Edith (Name geändert) (5;0), die ich in meiner ersten Praxisaufgabe (im IHVO-Zertifikatskurs) gezielt beobachtet hatte, war auch dabei.
Dies war, als sie 4;7 Jahre alt war, ihre spontane Antwort im Interessen-Fragebogen für den Kindergarten auf die Frage: „Was hast du schon einmal gemacht, worauf du richtig stolz bist?“
Einstieg ins Projekt
Für den Einstieg ins Projekt nutzten meine Kollegin und ich unseren „Morgenkreis“. Ziel war es, in der Kindergartengruppe alle interessierten Kinder anzusprechen, unabhängig von ihrem Alter. Das Ergebnis waren (aus unseren beiden Gruppen) 19 interessierte Kinder, die am Buchstaben-Projekt teilnehmen wollten. Wir bildeten vier Kleingruppen. Zwei Kleingruppen begleitete meine Kollegin, zwei betreute ich. Wir organisierten es so, dass jedes Kind an jedem zweiten Tag mit seiner Kleingruppe dran war.
… kurz gefasst …
Die Autorin greift das Interesse etlicher Kinder an Buchstaben nicht nur nebenbei auf, sondern führt eine Angebotsreihe in einer Kleingruppe mit sechs Kindern dazu durch. Besonders ein Mädchen (5;0) zeigt einen großen Lerneifer. Es zeigt sich im Laufe der Zeit, dass dieses Kind fast immer noch weiter lernen möchte, wenn die anderen schon gesättigt sind und sich nicht mehr konzentrieren können.
Das Mädchen Edith wird selbstsicherer und genießt die kognitive Förderung.
Im Folgenden konzentriere ich den Bericht auf die Gruppe, in der Edith war. Die Gruppe bestand zunächst aus fünf Kindern: drei leistungsstarken Kindern (meiner Einschätzung nach), kombiniert mit zwei etwas schwächeren. Edith war mit gerade fünf Jahren die Jüngste in dieser Gruppe.
Die Kinder
Edith, zu Beginn des Projektes gerade fünf Jahre alt geworden, ist ein ruhiges, unauffälliges, schüchternes, vorsichtiges Mädchen. Obwohl ihre Selbstsicherheit durch unseren intensiven Kontakt und meine große Aufmerksamkeit in den letzten drei Monaten (während meiner ersten Praxisaufgabe) sichtlich gewachsen ist, braucht sie weiter viel emotionale Unterstützung.
Ihrem Vorwissen und ihren Buchstabenkenntnissen entsprechend, musste Edith in eine Gruppe mit älteren Kindern, um gleiche Interessenspartner zu finden. Gut wäre die Kombination mit drei anderen Mädchen, was aus organisatorischen Gründen nicht möglich war. So ist zur emotionalen Unterstützung von Edith ihre Spielpartnerin Nele mit in die Gruppe gekommen. Nele ist zwei Monate älter als Edith, und ihren Wissensstand über Buchstaben konnte ich nicht richtig einschätzen.
Weiterhin war Lotte (5;10) dabei. Für die Eltern stand zeitweise die Frage der Einschulung, sie entschieden sich aber dagegen. Dann waren da noch Ole (6;11) und sein Freund Max, der erst 5;6 war. Bei ihm vermutete ich auch eine besondere Begabung und war auf seinen Wissensstand sehr gespannt. Für ihn war die Anwesenheit seines Freundes Ole sehr wichtig.
Siehe auch: Förderung in Kleingruppen – Möglichkeiten und Vorteile
Erstes Angebot
Am Anfang stand ein Gespräch über die Wünsche und Erwartungen der Kinder. Dabei stellte sich heraus: Bis auf Nele (5;2), die mit Buchstaben spielen und deren Namen lernen wollte, hatten alle anderen Lesen- und Schreibenlernen als Ziel.
Anschließend haben wir anhand von etwa 20 cm großen Buchstaben (von Kindern im Freispiel ausgeschnitten) über den Unterschied von Namen und Klang der Buchstaben gesprochen und es mit Beispielen ausprobiert.
Dabei erkannte ich: Buchstaben benennen ist den Kindern geläufiger als der Klang. Sie können das Alphabet zum größten Teil schon auswendig – sprechend oder singend – deshalb haben wir geübt, den Klang der Buchstaben zu sprechen. Wir haben geübt, genau zu hören und zu sprechen, zum Beispiel mit Worten, bei denen der jeweilige Buchstabe am Wortanfang steht.
