von Hanna Vock
Eine geniale Musikerin hat eine andere Art von Hochbegabung als eine geniale Chemikerin oder Archäologin. In jedem menschlichen Tätigkeitsbereich (Domäne) ist Hochbegabung denkbar. Denkbar und tatsächlich vorhanden ist eine unendliche Menge von individuellen Ausprägungen und Kombinationen.
Es gibt sehr schmale Hochbegabungsbereiche, die sich auf nur wenige spezielle Fähigkeiten einer Domäne beziehen, und es gibt Hochbegabungen, die sich über mehrere Domänen erstrecken. So gibt es zum Beispiel hoch begabte Mathematiker, die auch für Musik sehr begabt sind.
Häufig wird in dieser Frage Gardner (1998) zitiert. Er unterscheidet neun Intelligenzen (wobei ich in diesem Zusammenhang den Begriff Begabungen vorziehen würde):
- die sprachliche,
- die musikalische,
- die logisch-mathematische,
- die räumliche,
- die körperlich-kinästhetische,
- die intrapersonale,
- die interpersonale,
- die naturalistische,
- die existenzielle Intelligenz.
Bei Joelle Huser (S. 8-9) werden genauere Beschreibungen referiert, was jeweils darunter zu verstehen ist.
Kursteilnehmerinnen stellten, wie ich meine zu Recht, die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, auch eine eigenständige künstlerisch-gestaltende und eine eigenständige technische (Hoch-) Begabung anzunehmen. (Siehe auch: Kapitel 4.4.4.)
In den IHVO-Zertifikatskursen beschäftigen wir uns nicht so sehr mit dem Erkennen und Fördern von musikalischen, körperlich-kinästhetischen oder künstlerisch-gestalterischen hohen Begabungen. Sie werden relativ häufig erkannt und dafür finden sich auch im Kindergarten und außerhalb des Kindergartens am ehesten Anregungen. Im Zentrum unseres Interesses stehen die anderen, die so genannten intellektuellen Hochbegabungen, und die noch wenig beachtete soziale Hochbegabung (intrapersonal und interpersonal).
Es gibt kaum Turnvereine für die „kleinen grauen Zellen“, und in vielen Kindergärten hat die bewusste kognitive Förderung noch nicht den Stellenwert, den wir uns für alle, insbesondere aber für die intellektuell hoch begabten Kinder wünschen.
Förderung der sozialen Kompetenzen ist dagegen ein Kernbereich der Elementarpädagogik und wird in vielen Kindergärten besonders gut geleistet. Nun haben aber nicht alle hoch begabten Kinder auch eine besondere soziale Begabung. Deshalb sind sie häufig mit der schwierigen Aufgabe überfordert, ihre Integration in die Gruppe der anderen, nicht hoch begabten Kinder eigenständig zu leisten. Hier kommt es darauf an, die spezifischen sozialen Probleme hoch begabter Kinder zu sehen und den Kindern sinnvolle Unterstützung zu geben.
Soziale Hochbegabung ist ein noch nicht so beachteter Bereich, vielleicht weil es (noch) keine Tests gibt, um eine solche Hochbegabung quantitativ zu bestimmen. In der pädagogischen Praxis erleben wir aber Kinder, die Merkmale hoher sozialer Begabung zeigen. Auch hierfür liefern Teilnehmer-Arbeiten erste interessante Hinweise.
Es ist zu vermuten, dass auch hier viele hohe Begabungen schlummern, zu deren Förderung im Elementarbereich gezielt Ideen zu entwickeln sind. Hier liegt noch ein weites, unbeackertes Feld.
Siehe auch:
Datum der Veröffentlichung: 5.5.07
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