von Kornelia Eppmann
Mein „Beobachtungskind“ Felix ist inzwischen 4;6 Jahre alt.
Mehr zu Felix können Sie hier lesen:
Nun möchte ich Felix‘ Interesse am Funktionieren eines Fotoapparates aufgreifen.
Felix hatte zu Hause Ärger bekommen, weil er mit einem nicht-digitalen Fotoapparat versucht hatte, im Aquarium seiner Oma einen schönen Fisch für seinen Freund zu fotografieren.
Ich fragte mich: Weiß Felix überhaupt, wie ein Fotoapparat funktioniert und wie ein Foto entsteht? Weiß er, was man beim Fotografieren alles beachten muss?
Hierzu könnte ich doch ein Projekt starten.
Was will ich tun?
-
- Zusammen mit zwei bis drei weiteren Kindern will ich Felix in seinem technischen Interesse unterstützen und begleiten.
- Ein Experiment zum Aufbau eines Fotoapparates anbieten.
- Mit den Kindern ein Fotostudio besuchen, damit sie dort Erfahrungen machen und professionelle fachliche Erklärungen erhalten können.
Situation 1 – Felix erzählt von seinem Unglück
Am Frühstückstisch unterhielten wir uns über ein Projekt, das in der Nachbargruppe, der lila Gruppe, gelaufen war. Dabei sollten alle Kinder ihr Haustier, sofern sie eines haben, fotografieren und ein Bild mitbringen. Die Bilder wurden an einer Pinnwand angebracht, und dann wurde gemeinsam erarbeitet, wie man mit Tieren umgeht.
Felix hatte seinen Freund Leo (6;5 Jahre), der in der lila Gruppe ist, zu Hause besucht und schwärmte für dessen Hund, einen Labrador.
Dann erzählte er, dass er auch gern ein Tier hätte, aber seine Mama es noch für zu früh halte.
Felix: „Ich wollte die Fische in Omas Aquarium fotografieren und hab den Fotoapparat ins Wasser gehalten, um den größten Fisch zu erwischen.“
„Aha“, sagte ich und musste mir das Lachen verkneifen, „hast du ihn erwischt?“
„Nein, meine Mama kam ins Zimmer und hat mich ausgeschimpft.“
… kurz gefasst …
Der vierjährige Felix macht die Erfahrung, dass aus einem Missgeschick ein spannendes Projekt werden kann.
Zusammen mit seiner Erzieherin und mit drei anderen Jungen, darunter der sechsjährige Leo, begibt sich Felix in die Welt der Fotografie.
Er kann viele Fragen stellen, nach Antworten suchen, viel ausprobieren und erlebt in der Kleingruppe einen munteren Wissens- und Erfahrungsaustausch, der im Besuch eines Fotostudios gipfelt, wo eine Expertin Rede und Antwort steht.
„Warum hat sie das gemacht?“
„Weil der Fotoapparat jetzt futsch ist, dabei wollte ich doch dem Leo ein Bild von dem schönen Fisch schenken.“
„Wie kann der Fotoapparat denn im Wasser kaputt gehen?“
Felix: „Mama hat gesagt, weil jetzt Wasser im Fotoapparat ist. Da sind ganz viele Kleinteile drin und die dürfen nicht nass werden, sonst funktioniert er nicht mehr.“
„Weißt du denn, wie so ein Fotoapparat funktioniert, oder hast du schon mal selbst fotografiert?“ fragte ich Felix.
„Nein“, antwortete er, „aber bei Oma wollte ich es ausprobieren.“
„Vielleicht können wir mal andere Kinder fragen, ob jemand etwas über Fotoapparate und die Foto-Entstehung weiß“, schlug ich vor. „Wenn du Lust hast, kannst du zwei bis drei Kinder zu einer offenen Gesprächsrunde in die Quasselbude einladen. Dann schauen wir mal, was die anderen darüber wissen – und dann könnten wir ein Projekt dazu machen.“
Felix: „Oh ja, ich weiß auch schon, wen ich dazu einlade.“
„Wir treffen uns dann 11 Uhr in der Quasselbude, falls die anderen Zeit haben“, sagte ich. „Du kannst noch draußen spielen gehen, wenn du magst, und deine Freunde fragen, ob sie mitmachen wollen.“
Felix: „Rufst du uns dann, wenn es 11Uhr ist? Ich kann doch noch keine Uhr lesen!“
„Ja, das geht in Ordnung.“
Situation 2 – Treffen in der Quasselbude
Wie vermutet, hatte er seinen Freund (5;6) aus unserer Gruppe und Leo (6;5) dazu eingeladen.