Dabei kamen, um es übersichtlich zu halten, zunächst nur acht Buchstaben zum Einsatz, darunter die Anfangsbuchstaben der Kindernamen.
Zum Schluss legte jedes Kind aus den Buchstaben seinen Vornamen.
Dauer: etwa 35 Minuten.
Wie verhielt sich Edith?
Zweites Angebot
Jedes Kind erhält ein Heft und kann durch die gesamte Kita gehen, um Buchstaben, Worte und Sätze zu sammeln und abzuschreiben. Alle Kinder erscheinen hoch motiviert. Anschließend haben wir die Ausbeute gemeinsam angeschaut.
Die Kinder sollten ihr Ergebnis den anderen zeigen und, wer kann und will, die gesammelten Buchstaben vorlesen. Nele, Max und Ole haben wenig und undeutlich geschrieben. Sie trauen sich nicht vorzulesen, da sie viele Buchstaben noch nicht kennen.
Edith und Lotte haben viel geschrieben, Lotte etwas mehr, Edith dafür viel genauer und exakter.
Beide lesen ihre Buchstaben genau vor (mal den Buchstaben-Namen, mal den Buchstaben-Klang). Lotte liest schneller, Edith mit mehr Sorgfalt. Edith weiß einen Buchstaben nicht, ich gebe ihr den Tipp: der dritte des Alphabets, sie zählt ihn am Alphabet ab und nennt ihn.
Gemeinsame Abschlussüberlegung: Wie geht’s am nächsten Tag weiter?
Biete an: Wer noch weiter machen möchte, kann noch bleiben – es möchte keiner mehr.
Drittes Angebot
Edith arbeitet langsam, aber sehr genau und setzt zweimal ihren Namen zusammen. Dann kommt ein Spiel, das die Kinder sich gewünscht haben: Aus zehn Buchstaben (20 cm groß, aus Pappe geschnitten) versuchen die Kinder mit verbundenen Augen einen bestimmten Buchstaben zu ertasten. Das ist für die Kinder kein Problem, macht ihnen aber Spaß.
Für den nächsten Projekttag kündige ich an, dass sie eine Lesetabelle kennen lernen werden, als Hilfestellung zum selbstständigen Lesenlernen.
Edith sagt daraufhin bestimmt: „Ich will Lesen lernen.“
Alle Kinder dürfen dann in das heißgeliebte Turnzimmer. Nur Edith möchte mit mir allein noch weiter machen, sie zieht das Lernen mit mir allein dem Turnzimmer vor!
Wir besprechen die für das nächste Mal vorgesehene Lesetabelle. Sie benennt die Begriffe und die Laute (den Klang) der Buchstaben. Bei einigen unklaren Bildern braucht sie Hilfe. Dann schreibe ich ihr folgende Wörter auf, und sie liest!
Bild, Tag, Tanne, Wolke, Tafel. Die drei letzten waren fur sie etwas schwieriger zu lesen, aufgrund der Zweisilbigkeit.
Danach wollte sie dann aufhören und auch zu den anderen ins Turnzimmer gehen!
Viertes Angebot
Dann spielten wir ein Leselernspiel mit Tieren. Zum Spielmaterial gehörten kleine Kärtchen mit einem Bild; auf einem Kärtchen war zum Beispiel ein Zebra dargestellt. Dasselbe Motiv existierte jeweils noch einmal auf einer großen Karte, unter dem Bild war das zugehörige Wort geschrieben, also im Beispiel „Zebra“. Diese große Karte war in Streifen geschnitten, und zwar so, dass auf jedem Streifen ein Buchstabe des Wortes und ein Teil des Bildes zu sehen war.
Die Kinder zogen ein Kärtchen und puzzelten dann das dazugehörige Bild zusammen. Nun konnten sie versuchen, das entstandene Wort, also den Tiernamen, zu lesen.
Buchstaben, die sie nicht erkennen konnten (vor allem waren das die Kleinbuchstaben), sollten sie auf der Lesetabelle suchen.
Aufgabenstellung war nun, mit den Nikitin LOGO Buchstabenwürfeln selbstständig beliebige Wörter zu schreiben. Edith schreibt <Roller> und <Edith>. Beim Vorlesen liest sie jeden einzelnen Buchstaben und reiht sie nach und nach zum Wort zusammen – mit deutlicher, klarer Aussprache und hoher Konzentration.
