von einer IHVO-Absolventin (Erzieherin)

 

Bastian (6;1) erklärt sein Traumauto im Rahmen unseres Projektes „Was fliegt, fährt und schwimmt?“.

Die am Projekt interessierten Kinder habe ich in zwei Gruppen aufgeteilt; Bastian ist in einer Gruppe von 8 Kindern.

Wir haben uns im Projekt schon das „Innenleben“ eines Autos näher betrachtet, vor allem die Funktionsweise eines Benzin-Viertaktmotors, und haben uns auch durch Bücher, Experimente und Software mit der technischen Seite des Autos befasst.

Nun treffen wir uns wieder und ich sage:
„Also, wenn ich mir ein Auto selbst bauen könnte, wenn ich der Autobauer wäre, dann würde mein Auto anders aussehen. Ich würde mein Traumauto bauen.
Habt ihr Lust, euer eigenes Traumauto zu malen?“

Die Kinder haben Lust dazu, sie fangen alle sofort an. Ich weise sie noch kurz auf die bereitgestellten Materialien hin (Stifte, Federn, Textilien, Kronkorken…) und kann dann im Hintergrund beobachten.

Während des Malens sprechen die Kinder nicht viel – ich hatte angekündigt, dass sie ihre Werke später vorstellen können. Ausnahmslos alle Kinder, vor allem aber Bastian, gehen konzentriert und mit viel Freude ans Werk. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein Zitat Mihaly Csikzentmihalyis verweisen: „Die vielleicht wichtigste Eigenschaft, die sich bei fast allen kreativen Personen findet, ist die Fähigkeit, den Schaffensprozess um seiner selbst willen zu genießen. (…) Die Freude ist ein elementarer Bestandteil der Kreativität.“ (Csikzentmihalyi, Kreativität, 1996, S. 113; siehe Literaturverzeichnis.)

Im Unterschied zu den anderen teilnehmenden Kindern rollt Bastian sein fertiges Bild ein und bindet eine Schleife um die Rolle. Ich frage nach dem Grund; er erwidert: „Das ist mein geheimer Plan von dem Auto, das darf doch niemand sehen.“

Da ich Bastians Entschlossenheit kenne, befürchte ich, sein Traumauto wird tatsächlich geheim bleiben und niemand wird es zu Gesicht bekommen. Mir ist bewusst, dass ich das zu akzeptieren hätte.

Wir setzen uns in einen Kreis.

Emma beschreibt ihr Auto so: „In meinem Auto gibt es einen Aufzug. Dann können die Leute da rauf und runter fahren.“ Auf meine Frage, was sie denn in schwarz gezeichnet hätte, meint sie: „Das ist der Esstisch und das sind Stühle.“ Weil ihr Auto so schwer sei, erklärt sie, brauche es viele Räder; diese hat sie grün eingezeichnet.

Nicola, Bastians bester Freund, hat in sein Auto hinein viele Außerirdische gemalt. „Die können alle aus den Fenstern schauen – und die vorne, die lenken das Auto.“ Eines der Kinder will wissen, ob die Außerirdischen das Auto selbst gebaut oder gekauft haben. Nicola antwortet: „Das Auto haben die selbst gebaut, das kann man auf der Erde nicht kaufen.“
Ich frage ihn, was die Außerirdischen denn noch so alles in oder an das Auto gebaut hätten. „Ganz vorne“, meint er, „gibt es eine dicke Stange. Wenn die Außerirdischen gegen ‚was fahren, dann geht das Auto trotzdem nicht kaputt.“

Bastian zeigt sich während dieser und den nachfolgenden Beschreibungen sehr interessiert und meldet sich schließlich, um sein Bild doch vorzustellen.

Sein Auto sei ein sehr schnelles Auto, meint er. „Das hat hundert Zylinder, hier vorne (kolbenartige Gegenstände in der unteren Bildhälfte) kann man welche sehen.“

 

Bastian zeigt den anderen Kinder seine eingezeichneten Zylinder. „Das Auto ist auch sehr stark“, betont er stolz, „das kann sogar durch Stein fahren!“ Ich frage ihn, wie es das denn schaffe. „Ist doch ganz einfach, es hat spitze Schrauben, mit denen bohrt es sich leicht durch Stein“, antwortet er und zeigt die spitzen Schrauben. (Sie sind rechts oben am Bildrand zu sehen.) „Die müssen aber aktiviert werden“, fügt er noch hinzu.

An dieser Stelle weise ich die Kinder auf eine unserer Gesprächsregeln hin: „Ihr wisst ja, dass ihr jederzeit Fragen stellen könnt, wenn ihr etwas noch genauer wissen wollt.“ Einer der Jungen möchte wissen, was „aktivieren“ bedeutet. Bastian erklärt den Begriff folgendermaßen: „Wenn das Auto auf Stein trifft, kommen die Bohrer raus und zerbohren die Steine.“

Mich interessiert noch, ob das Auto viel Benzin braucht. „Nee, das ist windbetrieben. Das braucht nur Benzin, wenn kein Wind da ist“, antwortet Bastian. Ich frage die anderen Kinder, ob sie wissen, was „windbetrieben“ bedeutet; die meisten Kinder schütteln den Kopf und Bastian erklärt: „Wenn Wind da ist, kann das Auto wie ein Segelschiff fahren. Es hat ganz viele Segel.“ Er zeigt die Segel und erklärt, dass das Auto außerdem eine Schiffsschraube habe. Es könne auch unter Wasser fahren.

„Fährt es jetzt gerade unter Wasser?“ fragt ein Kind. Bastian antwortet: „Ja, das kann man doch gut seh’n!“ und weist auf das in blau Gezeichnete hin.

Ich will wissen, was das in der rechten unteren Bildecke Gezeichnete ist. Bastian: „Das ist ein Zahnrad, das sich bei starker Wasserströmung in den Sand gräbt.“ „Warum macht es das?“ hake ich nach. Er erklärt: „Wenn die Wasserströmung so stark ist, dann treibt das Schiff ab. Wenn das Zahnrad sich in den Sand gräbt, passiert das nicht!“

„Du hast ja an vieles gedacht, Bastian!“, meine ich und frage, wer denn das Traumauto fährt. „Da leben wie beim Nicola Außerirdische drin; da oben sind die Schlafzimmerfenster. So kann man auch, wenn man im Bett liegt, ‚rausschauen.“

Nach dieser Bemerkung rollt Bastian sein Bild wieder zusammen, die Vorstellung seines Werkes ist damit beendet. Er zeigt sich aber sehr interessiert an den Traumautos der Kinder, die nach ihm ihre Werke vorstellen.

Siehe auch: Bastian (6;1) taut auf.

 

Datum der Veröffentlichung: Februar 2014
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