Später kam noch ein weiteres 6-jähriges Kind aus der grünen Gruppe hinzu, das schon öfter an Experimenten teilgenommen hatte.
Felix erzählte noch mal sein Unglück, das ihm widerfahren war.
Alle: „Oh nein, der ist kaputt!“
„Für unter Wasser gibt es extra Kameras“, meinte der Junge aus der grünen Gruppe.
Felix stellte den anderen die Frage: „Wisst ihr, wie ein Fotoapparat funktioniert? Ich weiß es nicht.“
„Ja“, gab Leo zur Antwort, „also erst braucht man einen Film, den tut man in den Fotoapparat, und Batterien braucht man auch, sonst funktioniert es nicht. Ich habe auch einen Fotoapparat und schon mal fotografiert. Ganz wichtig ist Licht, um etwas zu fotografieren.“
„Wozu braucht man denn Batterien?“ fragte ich.
Felix‘ Freund antwortete: „Damit der Motor laufen kann“ und machte ein Geräusch: „ssssssssssssssssssssssssssssss“.
„Ja, richtig“, erwiderte ich, „wisst ihr auch, was der Motor im Fotoapparat da macht?“
Leo: „Der transportiert den Film, sonst würde man ja nur 1 Bild machen können.“
„Aha, wie viele Bilder kann man denn mit einem Film machen, wo und wie kann man erkennen, wie viele Bilder ein Film hat?“
Der Junge aus der grünen Gruppe machte eine Handbewegung, als würde er von oben auf etwas zeigen und sagte: „Bei uns kann man das an einem kleinen runden Fenster sehen, da stehen Zahlen drauf. Wenn man ein Bild gemacht hat, geht der Film weiter und die nächste Zahl ist zu sehen. Filme gibt es in verschiedenen Größen mit 12 oder mehr Bildern.“
„Ja, das habe ich bei meinem alten Fotoapparat auch so“, gab ich zur Antwort.
„Gibt es denn nur eine Sorte Fotoapparate?“ fragte ich die Kinder.
„Nein“, antworteten alle, einer der Jungs sagte: „Mein Papa hat eine Digitalkamera.“
„Was ist denn digital?“ fragte ich.
„Na, da ist kein Film drin, sondern eine kleine Karte, dort werden alle Bilder gespeichert und man kann sie auf einem kleinen Monitor sehen“, antwortete er.
„Was heißt eigentlich gespeichert?“ fragte ich in die Runde.
Einer der Jungs sagte: „Du kennst doch bestimmt einen Dachboden im Haus, den nennt man auch Speicher. Dort werden Sachen abgestellt. Wenn man sie braucht, holt man sie vom Speicher. So hat das meine Mama erklärt.“
„Eine gute Erklärung von deiner Mama“, sagte ich.
„Du hast doch auch so eine Kamera“, sagte Felix zu mir, „damit hast du doch unsere Gruppe fotografiert.“ „Ja, stimmt, Felix“, antwortete ich.
Ich fragte ihn: „Hattest du bei deiner Oma auch so einen digitalen Fotoapparat?“
Felix: „Nein, bei dem Apparat konnte ich das Bild nicht sehen.“
Leo: „Dann war da ein Film drin, den man zum Entwickeln zum Drogeriemarkt bringen muss.“
„Was heißt denn entwickeln, wie geht das denn?“ fragte ich.
Der Junge aus der grünen Gruppe sagte: „Wenn der Film voll ist, muss man ihn zurückspulen und raus nehmen, dann kommt er in eine Maschine. Die macht dann die Fotos auf Papier, die man ansehen und in ein Fotoalbum tun kann.“
„Also, wir brauchen einen Film, Batterien – und was muss man dann machen?“
Felix: „Du musst durch das kleine Fenster gucken, was du fotografieren willst, und dann auf den Knopf drücken.“
„Dann hat man ein Bild fotografiert?“, fragte ich. „Ja“, sagten alle.