Linus findet das langweilig und will hoch motiviert <Fettsack> schreiben. Er schreibt dann mit etwas Unterstützung: <FÄTSAK> und <PO>.
Fünftes Angebot
Linus nimmt jetzt immer in dieser Gruppe teil, womit es nun sechs Kinder sind. Auch diesmal besteht das Angebot aus einem Buchstabenspiel.
Es wird eine Buchstabenkarte in die Mitte gelegt, darauf steht ein großer Druckbuchstabe, auf den Kartenecken ist der zugehörige Kleinbuchstabe abgebildet. Rechts und links neben die Karte soll je ein Bild gelegt werden, dessen Bezeichnung mit diesem Buchstaben beginnt.
Alle spielten etwa eine halbe Stunde lang.
Edith will anschließend noch weiter machen. Ole leistet ihr noch kurz Gesellschaft, aber als klar wird, was wir weiter machen wollen, verabschiedet er sich schnell: Heinevetters Lesetrainer.
Ich gebe Edith eine Lesekarte. Sie liest und sucht dann die entsprechende Abbildung dazu. Begriffe sind: Blume, Banane, Tomate, Schlüssel, Puppe, Puppenwagen. Einige Kleinbuchstaben kennt sie noch nicht. Ich helfe ihr, sie zu benennen, oder wir schauen in der Lesetabelle nach.
Auch die Kombination „Sch“ ist ihr nicht vertraut, aber es ist dann für sie kein Problem, sie richtig einzusetzen. Edith genießt die Zeit alleine mit mir und erzählt mir nebenbei vieles – aus Vergangenheit und Zukunft. An diesem Tag reicht ihre Konzentration etwa für eine Stunde.
Sechstes Angebot
Die Kinder hatten allerdings schon einen ca. 35 Min. dauernden Morgenkreis mit Musikinstrumenten hinter sich. Außerdem war es sehr heiß an diesem Tag.
Aus meinem geplanten Einstieg entwickelten die Kinder dann etwas anderes: Sie stellten aus den vorhandenen großen Pappbuchstaben Buchstabenketten, Buchstaben-Hänge-Ohrringe und Buchstaben-Puzzle her.
Das ging so:
Aus spezieller, besonderer Wellpappe eine Tafel und viele kleine Plättchen zuschneiden, dann unter Zuhilfenahme des Alphabets Buchstaben darauf schreiben. Weil die Rillen der speziellen Wellpappe ineinander passen, kann man nun auf der Rillentafel (wie auf einer Magnettafel) Buchstaben, Wörter oder Sätze zusammenfügen.
Edith arbeitet langsam, aber sorgfältig. Sie achtet stets auf Genauigkeit. Außerdem arbeitet sie meist vorsichtig, um nichts falsch zu machen. So ist es auch diesmal.
Deshalb war ich jetzt erstaunt, wie gelassen sie blieb und wie gut sie sich ihre kleinen Fehler zugestehen konnte, ohne völlig frustriert zu sein.
Max und Ole machten zum Schluss dann auch noch mit, und so konnte am Ende jedes Kind seinen Namen in die Buchstabentafel drücken.
Ca. eine Stunde hat das Angebot dann doch noch gedauert, und da hatte dann auch Edith keine Lust mehr, noch mehr zu machen.
Siebtes Angebot
Geplant war die Erweiterung des Buchstabenspiels vom Vortag; dies war aber anscheinend für die Kinder aktuell wenig reizvoll. So einigten wir uns auf zwei beliebige Wörter, die sie schreiben sollten, ausgenommen ihre eigenen Namen. Edith hat es gut hingekriegt, die anderen Kinder brauchten mehr oder weniger Hilfe.
Edith hatte als einzige noch nicht genug Input bekommen. Sie will mit Heinevetters Lesetrainer noch weiter machen. Sie kennt fast alle Buchstaben, braucht aber immer noch bei einigen Kleinbuchstaben Hilfe, zum Beispiel verwechselt sie d und b. Auch die Kombinationen wie ei, eu und au müssen wir in der Lesetabelle nachschauen.
