können.

Wir unterstützen Eltern darin, es positiv anzunehmen und nicht als Zurückweisung oder als Zeichen einer mangelhaften Eltern-Kind-Bindung zu sehen, wenn ihr Kind nach dem Kindergartentag noch ein anderes Kind in dessen Zuhause besuchen will. Gerade das in einer sicheren und warmen Mutter-/Vater-Kind-Bindung aufgehobene Kind trennt sich leicht und bewegt sich frei und ohne Ängste und Schuldgefühle in der Welt.

Lesen Sie auch die Langfassung der Konzeption.

 

Datum der Veröffentlichung: Oktober 2012
Copyright © Hanna Vock, siehe Impressum.

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