„Aber wisst ihr was: morgen bringe ich 2 Fotoapparate mit, einen digitalen und einen anderen, damit geht ihr dann auf eine Fotorallye.“
„Oh ja, das ist cool!“
„Jeder von euch darf 6 Fotos machen, bis 6 könnt ihr bestimmt alle zählen? Die Fotos sehen wir uns dann später an, die aus dem normalen Fotoapparat müssen wir natürlich erst zum Entwickeln in die Drogerie bringen“, betonte ich.
Heutzutage (2009, H.V.) ist ja eher schon eine Digitalkamera das Normale, und für die Kinder später sowieso.
„Vielleicht kann Felix seine Mama fragen, ob wir den kaputten Fotoapparat haben können. Wir könnten ihn auseinander bauen, um zu sehen was drin ist.“
Felix: „Ja, ich frage meine Mama heute Nachmittag, ob wir den haben können.“
„Also dann treffen wir uns morgen ganz kurz nach dem Frühstück in der Mensa und ich gebe euch die Fotoapparate und erkläre euch, wie man sie bedient.
Felix Mutter war so nett, uns den kaputten Fotoapparat für unsere forschenden Zwecke zu schenken.
Kommentar der Kursleitung:
Deine Art mit den Kindern zu sprechen, gefällt uns: klar, direkt, respektvoll, mit Humor und ohne Umschweife; es ist zu spüren, dass Du die Kinder ernst nimmst.
Situation 3 – Felix geht auf Fotorallye
Beim nächsten Treffen erklärte ich die Handhabung der Kameras. Wir sprachen über: Linse, Blende, Auslöser, Blitzlicht, wie man einen Film einlegt, wo die SD Card eingesteckt wird, wo die Batterien rein gehören. Jeder durfte einmal probieren ein Foto zu machen. Dabei passierte etwas Wunderbares: Felix probierte natürlich alle Knöpfe aus. Die Klappe, hinter der der Film war, sprang auf.
Alle guckten. „Oh nein“, rief der Junge aus der grünen Gruppe, „jetzt ist der Film hin.“
„Wieso?“ fragte ich ihn.
„Weil der dann belichtet ist und die Bilder nichts werden.“
„Wer sagt denn so was?“ fragte ich ihn.
„Das hat mein Vater mir erklärt. Als sein Fotoapparat nicht weiterging, hat er auch die Klappe geöffnet, und der Film war futsch.“
„Na, das werden wir sehen, wenn der Film entwickelt wurde.“ Ich nahm den Film heraus und bat den Jungen, einen neuen Film einzulegen, was er auch sehr geschickt tat, mit den Worten: „Felix du musst aufpassen, dass du nicht wieder an diesen Knopf kommst.“
Felix, sichtlich erschrocken, sagte leise: „Ja mach ich.“
Kommentar der Kursleitung:
Er erleidet nun schon das 2. Missgeschick auf Grund seines Drangs, Dinge auszuprobieren. Du bist gelassen damit umgegangen. Es liegt ja nur am fehlenden Wissen – und Du hilfst den Kindern, das nötige Wissen zu erlangen.
Jeweils zwei Kinder sollten eine Kamera nehmen und gemeinsam auf der Fotorallye im Haus und Außengelände 6 Bilder mit jeder Kamera machen, die sie dann untereinander tauschten.
Ich konnte beobachten, wie sie selbst Erklärungen zur Handhabung der Fotoapparate untereinander austauschten.
Felix hielt die digitale Kamera ganz nah an seine Nase, worauf ihn Leo korrigierte und sagte: „So doch nicht, wie willst du denn sehen, was du fotografierst. Du siehst doch auf dem kleinen Monitor das Bild an der Wand. Halt ihn einfach ganz normal in der Hand und drück den Auslöser, wenn das Bild gut zu sehen ist.“
Ich war gespannt, was sie am meisten interessieren würde. Nachdem sie mir die Kameras zurückgebracht hatten, setzten wir uns zusammen und sie berichteten, was sie alles fotografiert hatten.