Ihre Lesemethode, die sie selbst für sich erfunden hat, geht so:
1. Zuerst sprach sie den ersten Buchstaben des Wortes,
2. dann den zweiten Buchstaben einzeln,
3. dann reihte sie den zweiten Buchstaben an den ersten und sprach beide zusammen,
4. dann wandte sie sich dem dritten Buchstaben zu, las ihn einzeln,
5. dann reihte sie ihn an die die ersten beiden an und sprach sie zusammen,
6. usw., bis ans Ende des Wortes.Dann wusste sie noch nicht sofort, welches Wort sie nun gerade gelesen hatte, der Sinn des Wortes erschloss sich ihr dann erst beim zweiten Aussprechen.
Edith las und ordnete folgende Wörter den Bildmotiven zu:
Puppe, Tomate, Banane (bekannt von letztem Mal), Vogel, Ofen, Igel, Leiter, Maus, Eule, Eimer, Auto, Sofa, Uhr, Wagen, Rose, Esel, Dose, Hose und Ameise.
Sie hätte ewig mit mir weitermachen können. Aber ganz allein, ohne mich, wollte sie dann doch nicht mehr. Da ging sie lieber zu den anderen spielen.
Achtes Angebot
Anschließend kann jeder malen und schreiben, was und so viel er will. Linus schreibt wieder FÄTSAK und SAU und ist ganz stolz. Lotte schreibt einfach nur Buchstaben, Ole und Max machten nichts mehr und Nele und Edith schreiben noch ihren Namen.
Neuntes Angebot
Anfangs liest sie einige Wörter, dann aber geben ihr die Bilder im Buch immer wieder neue Erzählideen ein.
So zählt sie bei einer Hausabbildung, wo man in die Innenräume schauen kann, ganz viele Gegenstände auf, die in diesen Räumen fehlen. Ca. eine Stunde verbringen wir so, dann hat sie keine Lust mehr, auch nicht auf eine andere Aktion.
Zehntes Angebot
Ich frage Edith an diesem Morgen, ob sie heute wieder mit den anderen Kindern der Gruppe das Buchstabenangebot machen will oder mit mir alleine. Sie antwortet, ohne lange zu überlegen: „Mit dir alleine.“
Weiter frage ich: „Lieber Lesen oder Schreiben?“ Sie entschied sich für Lesen. Wir lesen einen kurzen Text aus einer Lesefibel:
Malt mit
Lilo malt Mama
Lilo malt Mama mit (Bild eines Hutes)
Tilo malt Mama mit (Bild eines anderen Hutes)
Tim malt (Bildsymbol)
Tom malt (Bildsymbol)
Mama malt (Bildsymbol)
Oma malt (Bildsymbol)
Auffällig finde ich, dass Edith jedes Wort so las, als ob sie es das erste Mal sah und das erste Mal lesen würde.
Zum Schluss wurde das: „malt“ dann schneller und flüssiger gelesen, aber nicht so selbstverständlich, wie ich erwartet hatte. lch hatte gedacht, dass sie es wiedererkennen und dann auswendig schnell einfügen würde.
Dann las sie noch einen Text:
„Dinos sind im (Bildsymbol Ei).
In Ninos (Bildsymbol Bett) sind Dinos.
Da sind Dinos als (Bildsymbol Schuh).
Da sind Tassen mit Dinos.“
Nun waren ca. 25 Minuten um und ich bemerkte, dass Edith unkonzentrierter wurde. Daraufhin fragte ich sie, ob wir damit aufhören sollten, sie stimmte zu. Ich erklärte ihr nochmals, dass sie immer Bescheid sagen soll, wenn sie keine Lust mehr hat, weiter zu machen.
Die Frage, ob wir denn für heute ganz aufhören sollten oder ob sie noch etwas mit den LOGO-Steinen schreiben möchte, beantwortete sie ganz klar mit: „Weitermachen.“
Und ich dachte, sie wäre erschöpft!
Also wandten wir uns den Nikitin-LOGO-Würfeln zu. (Siehe: Interessante Spiele.)
Die ersten sechs Wörter bestanden aus vier Buchstaben, die folgenden sechs aus fünf bis sechs Buchstaben.
Gemeinsam suchten wir die entsprechenden Symbole auf den Würfeln. Edith legte sie auf die entsprechenden Felder. Dann benannte sie nach und nach die Anfangsbuchstaben der ausgelegten Symbole, drehte den Würfel passend und las zum Schluss das Wort vor.
Abschlussgedanken
Zum Projekt insgesamt:
Das Projekt wurde von allen teilnehmenden Kindern mit Begeisterung aufgenommen. Der Wissensstand der Kinder erhöhte sich, was auch für die Kinder selbst sichtbar war.