„Die Bilder schauen wir uns dann gemeinsam an“, sagte ich, „aber wer kann denn die Filme mitnehmen und sie mit Mama oder Papa in der Drogerie zum Entwickeln abgeben?“ fragte ich, „Leider schaffe ich es heute nicht mehr.“
Der Junge aus der grünen Gruppe sagte: „Ich kann die mitnehmen, weil ich heute noch zum Training gehe, da kommen wir an einer Drogerie vorbei.“
„Oh, prima“, sagte ich, „deine Mama soll dann bei mir vorbei kommen, wenn sie dich abholt, vielen Dank dafür.“
„Was habt ihr denn festgestellt beim Fotografieren?“ fragte ich neugierig.
Kommentar der Kursleitung:
Wieder eine gute Frage Deinerseits.
Felix: „Wenn man in die Sonne schaut und fotografiert, sieht das Bild dunkel aus, man kann fast nichts erkennen.“
Nachfrage: „Wie hast du das herausgefunden?“
Felix: „Mit der digitalen Kamera, da kann man das Bild sofort sehen.“
„Ach so, stimmt. Ja, am besten man stellt sich so hin, dass die Sonne auf den Rücken scheint“, erwiderte ich, „dann funktioniert es besser“.
Felix‘ Freund: „Und im Haus blitzt der Fotoapparat.“
Leo: „Klar, da ist es dann auch zu dunkel. Licht ist ganz wichtig, um ein Foto zu machen.“
„Bei der digitalen Kamera dauert es manchmal, bis man den Auslöser drücken kann, das Bild wackelt ein bisschen, aber dann geht es“, sagte der Junge aus der grünen Gruppe.
„Es wackelt deshalb, weil sich die Bildschärfe erst einstellt, bevor man den Auslöser drücken kann“, gab ich zur Antwort. „Wenn wir unsere entwickelten Bilder aus der Drogerie zurück haben, bringe ich meinen Laptop mit. Den brauchen wir für die Bilder aus der digitalen Kamera, dort sind die Bilder besser zu sehen als auf dem kleinen Monitor am Fotoapparat, wir schauen uns dann gemeinsam eure Werke an. Wir treffen uns dann in der Quasselbude, ich gebe euch Bescheid.“
Situation 4 – Felix versucht zu verstehen, wie ein Bild entsteht
Wir konnten unser Projekt schon am nächsten Tag fortsetzen.
Wie versprochen, hatte ich meinen Laptop, den Card Reader und einen alten Fotoapparat aus dem Jahre 1962 mitgebracht, sowie ein Foto, das damit gemacht worden war.
Außerdem hatte ich aus dem Internet Bilder ausgedruckt, die verschiedene Fotoapparate zeigten, um diese zu vergleichen.
Als ich mit den Vorbereitungen fertig war, holte ich die Kinder aus den Gruppen ab, sie düsten sofort in Richtung Quasselbude.
Zuerst schauten wir uns die verschiedenen Fotoapparate (ausgedruckte Fotos und das alte Original) an und die Kinder versuchten zu erklären, wie sie funktionierten.
Leo: „Das ist das Objektiv und da ist eine Linse, die Licht in den Fotoapparat lässt, aber bevor man ein Bild machen kann, muss die Blende geöffnet werden.“
Felix: „Bei dem alten Fotoapparat muss ich die Blende aufmachen und bei dem digitalen geht’s automatisch auf, wenn die Kamera angemacht wird.“
Dann erklärte ich, dass die alte Kamera noch keinen Motor hatte und man deshalb alles mit der Hand machen musste. Die Filme waren aus dem Kunststoff Polyester, das Objektiv musste man mit der Hand herausdrehen und den Film mit der Hand weiter drehen.
Die Kinder schauten sich den Apparat genau an und durften ihn auch mal ausprobieren: den Film transportieren und den Auslöser drücken, um zu hören, welche Geräusche der alte Apparat macht.
Über das Foto, das einst mit diesem alten Apparat gemacht worden war, wunderte sich Felix: „Warum hat das so komische Farben?“
„Die Herstellung der Farben war damals noch nicht so richtig erforscht, deshalb gab es nur einige wenige Farben, meist in grau/braun wie man auf diesem alten Foto sehen kann.“
Jetzt schauten wir uns die neu entwickelten Bilder aus der Drogerie an.
„Äh, was ist denn mit den Fotos hier passiert?“ fragte Felix und zeigte auf ein verschwommenes Bild, das mit dem alten Fotoapparat gemacht worden war. Dann entdeckte er die Negative und schaute sie an, auch die von dem belichteten Film.
„Aa ist gar nichts zu sehen“, stellte Felix fest.
Der Junge aus der grünen Gruppe meinte: „Hab ich doch gesagt, der wird nichts.“
„Wen könnten wir wohl fragen, wie das passieren konnte?“ fragte ich in die Runde.
„Vielleicht einen Fotografen, der kann uns das bestimmt erklären“, meinte Leo.
Felix: „Ja, aber wo finden wir denn einen Fotografen?“
„Ich weiß, im City-Center“, sagte Felix` Freund, „da war ich schon mal mit meiner Mutter.“
Ich bestätigte: „Das stimmt, ich habe dort sogar zwei Fotostudios gesehen. Wenn ihr wollt, mache ich dort einen Termin und wir fahren später dahin. Ich bin mir sicher, dass sie dort viele Fragen beantworten können.“
Dann widmeten wir uns weiter den entwickelten Fotos.
„Was meinst du, was da passiert ist?“ fragte ich Felix.
„Sieht aus, als hätte da einer die Farbe verschmiert“, antwortete er.
Der Junge aus der grünen Gruppe meinte: „Nein, ich glaube, das passiert, wenn sich etwas schnell bewegt und der Auslöser gedrückt wird, dann sieht das so undeutlich aus.“
„Gut erklärt“, sagte ich und nahm eine durchsichtige Frühstückstüte. Ich bat die Kinder mal ein Foto durch diese Tüte anzuschauen. Einer der Jungs sagte: „Sieht alles undeutlich aus.“
„Richtig“, gab ich zur Antwort, „bei dem alten Fotoapparat kann man die Bilder vorher nicht sehen und hat dann manchmal auch solche Fotos dabei, es ist immer eine Überraschung, wenn man sie aus der Drogerie abholt.“
Dann erklärte ich, wie man die Bilder von der digitalen Kamera auf den Laptop bekommt, dass man dafür ein USB-Kabel braucht, um die auf der SD Card gespeicherten Bilder zum Laptop zu transportieren, wo man sie dann ansehen kann.
Sie verfolgten den Vorgang des Aufbaus genau. Jetzt sahen wir ihre Fotos an und Felix fragte: „Und wie kommen die jetzt auf das Papier wie die anderen Fotos?“
„Was meint ihr?“ fragte ich in die Runde.
Sein Freund meinte: „Mein Papa hat einen Drucker, da legt er Papier rein und dann druckt er Fotos aus.“
„Ach so“, sagte Felix, „kannst du das mal machen, Konny?“
„Ja, aber dazu müssen wir mit der SD Card an den anderen Computer gehen, mit diesem Laptop geht das nicht.“
Also gingen wir gemeinsam zum Computer und ich druckte jedem ein Bild aus, das er fotografiert hatte. Sie präsentierten ihr Bild dann in ihren Gruppen und nahmen es mit nach Hause.
Sie hatten viele Dinge ins Visier genommen: Spielzeug, gebaute Legosachen, Blumentöpfe, gemalte Bilder an den Wänden, Thermoskannen aus der Küche, eine Wanduhr, einen Fotoapparat, Schuhe, Türen die nur halb erfasst waren, unser Aquarium und vieles mehr.
Zum Schluss verabredeten wir uns für den übernächsten Tag im Werkraum, um den kaputten Fotoapparat auseinander zu bauen.
Situation 5 – Experiment: das Innere des Fotoapparats sehen
Nun brauchten wir Werkzeug.
„Felix, welches Werkzeug brauchen wir denn, schau dir mal den Fotoapparat an!“
Er inspizierte ihn von allen Seiten und sagte: „Schraubendreher.“
„Richtig“, antwortete ich, „kannst du auch erkennen, welchen wir brauchen? Es gibt ja verschiedene Schraubendreher, Kreuz- oder Schlitzschraubendreher.“ Anhand zweier Modelle zeigte ich ihm den Unterschied.
Felix: „Ich glaube, einen Kreuzschraubendreher, aber der muss ganz klein sein, guck mal, das sind ja Mini-Schrauben.“ Er suchte den kleinsten Schraubendreher heraus.
Jetzt probierten wir der Reihe nach die Schrauben zu lösen, manche Schrauben waren ganz schön fest. Endlich hatten wir es geschafft und die einzelnen Teile auf den Tisch gelegt.