Die von uns als „buchstaben-leistungsstark“ eingeschätzten Kinder haben diese Erwartung bestätigt.
Gemeinsam mit allen Projektkindern haben wir nun für alle einsichtlich neue Gruppen zusammengestellt. So können künftig die Kinder, die schon etwas lesen können, in einem für sie geeigneten Tempo weiter arbeiten, und die anderen Kinder können an ihren Kenntnissen anknüpfen.
Durch die Gruppenveränderungen wurde nur bei wenigen Kindern eine kurze Traurigkeit hervorgerufen; denn alle haben auch nach den Änderungen noch Freunde mit in ihrer Gruppe. Weitermachen mit dem Projekt möchten alle.
Zu Edith:
Zunächst ist es auffällig, wie eng unsere Beziehung geworden ist. Das zeigt sich zum Beispiel in der täglichen innigen Begrüßung und Verabschiedung, oder auch darin, dass sie jeden Tag fragt, ob sie beim Morgenkreis und beim Mittagessen neben mir sitzen darf. Sie kann aber durchaus auch ganz gut ohne mich zurechtkommen, sie „klammert“ nicht.Ediths Freundinnen kommen jetzt beide in die Schule, nur Charlotte bleibt ihr dann noch, die in Kürze auch 5 wird. Mein Ziel ist es, Lotte und Edith einander näher zu bringen. Sie sind ganz unterschiedliche Kinder und haben so eigentlich keine Verbindung. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie sich in manchen Bereichen gut ergänzen. Des weiteren glaube ich, dass sowohl Lotte als auch Edith adäquate Spielpartner fehlen, wenn die anderen in der Schule sind. Durch die Fortführung des Buchstabenprojekts hoffe ich auch, die Verbindung der beiden zu verbessern.
Bei unseren gemeinsamen Aktivitäten zu zweit erhielt Edith sehr viel Aufmerksamkeit, welche sie meiner Meinung nach auch braucht. Ich war bei den Angeboten ruhig, geduldig, und alles sollte ohne jeglichen Leistungsdruck ablaufen. Meine Anregungen und Fragen stellte ich behutsam. Trotzdem schien mir Edith oft unter einer Art Leistungsdruck zu stehen. Sie saß nie entspannt und ruhig, sondern zappelte hin und her und musste ständig ihre Sitzposition ändern.
Ist das negativ zu werten oder als ein Zeichen positiver An- und Aufgeregtheit?
Ihre große intrinsische Motivation war nicht zu übersehen. Wenn alle Kinder schon mit ihrer Kraft und Konzentration am Ende waren, legte Edith mit mir alleine erst los. Sie nahm ansonsten unauffällig an den Angeboten teil, hatte den Mut und das Selbstbewusstsein, vor der Gruppe laut Wünsche zu äußern oder Wörter vorzulesen. Manchmal kam es mir so vor, als wartete sie die Zeit geduldig ab, bis sie dann mit mir so richtig an ihren Interessen arbeiten konnte.
Für Linus dagegen hätte ich immer auch extra schwierige Aufgaben bereithalten müssen, was aber schwer war, da ich sein Wissen und seine Wünsche nicht so gut einschätzen konnte. Ansonsten holte er sich seine Aufmerksamkeit auf die negative Weise, machte nur Blödsinn und benannte alles als „Pepp“ (viel zu leicht), konnte es dann aber oft doch noch nicht.
Es ist für mich offensichtlich geworden, dass Edith zusätzliche kognitive Förderung braucht und ihr diese gut tut. Wenn das Buchstabenprojekt abgeschlossen sein wird, möchte ich versuchen, ihren weiteren kognitiven Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie hat schon geäußert, dass sie auch rechnen lernen will.
Gleichzeitig versuche ich auch etwas über ihre weiteren Interessengebiete zu erfahren. So stehen neben dem mathematischen Bereich auch Experimente und naturwissenschaftliche Fragen an.
Mal sehen, was der Kindergartenalltag mir an Möglichkeiten lässt.
Edith wurde später als hoch begabt getestet.
Mehr zu Edith lesen sie hier:
Mathematische Förderung in einer Zweiergruppe
Datum der Veröffentlichung: Juli 2012
Copyright © Lucy Rüttgers, siehe Impressum.