„Ja wirklich, da sind ganz viele Kleinteile drin“, sagte Felix` Freund, „deine Mutter hatte Recht.“
„Guck mal, das da ist die Linse, da kommt das Licht rein“, sagte Leo. „Und das da sieht wie ein Spiegel aus“, fügte der Junge aus der grünen Gruppe hinzu.
„Wofür ist eigentlich der Spiegel in der Kamera?“ fragte ich in die Runde.
„Ich glaube“, sagte Leo, „durch den kommen die Fotos auf den Film.“
„Hier gehören die Batterien rein“, stellte Felix fest. „Da ist aber viel Metall drin.“
„Ja und was passiert, wenn das Metall nass wird?“ fragte ich.
Leo: „Dann rostet es und die Teile funktionieren nicht mehr richtig.“
Ich ergänzte: „Ja, an der Blende kann man das gut sehen.“ Tatsächlich ließ sie sich nicht mehr richtig öffnen.
Der Junge aus der grünen Gruppe meinte: „Das hätte ich nicht gedacht, dass so viele kleine Teile in einem Fotoapparat sind.“
Ich hatte einen Film bereitgelegt, den wir jetzt auch von innen sehen wollten.
„Woraus wird der wohl gemacht sein?“ fragte ich die Kinder.
Jeder schaute sich den Film rundherum an.
„Vielleicht aus Plastik“, sagte Felix` Freund.
„Plastik ist auf alle Fälle auch daran“, äußerte ich, „hier oben ist die Halterung, um den Film im Fotoapparat fest einzulegen, sonst würde er vermutlich hin und her rutschen.“
Dann versuchten wir die äußere Hülle des Films zu entfernen. Es war nur mit viel Gewalt möglich, die äußere Hülle des Films zu zerstören.
Endlich konnten wir erkennen, woraus der Film bestand.
Leo sagte: „Die Hülle ist aus Metall und, guck mal, innen ist das Metall schwarz, der Film fasst sich an wie Plastik.“
„Das runde Ding hier nennt man eine Spule, an der der Plastikfilm befestigt ist“, sagte ich, „dort ist er aufgewickelt, gerollt.“
„Warum hat der Film so eine dicke feste Hülle?“ fragte ich die Kinder.
Felix: „Damit kein Licht an den Film kommt und er nicht kaputt geht, falls er runter fällt.“
Ich antwortete: „So könnte es sein, aber ich habe einen Vorschlag: Wir fahren nächste Woche ins Fotostudio und nehmen unseren Fotoapparat und den Film mit. Vielleicht kann man uns dort genau erklären, wie all das funktioniert.“
„Oh ja, das wird bestimmt spannend“, sagte Leo.
„Ich bin auch schon neugierig“, gab ich zur Antwort. Dann packten wir alle Teile in eine Tüte und verabschiedeten uns.
Situation 6 – Besuch im Fotostudio
Voller Aufregung machten wir uns mit dem Fotoapparat und Film im Gepäck auf den Weg zum Fotostudio.
Wir durften eine halbe Stunde vor der Öffnungszeit kommen. Eine Frau empfing uns sehr nett und erlaubte den Kindern, sich umzusehen, mit der Bitte nichts anzufassen.
Das klappte auch gut.
„Kommt mal her, hier sind Regenschirme aufgespannt!“, rief Felix den anderen zu. „Es ist ganz dunkel hier, kannst du mal Licht anmachen?“ fragte er die Frau.
„Das machen wir etwas später“, gab sie zur Antwort.
„Aber warum seid ihr eigentlich her gekommen?“ frage sie die Kinder.
Leo sagte: „Wir wollten gern wissen, wie die Fotos entwickelt werden.“
„…und wie die Bilder in den Fotoapparat kommen“, warf Felix ein. „Wir haben auch einen Fotoapparat und einen Film mitgebracht, diese Sachen haben wir schon untersucht.“
„Dann zeigt mal her!“ meinte sie.
„Was ist denn da passiert?“ Und Felix erzählte noch mal von seinem Unglück.
Ein verborgenes Lächeln glitt ihr aus dem Gesicht, dann fragte sie die Kinder, was sie schon herausgefunden hätten, und bestätigte ihnen, dass sie schon auf dem richtigen Weg sind.
Sie nahm die kaputte Kamera und erläuterte ihnen die Teile: Objektiv, u.s.w.
Die Kinder sagten, dass sie das schon wüssten.
Daraufhin erklärte sie, dass sich auf dem Film eine lichtempfindliche Schicht befindet. „Wenn Licht darauf fällt, verändert sich die Schicht und das Bild wird auf den Film gebrannt. Kommt zu viel Licht auf den Film, sind alle Bilder weg, das ist dem Felix passiert, als er aus Versehen die Klappe geöffnet hat.“
Jetzt machte sie das Licht in der Fotoecke an und erklärte, warum das notwendig ist. Anschließend zeigte sie den Kinder eine monstermäßige Maschine, in der die Filme eingelegt und entwickelt werden und aus der dann fertigen Fotos herauskommen.
Sie erzählte den Kindern, dass es früher hier ein Fotolabor gab, um Filme zu entwickeln. Dort musste es dunkel sein, und in chemischen Lösungen konnten dann die Bilder entwickelt werden, die mussten sogar auf einer Leine zum Trocknen aufgehängt werden.
„Hattest du da auch Wäscheklammern?“ fragte Felix` Freund. Die Frau nickte.
Wir bedankten uns herzlich und machten uns auf den Rückweg zum Kindergarten.
Für den nächsten Tag verabredeten wir uns noch mal in der Quasselbude, um über unser Projekt zu sprechen, dann ging jeder in seine Gruppe.
Felix diskutierte noch mit seinem Freund über die große Maschine, die ihn faszinierte.
„Cool, wenn die Fotos raus kommen, oder?“
Situation 7 – Die Bedeutung des Projekts für die Jungen
Wir trafen uns zum Abschluss unseres Projektes noch einmal in der Quasselbude.
Die Kinder sollten ihre Eindrücke, Emotionen und Wahrnehmungen aus ihrer Sicht schildern.
Auf meine Frage, ob es ihnen Spaß gemacht hätte,
antwortete Leo: „Oh ja, ich konnte viel ausprobieren, was ich vorher nicht wusste, wie man einen Film einlegt oder wie die Bilder auf das Papier kommen.“
Felix sagte: „Jetzt kann ich auch fotografieren und mache keinen Fotoapparat mehr kaputt.“
Felix Freund meinte: „Ein paar Sachen wusste ich schon, aber das Fotostudio habe ich noch nie gesehen, das ist cool.“
Der Junge aus der grünen Gruppe sagte: „Weißt du, das war ein gutes Projekt, jetzt kann ich mir auch einen Fotoapparat wünschen, ein digitaler wäre schön, da kann mein Papa die Fotos ausdrucken, ich weiß ja jetzt, wie es funktioniert.“
Wie habt ihr denn miteinander und voneinander gelernt?
Felix: „Der Leo hat mir gezeigt, wie ich den Fotoapparat richtig halten muss und dass ich nicht wackeln darf, wenn ich ein Bild machen will und dass man den Fotoapparat nicht aufmachen darf, sonst ist der Film futsch.“
Leo: „Ich fand es gut, dass alle mitmachen konnten beim Auseinanderbauen vom Fotoapparat, das hätte ich nicht allein geschafft, die Schrauben waren ganz schön fest drin. Danke, Felix, dass du mich zu dem Projekt eingeladen hast.“
Was war für euch wichtig in unserem Projekt?
Leo: „Dass wir was gelernt haben, jetzt kann ich meinen Freunden zu Hause auch zeigen, wie man fotografiert, und sagen, was man nicht machen sollte, wenn man schöne Bilder haben möchte.“
Felix: „Dass ich jetzt auch fotografieren kann, dass ich weiß, wie es funktioniert. Ich mag Projekte gern, da kann ich viele Dinge kennen lernen.“
Sein Freund: „Ich möchte gern mit Felix neue Sachen ausprobieren,
die vielen Fotoapparate finde ich gut.“
Was war für euch das Schönste im Projekt?
Felix: „Dass du deine Fotoapparate mitgebracht hast und wir eine Fotorallye machen konnten.“
Leo: „Den Fotoapparat auseinander zu bauen, es war schwer, aber da konnte ich sehen, wie das mit dem Fotografieren funktioniert.“
Felix Freund meinte: „Ich fand das Fotostudio gut, die große Maschine, wo die Fotos entwickelt werden.“
Der Junge aus der grünen Gruppe meinte: „Ich fand das mit den digitalen Fotos auf dem Laptop am besten, weil man da schnell die Fotos ansehen kann.“
Anmerkung der Kursleitung:
Die Kinder haben jedes seine eigene Sichtweise und eigene Ideen.
„Ich kann nur sagen, es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit euch im Projekt zu arbeiten, und ich war erstaunt, wie viel ihr schon gewusst habt. Aber vor allem habt ihr gut zusammen gearbeitet, um neue Dinge heraus zu finden, für euch selbst und auch für andere, indem ihr euch gegenseitig geholfen habt.“
Da es kurz vor den Sommerferien war, wünschte ich allen eine schöne Ferienzeit und den beiden zukünftigen Schulkindern genauso viel Spaß in der Schule, wie sie im Kindergarten hatten.
Einige Tage später kam Felix zu mir und sagte: „Konny, weißt du was?“
„Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen.“
„Du musst erst mal raten!“
„Hast du vielleicht ein neues Auto bekommen?“ – „Nein.“
„Dann kommt bestimmt deine Oma zu Besuch?“ – „Nein.“
„Du fährst morgen in den Urlaub?“ – „Nein“, dabei amüsierte er sich über mich, weil ich voll daneben getippt hatte.
„Dann sag es mir jetzt, denn nun bin ich erst richtig neugierig geworden.“
Felix: „Ich hab eine kleine Katze bekommen, die heißt Lucie.“
„Was für eine Freude, nun ist dein Wunsch nach einem Tier endlich in Erfüllung gegangen! Hast du schon ein Foto von ihr gemacht? Dann bring es mit, ich möchte deine Katze auch mal sehen.“
„Unser Fotoapparat ist kaputt, deshalb konnte ich noch kein Foto machen.“
„Ich hab eine Idee, du nimmst meinen digitalen Fotoapparat mit nach Hause und schießt ein paar Fotos von deiner Katze.“
„Oh ja!“ jubelte er, nahm meinen Fotoapparat und legte ihn in sein Schubfach.
„Du weißt bestimmt noch, wie alles funktioniert.“ – „Na klar“, sagte er.
„Und im Morgenkreis kannst du sie dann allen Kindern zeigen.“ – „Ja, das mache ich.“
Reflexion
Durch ein Missgeschick und Unwissenheit hat sich für Felix ein neues Interesse entwickelt, etwas über einen Fotoapparat zu wissen und im Umgang damit neue Erfahrungen zu sammeln.
Durch geeignete Impulse und konkrete Fragestellung konnte ich ihn zu einem Projekt ermutigen. Er selbst sollte sich dazu adäquate Projektpartner aussuchen, um gemeinsam mit ihnen Neues zu entdecken, sein Wissen zu erweitern und sich in seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten auszuprobieren.
Wichtig war, dass in diesem Projekt genügend Zeit zur Verfügung stand, es hintereinander weg durchgeführt werden konnte und ich ein geeignetes Materialangebot schaffen konnte, um Felix im Wissenserwerb unterstützen und begleiten zu können. Auch die fachliche Unterstützung des Fotostudios trug zum Wissenserwerb bei und bestätigte ihm, was er schon gelernt hatte.
Vielen Dank auch an seine Mutter, die durch die Spende des Fotoapparates erheblich das materielle Angebot erweitert hat, was den Kindern tiefe Einblicke in die Technik bot und ein Experiment ermöglichte.
Mir selber hat es sehr viel Spaß gemacht zu sehen, mit welchem Eifer er am Projekt teilnahm und seine Erfolge bejubelte, um es allen anderen zu erzählen.
Er konnte im Austausch mit seinen eigens gewählten Partnern gemeinsam Erfahrungen sammeln, er blieb mit Neugier bei der Sache und hatte Spaß dabei.
Sein Selbstvertrauen wurde gestärkt und er zeigte mit Stolz, was er sich erarbeitet hat, deshalb schätze ich mein Ziel als erreicht ein.
Datum der Veröffentlichung: April 2015
Copyright © Kornelia Eppmann, siehe Impressum